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TW-Interview mit Mytheresa-CEO Michael Kliger: "Mehr Buzz wäre schon gut".

Bayer, Tobias ; Dörpmund, Tim
In: TextilWirtschaft Online, 2023-11-28, S. 1-4
Online serialPeriodical

Business TW-Interview mit Mytheresa-CEO Michael Kliger: "Mehr Buzz wäre schon gut" 

Nach Jahren des rasanten Wachstums durchlebt die erfolgsverwöhnte Luxusbranche einen schwierigen Moment. Das gilt auch für den Online-Händler Mytheresa, der von Juli bis September nur noch einstellig zugelegt und operativ Verlust geschrieben hat. Mytheresa-CEO Michael Kliger über die Rabattschlacht im Internet, die Olympischen Spiele in Paris als Festspiel der Luxusbranche und warum er sich wünscht, dass es im nächsten Jahr wieder mehr als nur Quiet Luxury gibt. Die Zahlen sind okay, sonderlich prickelnd sind sie allerdings nicht. Mytheresa hat den Nettoumsatz von Juli bis September um 7% auf 188 Mio. Euro gesteigert. Damit hat sich der Online-Händler aus Aschheim bei München zwar besser als Konkurrenten wie Net-a-Porter, Neiman Marcus oder Saks Fifth Avenue geschlagen, deren Umsatz über denselben Zeitraum nach unten gerutscht ist.

Dennoch hat er sich deutlich weniger dynamisch als noch in der Periode April bis Juni entwickelt, in der er um 16,5% zugelegt hatte. Unter dem Strich fiel im Quartal ein operativer Verlust von 13 Mio. Euro an, die bereinigte Ebitda-Marge, die im vergangenen Geschäftsjahr bei 5,3% lag, war mit -0,4% leicht negativ.

Die Ergebnisse unterstreichen, wie schwierig die Situation der Luxusindustrie ist. Der Aspirational Customer, also der Gelegenheitskäufer, hält sich aufgrund der Inflation und unsicheren Lage auf dem Arbeitsmarkt im Konsum zurück. Deshalb gibt derzeit zu viel Herbstware, weswegen früh stark rabattiert wird. Mytheresa-CEO Michael Kliger rechnet damit, dass sich das Bild im Weihnachtsquartal nicht entscheidend verbessern wird. "Wir sind schuldenfrei und harren der Dinge, die bei den Wettbewerbern passieren werden", sagt er.

TextilWirtschaft: Das Wachstum ist einstellig, das Ebitda-Ergebnis negativ. Woran liegt's?

Michael Kliger: Wir hatten ja schon angekündigt, dass unser Wachstum 'flattish', also 'ziemlich flach' sein würde. Mit unserem Plus von 7% unterscheiden wir uns aber deutlich von unseren Wettbewerbern, deren Umsatz teilweise sinkt. Das negative Ebitda-Ergebnis ist extremen Margenproblemen geschuldet. Der Full-Price-Anteil ist deutlich gesunken, was unsere Bruttomarge drückt. Es gibt zu viel Herbstware, weswegen viele Konkurrenten bereits im Oktober mit Rabatten angefangen haben. Wir rechnen damit, dass das im Weihnachtsquartal weitergeht. Das ist die Situation. Wir sind schuldenfrei und harren der Dinge, die bei den Wettbewerbern passieren werden.

Ist der Top-Kunde nach wie vor der Motor des Luxusmarkts?

Die Zahl der Top-Kunden ist um 19% gewachsen, während sich die Gesamtkundenbasis um 5% vergrößert hat. Der Anteil der Top-Kunden an unserem Geschäft ist mit über 39% weiter größer geworden. In den USA ist die Zahl der Top-Kunden um 56% gestiegen. Das hat es uns ermöglicht, auf dem sehr schwierigen US-Markt um knapp 29% zu wachsen. Der Top-Kunde ist also nicht das Problem, der Aspirational Customer ist das Problem. Weil wir uns auf den Top-Kunden fokussieren, können wir uns dem aktuellen Trend entgegenstemmen. Komplett isolieren können wir uns von der Situation da draußen aber nicht. Wenn ein Top-Kunde einen Artikel sucht und feststellt, dass er auf einer Seite um 40% herabgesetzt ist, wird er ihn dort kaufen. Der Top-Kunde gibt viel aus, aber auf den Kopf gefallen ist er nicht.

