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Auf neuen Wegen: Modelle für die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene in wissenschaftlichen Bibliotheken.

Fischer, Michael ; Koelges, Barbara
In: Bibliotheksdienst, Jg. 58 (2024-02-01), Heft 2, S. 98-109
Online academicJournal

Auf neuen Wegen: Modelle für die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene in wissenschaftlichen Bibliotheken  Breaking New Ground: Training Models at Third Qualification Levels in Academic Librarie 

In den nächsten Jahren wird sich in den wissenschaftlichen Bibliotheken ein erhöhter Bedarf an Fachpersonal im Bereich der dritten Qualifikationsebene ergeben. Schon heute ist es zunehmend schwierig, freie Stellen in dieser Qualifikationsebene zu besetzen. Bibliotheken müssen hier neue Wege gehen und unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten schaffen. Am Beispiel der Badischen Landesbibliothek (BLB) und des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz (LBZ) werden verschiedene Modelle der Weiterqualifizierung von Fachangestellten für Medien und Informationsdienste (FaMIs), der Personalgewinnung für Bachelorstudiengänge und interne Trainee-Programme vorgestellt und diskutiert.

Academic and scientific libraries are going to have an increased need in specialised staff at the third qualification level in coming years. A shortage of skilled staff at this level has already made it difficult to fill vacancies today. Libraries need to break new ground to create a greater variety of access options. Using the example of the Baden State Library (BLB) and the Library Centre of Rhineland-Palatinate (LBZ), various targeted advanced training models for media and information service specialists (FaMI) will be described and discussed, including recruitment of staff for BA degree courses and internal trainee programs.

Keywords: Fachkräftemangel; Wissenschaftliche Bibliotheken; Duales Studium; Berufsbegleitendes Studium; Trainee-Programm; Lack of specialists; scientific libraries; dual study program; part-time studying; trainee program

1 Einleitung

Die Situation auf dem bibliothekarischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist bekanntermaßen in den letzten Jahren immer schwieriger geworden: Die Anzahl der geeigneten Bewerber*innen auf freie Stellen wird immer geringer, vielfach müssen Stellen wiederholt ausgeschrieben werden bzw. können sogar nicht besetzt werden.

Für die dritte Qualifikationsebene sind diese Probleme besonders ausgeprägt: Zum einen ist die Zahl der Studienanfänger*innen in bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengängen seit Jahren rückläufig, zum anderen brechen immer mehr Studierende dieser Fächer das Studium ab. Die Anzahl der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Absolvent*innen wird also immer geringer. Da die Studiengänge mittlerweile sehr breit aufgestellt sind, nehmen diese zudem oft attraktivere berufliche Optionen in der freien Wirtschaft bzw. außerhalb des Bibliothekswesens wahr. Der daraus resultierende Fachkräftemangel kann durchaus als „Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens" verstanden werden.

Aufgrund der diffizilen Situation sind auch die Bibliotheken wieder mehr gefordert, „selbst aktiv" zu werden und Lösungsansätze bereitzustellen bzw. neue Wege in der bibliothekarischen Aus- und Weiterbildung zu gehen. Einige dieser an der BLB und dem LBZ umgesetzten neuen Wege werden im Folgenden skizziert.

2 Berufsbegleitendes Studium Informationsmanagement

Bereits seit 2012 wird der B.A.-Studiengang Informationsmanagement von der Hochschule Hannover auch berufsbegleitend angeboten. Die Zielgruppe des berufsbegleitenden Studiengangs sind ausgelernte FaMIs, entweder mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung oder mit Abitur, sowie Quereinsteiger*innen mit mindestens viereinhalb Jahren Berufspraxis. Der große Bedarf an geeigneten Möglichkeiten, FaMIs die Weiterqualifizierung bzw. den Aufstieg in die dritte Qualifikationsebene zu ermöglichen, drückt sich in den von 2012 bis 2022 ungefähr verdoppelten Zulassungen zum berufsbegleitenden Studium in Hannover aus.

