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Sanierungen, Hoffnungen und Insolvenzen: Die Chronik: Wie es zu Galerias dritter Insolvenz kam.

Seidel, Hagen
In: TextilWirtschaft Online, 2024-01-10, S. 11-11
Online serialPeriodical

Sanierungen, Hoffnungen und Insolvenzen: Die Chronik: Wie es zu Galerias dritter Insolvenz kam 

Die dritte Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof innerhalb von gut drei Jahren unter der Ägide des österreichischen Signa-Konzerns hat eine lange, hoch spannende Vorgeschichte. Unglaublich viel ist passiert in dieser Zeit. Vieles hat man schon wieder vergessen. Hier die Kurzversion der lebhaften Karstadt-Kaufhof-Geschichte: 2003: Die Krise beim Karstadt-Quelle-Konzern in Essen wird unübersehbar: Vorstandschef Wolfgang Urban wird gegen Quelle-Manager Christoph Achenbach ausgetauscht, Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff wird von Eigentümerin Madeleine Schickedanz als Aufsichtsratsvorsitzender geholt.

  • 180 Warenhäuser gehören noch zum Unternehmen. Außerdem 32 Sporthäuser sowie 305 Stores von Sinn Leffers, Wehmeyer, Runners Point, Golf House, Schaulandt, World of Music (WOM) und Le Bufett. 90% der Warenhaus-Immobilien befinden sich im Besitz des Unternehmens.
  • 59.000 Beschäftigte erzielen in der Stationärsparte 6,9 Mrd. Euro Umsatz. Die Versandsparte mit Quelle, Neckermann, Hess Natur, Madeleine und Elegance erwirtschaftet mit 35.000 Mitarbeitern 8 Mrd. Euro. Hinzu kommt ein Anteil am Touristikkonzern Thomas Cook.
  • 2004: Thomas Middelhoff wird Vorstandschef und startet ein umfangreiches Verkaufs- und Restrukturierungsprogramm. Später verkauft er die Immobilien an den Goldman-Sachs-Fonds Highstreet - und mietet sie teuer zurück. Das Warenhaus-Geschäft kommt dennoch nicht in Schwung, der Versand verbrennt Milliarden.
  • 2008: Thomas Middelhoff verlässt den Handelskonzern. Nachfolger Karl-Gerhard Eick - zuvor Finanzchef bei der Telekom - versucht die Rettung.
  • 2009: Die Rettung ist missglückt. Zusammen mit dem Mutterkonzern Arcandor meldet Karstadt Insolvenz an, nachdem der Staat es abgelehnt hat, das Unternehmen zu retten. Überhöhte Warenhaus-Mieten gelten als ein Grund für die Insolvenz. Der Kölner Konkurrent Kaufhof - im Besitz der Metro - versucht, die besten Karstadt-Standorte zu übernehmen. Was nicht gelingt.
  • 2010: Im Insolvenzverfahren bleibt außer Karstadt nicht viel übrig. US-Milliardär Nicolas Berggruen übernimmt den Warenhaus-Konzern mit knapp 80 Filialen für einen symbolischen 1 Euro. Die erwarteten Investitionen ins Unternehmen bleiben aus.
  • 2011: Metro will Kaufhof mit 109 Waren- und 15 Sporthäusern verkaufen. Es bieten Karstadt-Eigentümer Berggruen und der österreichische Immobilien- und Handelskonzern Signa. Keiner der beiden bekommt den Zuschlag, weil Metro den Verkauf zunächst auf Eis legt.
  • 2014: Berggruen gibt Karstadt an Signa weiter. Die Österreicher haben weiterhin auch Interesse an Kaufhof. Dem Briten Andrew Jennings folgt bald Stephan Fanderl auf dem Karstadt-Chefsessel. Fanderl startet im Kampf gegen die roten Zahlen eine harte Sanierung, mit Häuser-Schließungen und Stellen-Streichungen. Es gibt Kritik an hohen Mieten, die die Tochter Karstadt an Mutter Signa zahlen muss.
  • 2015: Metro verhandelt wieder über die Trennung von Kaufhof, der nach der langen Ära von "Mister Kaufhof" Lovro Mandac inzwischen vom Belgier Oliver van den Bossche geleitet wird. Wieder hat Signa keinen Erfolg. Metro verkauft den profitablen Karstadt-Konkurrenten stattdessen an den nordamerikanischen Handels- und Immobilien-Konzern Hudson's Bay Company (HBC) - für 3 Mrd. Euro. Einschließlich gut 40 Immobilien, zusammen mit einem Finanzierungspartner.
  • 2017: Die Geschäfte laufen nicht nur bei Karstadt, sondern auch bei Kaufhof schlecht. Die neuen Eigentümer in Köln machen eine Rabattpolitik, die viel Geld kostet. HBC bringt sein Offprice-Format Saks Off 5th nach Deutschland, unter anderem ins Düsseldorfer Carsch Haus. In den Niederlanden wird die Warenhaus-Kette Hudson's Bay aufgezogen.

Van den Bossche verlässt nach Meinungsverschiedenheiten mit HBC den Chefsessel von Galeria Kaufhof. Signa möchte Kaufhof erneut übernehmen. HBC lehnt das "nicht erbetene Angebot" ab.

  • 2018: Kaufhof muss in der Krise Stellen abbauen. Fusionsgespräche mit Signas Karstadt werden zunächst dementiert. Schließlich ist Signa nach mehreren Versuchen bei Kaufhof endlich am Ziel und übernimmt den Kölner Filialisten samt einiger Immobilien in zwei Schritten. HBC begibt sich mangels Erfolgs auf den Rückzug aus Europa.
  • 2019: Der Zusammenschluss zwei jahrzehntelanger Wettbewerber beginnt unter Leitung des bisherigen Karstadt-Chefs Fanderl. Essener Manager dominieren das neue Unternehmen.