Wo und bei welchen Produkten ist die Rabattschlacht am härtesten?

Die Unterschiede fallen schon dramatisch aus. Erstens ist die Rabattintensität in den USA und Asien deutlich höher als in Europa. Zweitens ist sie dort ausgeprägt, wo die Warenbestände hoch sind. Solche Überhänge gibt es bei Produkten und Marken, die stark vom Aspirational Customer nachgefragt werden. Die Rabatte sind höher bei Schuhen und Taschen als bei der Ready-to-wear. Sie sind höher bei Contemporary-Labels als bei High-End-Marken. Brands, die sehr breit und ubiquitär sind, sind stärker von Rabatten betroffen als Marken, deren Distributionspolitik sehr restriktiv ist.

Welche Konsequenzen zieht das Mytheresa-Einkaufsteam daraus?

Unser Einkauf versucht immer, Konsequenzen zu ziehen. Das Entscheidende ist allerdings, sich nicht davon leiten zu lassen, was momentan passiert. Die nicht so leicht zu beantwortende Frage lautet, wie es um den Markt und den Kunden in zwölf Monaten bestellt sein wird. Das hängt damit zusammen, wie die Showrooms aussehen. Jetzt beginnt ja die Orderphase für den nächsten Herbst.

Wird Quiet Luxury auch im nächsten Herbst noch dominieren?

Quiet Luxury ist eine sichere Bank. Dort lohnt es sich immer zu investieren. Kiton, Brunello Cucinelli und Loro Piana werden auch in zwölf Monaten verkaufen. Der Kunde ist gut, der wird auch gut bleiben. Doch mehr Fashion und mehr Buzz wären schon gut für den Sektor. Wir haben deshalb alle unsere Einkäufer aufgefordert: 'Schaut euch um, wenn neue, überraschende Sachen kommen.' Wir gehen davon aus, dass der Kunde in einem Jahr schon etwas müde von Fifty Shades of Cashmere in Beige sein könnte. Ich persönlich glaube schon, dass da ein Wunsch nach 'What else?' ist. Wenn unsere Einkäufer das frühzeitig identifizieren, ist das natürlich klasse.

Was trägt Mytheresa dazu bei, mehr Buzz zu erzeugen? Wie wäre es mit einer Geisterbahn auf dem Rodeo Drive in Beverly Hills?

Wir sind in einer symbiotischen Partnerschaft mit den Marken. Wir sind Verstärker, wir sind Amplifier. Wir sind ein Spiegel dessen, was die Marken kreieren, und was der Kunde wünscht. Wir spielen also schon eine Rolle, aber wir brauchen ein Produkt. Ohne Produkt können wir keine Geschichten erzählen. Im Sommer hatten wir ein Pop-up in den East Hamptons. Im Dezember eröffnen wir ein Pop-up ein Los Angeles, das Holiday House. Wir tun schon mehr als früher, aber wir sind nicht im luftleeren Raum. Wir wissen, dass der Mode nichts mehr hilft als der stete Wandel. Doch es bringt wenig, einfach nur, weil wir dazu Lust haben, in Farbe, Embroidery und Exuberance zu schwelgen, wenn der Kunde nicht so weit ist, und wir die Produkte nicht haben.

Wegen des Klimawandels und der Black Friday-Woche hat sich die Phase, in der man in der Herbstsaison zum vollen Preis verkaufen kann, verkürzt. Der ein oder andere Modehändler verschiebt deshalb das Budget vom Herbst ins Frühjahr. Tut das Mytheresa auch?