Das berufsbegleitende Studium bedeutet dabei sowohl für die Studierenden als auch für die entsendende Bibliothek eine große Investition in Zeit bzw. Ressourcen: Insgesamt müssen im Verlauf des siebensemestrigen B.A.-Studiengangs 113 Präsenztage in Hannover absolviert werden. Diese finden jeweils blockweise von Donnerstag bis Samstag statt, also ca. fünf- bis sechsmal pro Semester. Die Studierenden organisieren sich diese Zeiten mit Urlaub, durch den Abbau von Überstunden, und/oder durch eine Reduzierung der Arbeitszeit, ergänzt durch Freistellungen oder Bildungsurlaub. Eine Mehrheit der Studierenden, nämlich 58 Prozent, absolviert das berufsbegleitende Studium im Rahmen einer Vollzeitstelle, 40 Prozent hingegen in unterschiedlichen Teilzeitmodellen. In aller Regel werden die berufsbegleitend Studierenden von den Bibliotheken, in denen sie tätig sind, mit Freistellungen und finanzieller Förderung unterstützt. Die Studieninhalte im berufsbegleitenden Studium sind dabei dieselben wie im regulären Präsenzstudium, wenngleich einige wenige Inhalte auf Grund beruflicher Vorerfahrungen nach individueller Prüfung als Studienleistungen anerkannt werden können. Auch im berufsbegleitenden Studium sind zwei Praxisphasen umzusetzen, die den Studierenden „Einblick in die breite berufliche Praxis jenseits des eigenen Arbeitsgebietes" ermöglichen sollen.

Im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz (LBZ) wurde in den letzten Jahren für die Ebene drittes Einstiegsamt bzw. Bachelor-Abschluss ein neues Aus- und Weiterbildungskonzept mit dem Ziel der Personalgewinnung und Personalbindung entwickelt. Das Weiterbildungskonzept richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LBZ, die sich aus dem zweiten Einstiegsamt im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums für das dritte Einstiegsamt qualifizieren wollen. Anfang des Jahres 2023 wurden im LBZ intern zwei Stellen für das berufsbegleitende Studium Informationsmanagement (B.A.) an der Hochschule Hannover ausgeschrieben, um interessierten FaMIs mit Berufserfahrung die Möglichkeit einer Höherqualifizierung zu bieten. Am 1. Oktober 2023 starteten ein FaMI aus der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer und eine FaMI aus der Rheinischen Landesbibliothek Koblenz mit dem Studium. Beide arbeiten weiter in Vollzeit auf ihren bisherigen Stellen im LBZ und werden für die Präsenzphasen freigestellt. Die bestehenden Arbeitsverträge wurden nicht angetastet; es wurde aber zusätzlich ein Qualifizierungsvertrag mit den Studierenden abgeschlossen. Die Studiengebühren werden vom LBZ übernommen, Reise- und Übernachtungskosten werden gemäß Reisekostenverordnung Rheinland-Pfalz gezahlt. Beide Studierenden berichten, dass das Studium gut angelaufen sei. Die Hochschule Hannover ist technisch gut aufgestellt, sodass die benötigten Materialien und Vorlesungsvorbereitungen den Studierenden über Moodle zur Verfügung gestellt werden. Auch die Kommunikation der Lehrenden mit den Studierenden läuft über Moodle und das hochschul-interne Portal Stud.IP. Es muss allerdings doch relativ viel Zeit neben der täglichen Arbeit für das Studium aufgebracht werden, etwa für Vor- und Nachbereitung, Erarbeiten von Projekten und diverse Übungsaufgaben. Insbesondere die Prüfungsphasen sind sehr zeitintensiv und erfordern neben einer Vollzeitbeschäftigung ein hohes Maß an Selbstorganisation. Auch die teilweise eng beieinanderliegenden Präsenzphasen und die dafür zu leistenden Vorbereitungen sind manchmal streng getaktet, aber überwiegend machbar, so dass das Studium von den Studierenden des LBZ als sehr gute Entscheidung und Chance gesehen wird.

