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HDE-Präsident Alexander von Preen im Interview: "Mut brauchen wir Unternehmer ohnehin'.

Redaktion, LZ
In: TextilWirtschaft Online, 2024-01-05, S. 1-5
Online serialPeriodical

Business HDE-Präsident Alexander von Preen im Interview: "Mut brauchen wir Unternehmer ohnehin' 

HDE-Präsident Alexander von Preen im Gespräch mit dem TW-Schwestertitel Lebensmittel Zeitung über seine Erwartungen für das Jahr 2024, die Zukunft der Kaufhäuser und die Forderung nach einem "verantwortungsvollen Tarifabschluss" an die Gewerkschaft Verdi. Herr Dr. von Preen, Sie sind seit mehr als einem Jahr Präsident des Handelsverbands HDE. Wie lautet Ihre erste Bilanz? Die Bilanz ist sehr positiv. Ich wusste, dass der Einzelhandel eine lebendige Branche voller tatkräftiger Menschen ist. Trotzdem haben mir die Vielfalt und die vielen begeisterten Unternehmerinnen und Unternehmer in vielen Gesprächen in diesem Jahr deutlich gemacht, welch große Bedeutung und wie viel Potenzial die Branche besitzt. Auf der politischen Ebene habe ich sehr schnell Kontakte zu den Entscheidern aufnehmen können. Der Handel hat mit dem HDE großes Gewicht in Berlin. Das zeigt auch der Besuch von Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck beim Handelskongress im November. Dass beide sich in diesen hektischen Wochen die Zeit genommen haben, um mit dem Handel zu sprechen, ist ein wichtiges Signal.

Der Einzelhandel befindet sich seit der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dauerhaft im Krisenmodus. Blicken Sie dennoch zuversichtlich ins neue Jahr?

Auch wenn es derzeit schwieriger ist als oftmals in der Vergangenheit: Ich blicke zuversichtlich auf das Jahr 2024. Bei allen Kriegen, Katastrophen und Konflikten haben wir doch in Deutschland gute Voraussetzungen, um unsere Wirtschaft wieder anzukurbeln und den Wohlstand zu sichern oder sogar zu steigern. Im Dezember hat sich ja nun auch das HDE-Konsumbarometer endlich wieder ein Stück nach oben bewegt. Das macht Mut - und den brauchen wir Unternehmer ohnehin immer.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung, um das Konsumklima zu beleben? Konsum ist zu einem hohen Prozentsatz auch Psychologie. Die Grundlage für eine gute Konsumstimmung sind Verlässlich- und Berechenbarkeit. Beides habe ich in der Vergangenheit beispielsweise beim Heizungsgesetz oder bei der Planung des Haushalts vermisst. Weniger verunsichernde Diskussionen auf offener Bühne, klare Ziele und Planungen sowie Priorisierung auf die wirklich wichtigen Themen und mehr entschlossenes Handeln nach außen - das brauchen wir. Gleichzeitig fehlt es offenbar an Vertrauen in die positive Kraft des Unternehmertums und der Marktwirtschaft. Immer alles im Detail regeln zu wollen, bringt nicht die besten Ergebnisse, sondern reguliert Innovationen zu Tode.

Und was erwarten Sie von der Gewerkschaft Verdi mit Blick auf die laufenden Tarifverhandlungen?

Die Gewerkschaft beharrt seit Beginn der Verhandlungen auf ihrem Standpunkt und ihren Forderungen, die Arbeitgeberseite hingegen hat sich in dieser Runde bereits mehrfach sehr beweglich gezeigt. Letzteres ist besonders bemerkenswert, denn viele Handelsunternehmen befinden sich wegen der anhaltenden Kaufzurückhaltung in einer wirtschaftlich extrem schwierigen Lage. Es ist wichtig und richtig, dass die Sozialpartner weiter nach einem tragbaren Kompromiss suchen. Inzwischen wäre es höchste Zeit für einen verantwortungsvollen Abschluss - für die Unternehmen, aber auch für die Beschäftigten.

Die Insolvenz der Signa Holding wirft auch Schatten auf Galeria Karstadt Kaufhof. Der Innenstadthandel droht weiter unter Druck zu geraten. Gibt es Ihrer Meinung nach noch eine Zukunft für Warenhäuser in deutschen Städten? Warenhäuser sind in den Innenstädten bis heute ein zentraler Anlaufpunkt für viele Menschen. Das bringt Frequenz auch für viele benachbarte Unternehmen. Und ich glaube auch, dass es an vielen Standorten nach wie vor den Bedarf für ein Warenhaus gibt. Man wird sehen, wie sich das weiterentwickelt. Am Ende entscheiden die Kundinnen und Kunden mit ihren Bedürfnissen über die Zukunft des Handelsformates.

