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Fettes Brot.

Lynn, Esenwein
In: Agrarzeitung, 2023-11-11, S. 28-35
Online serialPeriodical

Fettes Brot 

Die engagierte Bäckerei KEIT in Berlin definiert das Alltagsprodukt Brot neu: Als konsequent hochwertiges, nachhaltiges und regionales Premium-Produkt, präsentiert als Einzelstücke wie in einer Kunst-Galerie.

Text: Lynn Esenwein

Das Konzept von KEIT zeigt das Alltagsprodukt Brot als hochwertiges und transparentes Lebens- und Genussmittel, für das die Kunden gerne mehr ausgeben. Das könnte ein Teil der Lösung für mehr Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln sein.

Hinter der gläsernen Ladenfront in Friedrichshain im Osten Berlins gibt es etwas zu entdecken, das Stadtmenschen nicht unbedingt kennen, da die City schlichtweg nicht den natürlichen Lebensraum darstellt. Dort also hinter dem Schaufenster einer Bäckerei zu erspähen: ein Weizenfeld.

„Wir wollen verschiedene Handlungsprinzipien verfolgen, mit Haptik und Geruch Sinne aktivieren, mit unserem Laden Menschen verbinden. Daher war uns wichtig, eine offene Ladenfläche zu haben. Mit der Installation eines Weizenfelds wollen wir den Wertschöpfungsprozess bewusst machen, viele Leute aus der Stadt haben sich noch nie so nahe an einem Weizenfeld befunden. Wir wollen erlebbar machen, wie sich Weizen anfühlt", sagt Kolja Orzeszko

Gemeinsam mit Thanos Petalotis hat der Anfang 40-Jährige die Bäckerei „KEIT" mit mittlerweile zwei Verkaufsstellen in Berlin gegründet. Mit ihren 20 Mitarbeitenden verfolgen die Unternehmer ein klares, striktes Konzept, das auf Minimalismus setzt. Kund:innen können wählen zwischen sechs Sorten Sauerteigbrot, fünf Brötchen- und zwei Baguettesorten. Preislich liegt jedes Brot bei 6,50 Euro – „wir wollen das Erlebnis im Laden so reibungslos wie möglich gestalten. Deswegen versuchen wir die Preise so einheitlich wie möglich zu gestalten", so Orzeszko.

„Wertschätzung ist bei uns der Überbegriff. Brot bekommst du ja an jeder Ecke, aber wir gehen da sehr tief rein ins Thema Brot. Die Präsentation soll reflektieren, dass es ein Produkt ist, das sehr viele Hände durchläuft, vom Landwirt über den Müller bis hin zum Bäcker", sagt der Geschäftsführer. Neben dem bewusst reduziert gehaltenen Sortiment legen die Köpfe hinter KEIT großen Wert auf Regionalität. „Wobei Regionalität auch deutschlandweit heißen kann, bei uns müsste es daher eher als Lokalität bezeichnet werden", sagt der Geschäftsführer. Was er damit meint: Die Bäckerei bezieht „jede einzelne Zutat" aus einem Umkreis von 100 Kilometern, vom Spreewald bis zur Uckermark, vom Getreide bis zum Salz.

Die konsequente lokale Beschaffung bezieht sich bei dem noch jungen Unternehmen aber nicht nur auf Rohstoffe für die angebotenen Backwaren. Auch bei der Ladengestaltung haben die beiden Gründer, deren berufliche Wurzeln ursprünglich in Marketing und Produktentwicklung eines großen Sportartikelherstellers lagen, auf lokale Ressourcen zurückgegriffen. So zeichnete sich für das Design kein namhafter Ladenbauer mit Fokus auf die Branche verantwortlich, sondern eine in Berlin ansässige Agentur. Die dazugehörige Ausstattung fertigte ein ebenso in der deutschen Hauptstadt ansässiges Unternehmen.