Im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützt auch die BLB besonders motivierte Kolleg*inn*en mit FaMI-Abschluss bei der Weiterqualifizierung für die dritte Qualifikationsebene. Damit soll fachlich gut qualifiziertes Personal an die BLB gebunden werden. Gegenwärtig befindet sich eine von der BLB entsandte FaMI-Kollegin im berufsbegleitenden Studium an der Hochschule Hannover – mittlerweile im fünften Semester. Die Kollegin arbeitet weiterhin in Vollzeit und organisiert sich die Zeit für das Studium durch eine Kombination aus der Inanspruchnahme von Bildungsurlaub, der Übernahme von zusätzlichen Samstagsdiensten (bzw. dem Abbau von Überstunden), Urlaub sowie der Gewährung von studienbedingtem Sonderurlaub seitens der BLB. Die Studienbeiträge sowie die Reise- und Übernachtungskosten werden über ein Begabtenstipendium der Regierungspräsidien Baden-Württemberg sowie durch einen Zuschuss der BLB finanziert. Die erste Praxisphase der Kollegin wurde im Rahmen kürzerer BLB-interner Hospitationen während der regulären Arbeitszeit in Bereichen durchgeführt, in denen die Kollegin aufgrund ihrer gegenwärtigen Tätigkeiten bisher nur wenig Einblick gehabt hatte. Die noch anstehende zweite Praxisphase wird die Kollegin, ebenfalls während der regulären Arbeitszeit, in der Abteilung Sammlungen der BLB absolvieren und dort an einem eigenen Projekt arbeiten. Auch die Bachelor-Arbeit wird im Rahmen der Dienstzeit verfasst werden können. Prinzipiell ist das berufsbegleitende Studium in Hannover gut mit einer Tätigkeit in Vollzeit vereinbar, so die Erfahrung an der BLB. Dabei ist die entsprechende Unterstützung des Arbeitsgebers jedoch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. Ebenso wichtig ist zudem eine stark ausgeprägte Fähigkeit zum selbstorganisierten Lernen. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums kann der Kollegin im Anschluss ein Einstieg in die dritte Qualifikationsebene an der BLB ermöglicht werden.

3 Duales Bachelor-Studium und Praxis an der ausbildenden Bibliothek

Die BLB hatte bereits Anfang 2022 als eine der ersten Bibliotheken in Deutschland ein „Duales Studium" ausgeschrieben. Bei diesem praxisbegleitenden Studienmodell handelt es sich um eine Kombination des regulären siebensemestrigen B.A.-Studiengangs Informationswissenschaften mit einem vertraglich zu regelnden Ausbildungsverhältnis an einer Bibliothek, in der während der vorlesungsfreien Zeit die praktischen Phasen stattfinden. Auch das obligatorische Praxissemester findet in der Regel in der ausbildenden Bibliothek statt. Die dual Studierenden unterliegen dabei der gleichen Studien- und Prüfungsordnung wie die regulären Studierenden. Leider konnte mit der Ausschreibung (verlängert bis Mai 2022) kein*e geeignete*r Bewerber*in gefunden werden. Insbesondere die von der BLB mit dem Angebot eines praxisbegleitenden Studiums prioritär adressierte Zielgruppe, nämlich Abiturient*inn*en, denen ein reguläres Studium nicht praxisnah genug ist, konnte nur schlecht erreicht werden: Die Mehrheit der Bewerber*innen waren Zweitstudierende oder Absolvent*inn*en einer FaMI-Ausbildung. Für letztere ist das oben skizzierte Angebot des berufsbegleitenden Studiums an der Hochschule Hannover jedoch weitaus geeigneter, während eine Studienzulassung von Zweitstudierenden an der Hochschule der Medien (HdM) aufgrund einer sehr rigiden Quotenregelung schwierig zu erreichen ist. Andere potentielle Zielgruppen wie Studienabbrecher*innen sind in der Regel nur schwer zur Aufnahme eines weiteren Studiums zu motivieren – selbst dann, wenn wie im Fall des Dualen Studiums große Praxisanteile enthalten sind. In einer möglichen erneuten Ausschreibung sollte die Zielgruppe der Abiturient*inn*en unbedingt noch besser angesprochen werden.

Die Ausschreibungen des LBZ für den Dualen Studiengang im Jahr 2023 waren hingegen erfolgreich. Es wurden erstmals zwei Stellen für Studierende des Studiengangs Informationswissenschaften bzw. Bibliothek und Digitale Kommunikation extern ausgeschrieben. In diesem praxisintegrierenden dualen Studiengang wird ein Studium der Informationswissenschaften (B.A.) an der HdM in Stuttgart oder der Fachrichtung Bibliothek und Digitale Kommunikation (B.A.) an der Technischen Hochschule Köln mit Praxisphasen im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz kombiniert. Das Studium dauert sieben Semester mit einem Praxissemester. Die Studierenden sind regulär an der entsprechenden Hochschule eingeschrieben und besuchen während des Semesters die Lehrveranstaltungen und Übungen. In der vorlesungsfreien Zeit und im Praxissemester wenden sie das Erlernte direkt in einer der Bibliotheken des LBZ an. So können sie neben fundiertem theoretischem Wissen gleichzeitig Einblicke in den Berufsalltag erwerben und sich wichtige „soft skills" aneignen. Mit den Studierenden wird ein Studienvertrag abgeschlossen. Sie erhalten ein monatliches Studienentgelt in Höhe von 1.400 Euro. Die Studiengebühren werden vom LBZ übernommen, Reise- und Übernachtungskosten gemäß Reisekostenverordnung gezahlt.