Wären Sonntagsöffnungen eine Lösung zur Belebung des innerstädtischen Handels?

Gelegentliche und verlässliche Sonntagsöffnungen sind auf jeden Fall wichtig, um die Innenstädte lebendig zu erhalten. Shoppen ist heute auch Event. Da muss es den Händlern möglich sein, ab und zu rechtssicher am Sonntag zu öffnen. So wie es im Moment oft läuft, kann es nicht bleiben. Immer wieder klagt vor allem Verdi kurzfristig bereits genehmigte Sonntagsöffnungen weg. Die Händler bleiben dann auf bereits getätigter Werbung und auf Personalkosten sitzen. Das ist das Gegenteil von erfolgreicher Arbeit für unsere Innenstädte.

Wie bewerten Sie das Vorhaben der EU-Kommission, mit der sogenannten "Late Payment Regulation" Zahlungsziele über 30 Tage hinaus generell zu verbieten?

Die Zahlungsverzugsverordnung ist ein klassisches Beispiel für "gut gedacht und schlecht gemacht". Sie erreicht ihr Ziel, die Bekämpfung des Zahlungsverzugs, nicht. Die Zahlungsfristen starr auf 30 Tage festzulegen, verhindert keine unpünktliche Zahlung und hilft deshalb niemandem weiter. Nicht pünktlich zu bezahlen, ist schon heute rechtswidrig und verpflichtet den säumigen Schuldner zur Zahlung von Verzugszinsen. Die gesetzlich geregelten Verzugszinssätze von derzeit über zwölf Prozent entfalten eine hinreichend abschreckende Wirkung, da braucht es keine neue Regulierung. Vorgaben für starre Zahlungsfristen zerstören aber Geschäftsmodelle, die für Lieferanten, Auftraggeber und Kunden wichtig und vollkommen in Ordnung sind.

Können Sie Beispiel geben?

Im Einzelhandel stehen etwa Waschmaschinen oft länger als 30 Tage in den Regalen. Deshalb ist die Vereinbarung einer längeren Zahlungsfrist für den Händler bei länger im Geschäft oder im Lager verharrender Ware existenziell, denn er spart so hohe Finanzierungskosten. Mit der Zahlungsverzugsverordnung würden für viele Handelsunternehmen existenzbedrohende Finanzierungslücken entstehen. Das darf so nicht beschlossen werden. Da müssen die EU-Institutionen und die Bundesregierung deutlich gegensteuern. Die breite Allianz der mittelständischen Wirtschaft bei diesem Thema macht deutlich, dass niemand diese Einschränkung der Zahlungsfristen braucht und will. Deshalb braucht es hier jetzt schnell ein klares Stoppschild gegen diese fehlgesteuerte und kontraproduktive Regulierung, die gerade kleineren, weniger finanzkräftigen Unternehmen schaden würde.

Und welche Position nimmt der HDE zur Evaluierung des Gesetzes gegen "unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette" (UTP) ein?

Die Evaluation hat gezeigt, dass der deutsche Gesetzgeber die mit den EUVorgaben ohnehin verbundene Gefahr von Marktstörungen verstärkt hat, indem er zusätzlich zu den Verboten der UTP-Richtlinie weitere Klauselverbote in das Gesetz aufgenommen hat. Damit wurden ganze Geschäftsmodelle, insbesondere von Lieferanten aus dem KMU-Bereich, infrage gestellt. Nötig ist daher eine Deregulierung der Vertragsbeziehungen in der Lieferkette: Die klare und eindeutige Vereinbarung von Retourenmöglichkeiten, der Übernahme von Lagerkosten und von Listungsgebühren sollte wieder möglich sein, zumindest, wenn sie mit Effizienzen verbunden sind. Der erweiterte Anwendungsbereich dehnt den Schutzbereich des Gesetzes auf tendenziell nicht schutzbedürftige Großunternehmen aus und sollte daher 2025 planmäßig auslaufen, um einen Beitrag zur Entbürokratisierung der Verhältnisse in der Lieferkette zu leisten. Mit Blick auf die Vertragsautonomie müssen Vertragsstrafenvereinbarungen weiterhin zulässig sein, auch um Wettbewerbsverzerrungen zugunsten unlauter agierender Lieferanten zu verhindern.