Die Zusammenführung wirkt holprig, nicht zuletzt durch unterschiedliche Systeme und unterschiedliche Mitarbeiter-Bezahlung in den beiden Teilkonzernen. Die Logistik kommt auch später nicht in Gang. Lieferanten berichten noch 2023, dass zwischen Anlieferung der Ware bei Galeria und der Präsentation auf der Fläche teilweise sechs Wochen verstreichen. Rund 60 Warenhaus-Immobilien gehören Signa zunächst, viele werden in Lauf der folgenden Jahre verkauft.

2020: Galeria muss Insolvenz anmelden. Begründet wird das - wie bei vielen anderen Unternehmen - mit den Folgen von Corona und Lockdown auf den Umsatz. Arndt Geiwitz und Frank Kebekus werden dem Management vom Gericht als Chefsanierer zur Seite gestellt.

CEO Stephan Fanderl war schon kurz vor dem Insolvenzantrag kaum noch in Erscheinung getreten, er verlässt das Unternehmen. Finanzchef Miguel Müllenbach folgt ihm nach. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens werden rund 40 der 172 Häuser geschlossen. Schaden für die Gläubiger: rund 2 Mrd. Euro.

2021: Das nach der Insolvenz schuldenfreie Unternehmen stellt das Cluster-Konzept Galeria 2.0 vor, das die Filialen in die Kategorien Konzept Weltstadthaus (Pilothaus: Frankfurt Hauptwache), Regionaler Magnet (Kassel) und Lokales Forum (Kleve) unterteilt. Bis zu 60 Häuser sollen umgebaut werden.

Das Konzept wird aber nur an wenigen Standorten umgesetzt - die Corona-Folgen auf Umsatz und Ergebnis drücken weiterhin stark. Das Unternehmen bekommt vom staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ein umstrittenes Nachrangdarlehen in Höhe von 460 Mio. Euro.

2022: Das Geld reicht schon wieder nicht, Galeria fährt abermals Verluste in dreistelliger Millionenhöhe ein. Erneut springt der WSF ein. Jetzt mit 250 Mio. Euro, in Form einer sogenannten stillen Einlage. Davon werden aber laut Bundesfinanzministerium nur 220 Mio. Euro ausgezahlt.

Ein Teil der Darlehen ist mit der belgischen Galeria-Tochter Inno besichert. Für wesentliche Teile jedoch gibt es keine Sicherung. Die öffentliche Kritik an den Zahlungen wird deutlich lauter. Im Herbst möchte der Warenhaus-Konzern abermals staatliche Hilfe erhalten. Als diese jedoch - auch wegen der öffentlichen Kritik - nicht gewährt wird, folgt die zweite Galeria-Insolvenz. Wieder begleitet vom Duo Geiwitz/Kebekus. Und wieder verlieren Tausende ihre Jobs, Lieferanten Absatzmöglichkeiten.

2023: Laut Insolvenzplan sollen Mitte 2023 und im Januar 2024 insgesamt weitere 52 der 129 verbliebenen Häuser geschlossen werden - nach Konditionenverhandlungen mit Vermietern besteht die Schließungsliste noch aus 40 Standorten. Eigentümerin Signa verpflichtet sich im Insolvenzplan zur Zahlung von 200 Mio. Euro an Galeria.

Mit dem Ende des Insolvenzverfahrens - Schaden für die Gläubiger: über 1 Mrd. Euro - verlässt CEO Müllenbach das Unternehmen. Nachfolger wird Olivier van den Bossche, der wenige Monate zuvor als Vertriebsvorstand nach Essen gekommen ist. Er war zu HBC-Zeiten Chef von Galeria Kaufhof in Köln gewesen.

Van den Bossche installiert Regionalverantwortliche, die in den Filialen ein stärker auf regionale Bedürfnisse angepasstes Sortiment ermöglichen sollen. Im Herbst stürzt der Signa-Konzern in die Krise: Eine Konzern-Gesellschaft nach der nächsten rutscht in die Insolvenz.

Die Signa Retail Selection AG in der Schweiz, der Galeria zugeordnet ist, beschließt die Eigenliquidation - Galeria braucht einen neuen Eigentümer. Zudem zeichnet sich gegen Jahresende immer deutlicher ab, dass wegen der Insolvenzen im Signa-Reich die zugesagten 200 Mio. Euro wohl nicht kommen werden. Signa gehören jetzt noch 18 Galerie-Immobilien, an wenigen anderen ist das Unternehmen beteiligt.

2024: Am 9. Januar meldet Galeria Insolvenz Nummer drei an.

Lesen Sie dazu auch: Die TextilWirtschaft-Bühne "So steht es um die Signa-Gruppe Die Übersicht "Diese Signa-Gesellschaften sind insolvent Konkurs-Chronologie: So viele Modeunternehmen haben 2023 Insolvenz angemeldet

By Hagen Seidel

Titel:
Sanierungen, Hoffnungen und Insolvenzen: Die Chronik: Wie es zu Galerias dritter Insolvenz kam.
Autor/in / Beteiligte Person: Seidel, Hagen
Zeitschrift: TextilWirtschaft Online, 2024-01-10, S. 11-11
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
Schlagwort:
  • BANKRUPTCY
  • FINANCIAL stress
  • COVID-19 pandemic
  • HISTORY
  • BILLIONAIRES
  • CRISES
  • Subjects: BANKRUPTCY FINANCIAL stress COVID-19 pandemic HISTORY BILLIONAIRES CRISES
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Restructuring, hopes and bankruptcies: The chronicle: How Galeria's third bankruptcy came about.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 1142

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