Als Kind der 80er-Jahre erinnere mich noch gut an den Winterschlussverkauf. Das starre Muster der Saisonalität ist weg. Als globales Unternehmen, das ein signifikantes Geschäft auf der Südhalbkugel hat, müssen wir uns davon lösen. Es ist alles flexibler geworden. Wir haben Kunden, die dem Fashion-Cycle folgen. Sie schauen sich im August nach Stiefeln um und decken sich jetzt Ende November bereits mit Frühjahrsware ein. Dann haben wir Kunden, die sehr bedarfsgetrieben sind. Wir hatten das Phänomen, dass die Kunden Herbstware kauften, als es von Februar bis April kalt wurde. Wir sind in der Luxusmode. Wir decken keine funktionalen, sondern emotionalen Bedürfnisse ab. Es gibt ein emotionales Bedürfnis nach Winter. Wenn man durch die deutschen Innenstädte geht, stellt man allerdings fest, dass der Sneaker-Anteil im Oktober und November nicht signifikant sinkt. Es hat sich halt alles vermischt, man kann sich auf nichts mehr so exakt verlassen.

Auf der Pitti Uomo im Januar bekommen deutsche Labels in Florenz eine Plattform. Das Konzept heißt Neudeutsch und soll ein neues Bild der deutschen Mode vermitteln. Könnte nicht auch Mytheresa einen deutschen Punkt setzen und deutschen Talenten helfen?

Erstmal finde ich die Idee, eine solche Plattform zu wählen, richtig. Es hilft wenig, neue Designer in Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt zu präsentieren. Man muss die Realität anerkennen, dass Baumaschinen und Autos in Deutschland vorgestellt werden, Luxus und Design aber in Paris und Mailand stattfinden. Vorgemacht haben das die jungen belgischen Designer. Sie haben nicht gesagt, 'Mir reicht es, in Antwerpen bekannt zu sein', sondern sind rausgegangen, um das Interesse der internationalen Handelshäuser zu wecken. Was uns bei Mytheresa betrifft, sehen wir das nicht, einen deutschen Punkt zu setzen. Wir feiern die Designer, die für unsere Kunden spannend sind, egal, ob sie aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien oder sonst woher kommen.

2024 stehen die Olympischen Spiele in Paris an. Der Luxuskonzern LVMH mischt als Sponsor groß mit. Wird auch Mytheresa an dem Mega-Event teilnehmen?

Das werden bestimmt die luxuriösesten Olympischen Spiele, die wir bisher erlebt haben. Wegen der Stadt Paris und wegen LVMH. Es ist eine spannende Frage, wie sich auf das Geschäft auswirken wird. Normalerweise stören Großereignisse, weil die Touristen, die nicht sportinteressiert sind, die Stadt meiden. Ich finde den Ansatz von LVMH hochintelligent. Statt zu sagen, 'Oh mein Gott, ganz Paris wird leiden', nutzen sie das Ereignis und positionieren sich erst recht. Es gibt eine Vielzahl von Sportarten wie das Fechten, das Reiten oder Tennis, die zum Luxus passen. Das ist der Vorteil gegenüber einer Fußball-WM, bei der nur ein einziger Sport geboten wird. Wir überlegen uns, ob und wie wir teilhaben. Es muss immer produktbezogen sein. Wir werden keinen Olympiabotschafter haben.

By Tobias Bayer and Tim Dörpmund

Titel:
TW-Interview mit Mytheresa-CEO Michael Kliger: "Mehr Buzz wäre schon gut".
Autor/in / Beteiligte Person: Bayer, Tobias ; Dörpmund, Tim
Zeitschrift: TextilWirtschaft Online, 2023-11-28, S. 1-4
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: serialPeriodical
Schlagwort:
  • KLIGER, Michael
  • TEMPORARY stores
  • INTERNET stores
  • TEXTILE industry
  • ELECTRONIC commerce
  • OLYMPIC Games
  • CONSUMERS
  • LABOR market
  • PARIS (France)
  • ASIA
  • Subjects: KLIGER, Michael TEMPORARY stores INTERNET stores TEXTILE industry ELECTRONIC commerce OLYMPIC Games CONSUMERS LABOR market
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: TW interview with Mytheresa CEO Michael Kliger: "More buzz would be good".
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: PARIS (France) ; ASIA
  • Full Text Word Count: 1425

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