Die Ausschreibung war offen für beide Hochschulen und für die beiden Bibliotheken Pfälzische Landesbibliothek Speyer und Rheinische Landesbibliothek Koblenz im LBZ formuliert, in der Hoffnung, durch diese Flexibilität mehr Interesse zu wecken. Es gingen 32 Bewerbungen ein, von denen die Hälfte Interessierte mit allgemeiner Hochschulreife waren.

Interessant ist, dass sich viele gute Kandidatinnen und Kandidaten nach eigener Aussage wegen der engen Verzahnung von Studium und Praxis beworben hatten, ohne dass sie zunächst explizit an den informationswissenschaftlichen Studiengängen interessiert waren. Daher ist der weiter unten beschriebene Probetag umso wichtiger, um Interessierten einen Einblick in das Berufsfeld zu geben. Das Auswahlverfahren wurde in der Form klassischer Vorstellungsgespräche mit standardisierten Interviewfragen durchgeführt. In diesen Gesprächen wurden die Bewerberinnen und Bewerber auch nach Präferenzen in Bezug auf die Hochschule und auf die Praktikumsbibliothek gefragt. Fünf Bewerber*innen, die in der engeren Auswahl waren, alle mit Abschluss Allgemeine Hochschulreife, wurde ein Probearbeitstag angeboten. Dieser sollte einerseits dem Auswahlgremium ein intensiveres Kennenlernen und einen besseren Eindruck über die jeweilige Eignung ermöglichen, andererseits den Kandidatinnen und Kandidaten ein konkreteres Bild des künftigen Arbeitsalltags vermitteln. Dieses Angebot nahmen alle fünf Personen an. Nach einer kurzen Einführung durch die Ausbildungsbeauftragten konnten die Bewerberinnen und Bewerber einen Einblick in die Arbeit im Fachreferat, in der Medienbearbeitung, im Service und im Magazin gewinnen. Ein Abschlussgespräch mit den Ausbildungsbeauftragten, das auch Gelegenheit zum Feedback durch die Kandidatinnen und Kandidaten bot, rundete den Tag ab. Im Anschluss holten die Ausbildungsbeauftragten auch ein Feedback der am Probearbeitstag beteiligten Kolleginnen und Kollegen ein. In der Folge konnten beide Stellen besetzt werden und im Wintersemester Herbst 2023 starteten zwei Studierende im Rahmen dieser Ausbildung ihr Bachelor-Studium, eine an der Hochschule in Köln und einer an der Hochschule in Stuttgart.

4 Trainee-Programm

In der Fachdiskussion wurde angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem bibliothekarischen Stellenmarkt wiederholt die Frage gestellt, ob zur Deckung der Nachfrage nach geeignetem Personal neben der „formalen Qualifikation für das bibliothekarische Berufsfeld durch bibliothekarische Ausbildung und Studiengänge" nicht auch ergänzend ein „Kompetenzerwerb neuen Personals ohne bibliothekarische Vorkenntnisse along the job" zu erfolgen hat. In der bibliothekarischen Berufsqualifikation anderer europäischer Länder, v. a. in Großbritannien, ist die Umsetzung von Traineeprogrammen gängig, in Deutschland allerdings noch unüblich.

Ein solches Angebot für Quereinsteiger*innen hat die BLB mit ihrem Traineeprogramm im Frühjahr 2023 nun erstmals umgesetzt. Ein Traineeprogramm kann definiert werden als „spezielle Erscheinungsform des Berufseinstieges für Hochschulabgänger. Während der Laufzeit erfolgt eine systematische, mit dem Einsteiger (Trainee) abgestimmte Rotation durch verschiedene Abteilungen und Funktionsbereiche einer Organisation." Üblicherweise werden dazu ergänzend begleitende Qualifizierungsprogramme angeboten und den Trainees ein*e Mentor*in zur Seite gestellt. Ziel des BLB-Traineeprogramms ist die Ermöglichung eines qualifizierten Quereinstieges in die dritte Qualifikationsebene für Personen, die bereits einen nicht-bibliothekswissenschaftlichen Studiengang auf mindestens Bachelor-Niveau absolviert haben und dadurch über für das Bibliothekswesen relevante Kenntnisse bzw. Kompetenzen verfügen. Das Traineeprogramm ist auf zwei Jahre angelegt und wird mit E 6 TV-L vergütet.