Die Pläne der EU, Unternehmen nach dem Vorbild des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu verpflichten, werden konkreter. Sind die Brüsseler Vorstellungen in der Handelsbranche umsetzbar?

Wenn es um die Einhaltung der vorgesehenen Menschenrechts- und Umweltstandards geht, sehe ich die Handelsbranche sehr gut vorbereitet. Zusammen mit Partnern in der Lieferkette und durch lange Lern- und Optimierungsprozesse haben sich im Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen in den Lieferketten des deutschen Handels elaborierte Risikomanagementsysteme entwickelt. Die erreichte Transparenz über die Risikosituation in den Lieferketten ist die Voraussetzung für die wirksamen Gegenmaßnahmen, die die Händler mit Blick auf ihre spezifischen Herausforderungen in den letzten Jahren bereits ergriffen haben und die nun auch in den Plänen zum EU-Lieferkettengesetz gefordert werden. Die in den Gesetzentwürfen vorgesehenen zivilrechtlichen Haftungsvorschriften sind hingegen unverhältnismäßig und kurzsichtig. Schließlich wird im deutschen Sorgfaltspflichtengesetz aus gutem Grund klargestellt, dass ein Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung keine zivilrechtliche Haftung auslöst. Der Gesetzgeber wusste hier um die wirtschaftswissenschaftlichen Warnungen, dass Lieferkettenregulierung und entsprechende Haftungsrisiken potenziell zu Rückzugstendenzen aus Beschaffungsländern führen. Die nachteiligen entwicklungspolitischen Effekte, die damit einhergehen, gilt es unbedingt zu vermeiden.

Was könnte den Unternehmen diesbezüglich helfen?

Mit Blick auf die Komplexität der Liefernetzwerke im Handel muss bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten unbedingt ein hohes Maß an Rechtssicherheit sichergestellt sein. Es bräuchte also mindestens eine Haftungsprivilegierung in den Fällen, wo Unternehmen qualifizierte Zertifizierungen verwenden oder sich anerkannten Brancheninitiativen angeschlossen haben. Doch eine solche SafeHarbor-Regelung scheint in den aktuellen Verhandlungen zur Richtlinie nicht vorgesehen, obwohl die Bundesregierung selbst eine solche Regelung stets gefordert hat. In dieser Hinsicht blicke ich mit großer Skepsis auf die Pläne der EU.

Nach der bevorstehenden Europawahl könnten rechtspopulistische Kräfte eine größere Rolle im EU-Parlament spielen. Engagieren sich die deutschen Handelsunternehmen ausreichend gegen Rechtspopulismus?

Ob und wie sich ein Unternehmen politisch engagieren will - das muss jeder selbst entscheiden. Ich bin da ganz klar: Für Extremismus und Fremdenfeindlichkeit darf kein Platz sein. Der Einzelhandel steht als Branche schon seit Jahrtausenden für das Verbindende und Internationale. Handel bedeutet Austausch und eben nicht Abschottung oder Verachtung für andere. Die Branche braucht einen funktionierenden EU-Binnenmarkt und einen florierenden Welthandel mit weniger Nationalismus. Nationalismus und Fremdenhass sind im Übrigen auch die falschen Antworten auf den Fachkräftemangel. Wir müssen den Menschen positiv entgegengehen, ein weiterer Aufschwung nationalistischer Parteien oder Bewegungen schadet uns dabei enorm.

By Redaktion LZ

Titel:
HDE-Präsident Alexander von Preen im Interview: "Mut brauchen wir Unternehmer ohnehin'.
Autor/in / Beteiligte Person: Redaktion, LZ
Zeitschrift: TextilWirtschaft Online, 2024-01-05, S. 1-5
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
Schlagwort:
  • EUROPEAN Commission
  • VON Preen, Alexander
  • HDE Inc.
  • UNFAIR competition
  • BUSINESS models
  • DEPARTMENT stores
  • RIGHT-wing populism
  • CITIES & towns
  • RETAIL industry
  • Subjects: EUROPEAN Commission VON Preen, Alexander HDE Inc. UNFAIR competition BUSINESS models DEPARTMENT stores RIGHT-wing populism CITIES & towns RETAIL industry
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: HDE President Alexander von Preen in an interview: "We entrepreneurs need courage anyway".
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 1437

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