Durch die besondere Gestaltung der beiden Läden in Schöneberg und Friedrichshain macht KEIT sein Brot erlebbar und hebt dessen Wertigkeit als essenzielles Lebens- und Genussmittel hervor. „Wir haben wenige Sorten, die präsentieren wir einzeln, so dass die Kundschaft direkt ein Verständnis dafür hat. Dazu haben wir Ausfräsungen im Regal, jedes Brot hat dadurch seinen eigenen Platz. Jedes Brot ist wie ein kleines Kunstwerk, und den hohen Respekt, den wir an das Produkt haben, soll dadurch zum Ausdruck kommen", erläutert Orzeszko. Auch die Materialen, die beim Ladenbau zum Einsatz gekommen sind, spiegeln den hohen Anspruch ans Kernprodukt wider. „Uns war wichtig, da sich bei uns alles um Brot dreht, Materialen zu wählen, die man mit Brot assoziiert, also etwas organisches wie Holz und Stein. Auch die Wände sind sehr warm gehalten. Aber da wir im Lebensmittelbereich daran gebunden sind, Hygienematerialen wie Edelstahl zu nutzen, kombinieren wir diese Elemente in einem Materialmix", führt er weiter aus.

Auch wenn es bei Schrauben und Co. nicht immer möglich sei, alle Materialen zu 100 Prozent mit dem Siegel „Made in Berlin" zu bekommen, so sei es den Geschäftsführern von KEIT doch gelungen, das verwendete Holz zum großen Teil aus lokaler Forstwirtschaft zu beschaffen. Ein Großteil des in den Läden verbauten Holzes stamme aus Berliner Eichen. Auch eine Vitrine, die zu Dekorationszwecken zum Einsatz kommt, stamme aus Berlin, genauer aus dem Naturkundemuseum, dass eben jenes Objekt ausgesondert hatte. Die Konsequenz beim Thema Lokalität geht Hand in Hand mit dem Bestreben Orzeszkos und Petalotis' beste Qualität anzubieten sowie die Verbindungen zwischen Stadt und Land nachhaltig zu stärken und den speziellen Geschmack Berlins abzubilden und mitzuprägen.

„Aus dem Konzept, das wir mit den Broten verfolgen, folgt die natürliche Konsequenz, wie der Laden aussieht. Wir wollten wenig machen, aber das wenige gut. Um das zu gewährleisten, müssen wir unser Sortiment überschaubar halten. Für unseren Qualitätsanspruch nutzen wir Sensoren und sammeln dauerhaft Datenpunkte, zum Beispiel die pH-Werte oder das Mikroklima in Backstube, Mehllager und Kühlzelle. Täglich bewerten wir unsere Brote nach Dimensionen, Farbe, Kruste, Porung, Fluffigkeit und Geschmack", sagt Kolja Orzeszko.

Die Brote von KEIT finden so fast schon logischerweise nicht nur Anklang bei der multikulturellen Nachbarschaft in Friedrichshain und Schöneberg. Auch Restaurants wie das Oh Panama, pars, Waldorf Astoria sowie das Speiselokal Nobelhart & Schmutzig schätzen deren Backwaren. Außerdem bietet das Team Workshops und Expert: innensupport für Sauerteiganfänger:innen und hat im Onlineshop nützliches für die heimatliche Küche von Hobbybäcker:innen im Angebot. Im Sinne der Nachhaltigkeit wird nicht verkauftes Baguette zu Brotchips umfunktioniert, die als Beilage etwa für Suppen gedacht sind.

Der Name der puristischen Bäckerei leitet sich übrigens ab von den drei wesentlichen Werten, die das Handeln des Unternehmens bestimmen und mit „keit" enden: Verlässlichkeit, Dankbarkeit und Nachhaltigkeit.

Das Weizenfeld in der Großstadt: Hinter der Schaufensterscheibe und im Laden verweisen Ähren auf die Herkunft der Backwaren.

Maximaler Minimalismus: Das Ladenkonzept verzichtet auf alles, was nicht zum Kernprodukt und zu den Werten passt.

PHOTO (COLOR): Fotos: Franz Grünewald Fokus aufs Wesentliche Bei KEIT gibt es nur fünf unterschiedliche Brote (hier die Filiale in Berlin Friedrichshain). Handwerklich hergestellt Klassische Teigführung aus Getreide lokaler Erzeuger. GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER Thanos Petalotis und Kolja Orzesko (re.) entwickelten das Konzept von KEIT Wissen, wo es herkommt Herkunft und Verarbeitung des Getreides werden gerne erläutert. Transparente Produktion Im Laden in Berlin Friedrichshain können die Kunden in die Backstube schauen. Dunkles Metall und helles Holz Die Filiale im Berliner Stadtteil Schöneberg.

By Esenwein Lynn

Reported by Author

Titel:
Fettes Brot.
Autor/in / Beteiligte Person: Lynn, Esenwein
Zeitschrift: Agrarzeitung, 2023-11-11, S. 28-35
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 1869-9707 (print)
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article

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