Für das erste in der BLB umgesetzte Traineeprogramm konnte eine Bachelor-Absolventin eines ingenieurwissenschaftlichen Studiengangs mit hoher intrinsischer Motivation für das Bibliothekswesen, umfangreichen IT-Kenntnissen und Erfahrungen in der hochschulinternen Öffentlichkeitsarbeit gewonnen werden. Diese war aufgrund ihrer bereits weit fortgeschrittenen Ausbildungsbiographie für eine FaMI-Ausbildung nur wenig geeignet und konnte auch nicht für die Aufnahme eines (weiteren) Studiums bzw. Dualen Studiums gewonnen werden. Für diese Zielgruppe ist ein Einstieg in das Bibliothekswesen along the job im Rahmen eines Traineeprogramms die wohl geeignetste Variante.

Grundsätzlich ist das Traineeprogramm an der BLB in zwei Teile gegliedert:

  • 50 Prozent der Arbeitszeit wird von Beginn an und über den gesamten Zeitraum des Traineeprogramms in einem zentralen Team bzw. in einer zentralen Abteilung verbracht. Dort wird die/der Trainee in alle Workflows und Tätigkeiten eingearbeitet, mit den Tagesroutinen vertraut gemacht und übernimmt so bald wie möglich eigene Aufgaben. Dieses Team ist im ersten an der BLB umgesetzten Traineeprogramm die Teaching Library (Benutzungsabteilung). Der/die Trainee lernt dort alle grundlegenden Fragen der bibliothekarischen Informationskompetenzvermittlung kennen, führt selbstständig Informationskompetenzveranstaltungen für Schüler*innen durch und ist für die IT-Anwendungen bei hybriden Veranstaltungen zuständig und damit eng in das Programm der neuen Lernwerkstatt der BLB eingebunden. Auch Spätdienste im Servicebereich der BLB werden durch die/den Trainee wahrgenommen.
  • Die anderen 50 Prozent der Arbeitszeit rotiert die/der Trainee durch die verschiedenen bibliothekarischen Bereiche der BLB und wird dort ausgebildet. Da die oben skizzierten 50 Prozent in der Benutzung angesiedelt sind, wird bei der Hausrotation der Schwerpunkt auf die Teams in der Abteilung Bestandsaufbau gelegt. Dort findet eine Einarbeitung in die grundlegenden Workflows der dortigen Teams (Kauf, Pflicht, Periodika und Netzpublikationen) statt. Dabei werden spezifische Regelwerk- und Katalogisierungskenntnisse (RDA) vermittelt sowie das Arbeiten mit bibliotheksspezifischen Software-Anwendungen (lokales Bibliothekssystem, Verbunddatenbank) erlernt. Im weiteren Verlauf des zweijährigen Programms werden im Rahmen der Hausrotation in kürzeren Stationen noch andere Bereiche der Bibliothek kennengelernt.

Hinzu kommen flankierende interne und externe Qualifizierungsmaßnahmen wie u. a. die Teilnahme am internen BLB-Fortbildungsprogramm, am internen RDA-Unterricht für die FaMI-Auszubildenden der BLB, am Schulungsangebot des BSZ zum K10plus, zur GND und zu RDA sowie am Fortbildungsprogramm von bwWeiterbildung. Im Rahmen eines wöchentlichen Studiennachmittags bildet sich die/der Trainee zudem selbstständig mittels der einschlägigen bibliothekarischen Grundlagenliteratur fort. Die Lernfortschritte werden von ihr/ihm wöchentlich schriftlich reflektiert und (zusammen mit den Ausbildungsverantwortlichen) in den bibliothekarischen Gesamtkontext eingeordnet. Begleitend finden in regelmäßigen Abständen Feedback- und Reflexionsgespräche mit den beteiligten Teamleitungen und der Ausbildungsleitung statt. Mit Abschluss des Programms wird der/die Trainee nach zwei Jahren in der Lage sein, auf einer Position in der dritten Qualifikationsebene in der BLB eingesetzt zu werden.

Schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ein erstes, positives Resümee gezogen werden: Zwar verursacht die bibliothekarische Ausbildung einer fachfremden Person – vor allem während der Rotation durch die Teams im Haus – einen nicht unerheblichen Ausbildungsaufwand, der durch die Wahrnehmung externer Qualifizierungsangebote und Weiterbildungen nur wenig abgemildert werden kann. Auch führt das Traineeprogramm der BLB zu keinem zertifizierten Abschluss – es handelt sich tatsächlich um eine praktische Weiterqualifikation along the job. Sehr positiv kann allerdings hervorgehoben werden, dass die im April 2023 gestartete Trainee ihre beruflichen Vorerfahrungen und die während ihres Studiums erworbenen Kompetenzen sehr effektiv in die Ausbildung einbringen konnte, so dass der oben erwähnte Ausbildungsaufwand deutlich abgeschwächt werden konnte. Das Traineeprogramm wird auch zukünftig gezielt zur Gewinnung von Personen mit entsprechender Vorqualifikation und für das Bibliothekswesen relevanter Kompetenzen eingesetzt werden, so dass diesen ein ihrer Ausbildungsbiographie gemäßes und zielführendes Angebot zum Einstieg in die dritte Qualifikationsebene unterbreitet werden kann. Es ist nicht als offensiv nach außen zu bewerbendes Modell konzipiert, sondern soll die institutionalisierten Studienangebote ergänzen.

5 Verwaltungsinterne Ausbildung für das dritte Einstiegsamt im Rahmen des Beamtenverhältnisse...

Mit dem Schließen der Bibliotheksschule Frankfurt am Main 2003 wurde die verwaltungsinterne Ausbildung für den gehobenen Dienst (jetzt drittes Einstiegsamt) an wissenschaftlichen Bibliotheken in Rheinland-Pfalz eingestellt. Die Ausbildung zum dritten Einstiegsamt in den Bereichen Verwaltung, Polizei, Finanzverwaltung, Archivwesen, Justiz etc. läuft bisher weiter als verwaltungsinterne Ausbildung. Andere Richtungen wie Vermessung, Forstverwaltung wurden wie der Bibliotheksbereich auf ein freies Studium umgestellt.

Um dem Fachkräftemangel in diesem Berufsbild entgegenzuwirken, plant das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration für das Jahr 2024 die Wiedereinführung der verwaltungsinternen Ausbildung für das dritte Einstiegsamt an wissenschaftlichen Bibliotheken in Rheinland-Pfalz. Zurzeit laufen in Zusammenarbeit von Landesbibliothekszentrum (Geschäftsstelle für die Ausbildung der bibliothekarischen Dienste in Rheinland-Pfalz) und Ministerium konkrete Vorbereitungen. In diesem Vorbereitungsdienst im Rahmen eines praxisintegrierenden dualen Studiengangs absolvieren die Anwärterinnen und Anwärter ein Studium Bibliotheks- und Informationsmanagement (B.A.) an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (München). Hierfür wurde vom Landesbibliothekszentrum eine Verwaltungsvereinbarung mit der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern abgeschlossen und eine neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung erstellt. Die Praxissemester werden an einer wissenschaftlichen Bibliothek in Rheinland-Pfalz durchgeführt. Der Vorbereitungsdienst dauert drei Jahre (sechs Semester), davon sind vier theoretische Semester an der Hochschule und zwei Praxissemester an der Ausbildungsbibliothek zu absolvieren. Während der gesamten Ausbildungszeit erhalten die Studierenden Anwärterbezüge und das Land Rheinland-Pfalz zahlt die Studiengebühren in München sowie Reise- und Übernachtungskosten gemäß Reisekostenverordnung. Im Juli 2023 wurden die infrage kommenden Ausbildungsbibliotheken in einer Sitzung informiert und das Modell mit ihnen diskutiert. In Anlehnung an die Praxis in Bayern sind als Ausbildungsbibliotheken die Universitätsbibliotheken Mainz, Trier, Koblenz und Kaiserslautern-Landau, die wissenschaftlichen Stadtbibliotheken Mainz und Trier und das Landesbibliothekszentrum vorgesehen. Die Hochschulbibliotheken können in Kooperation mit einer der genannten größeren Bibliotheken ebenfalls ausbilden. Auch die inhaltliche Gestaltung des Ausbildungsplans wird in enger Anlehnung an die Gegebenheiten in Bayern erfolgen, damit die rheinland-pfälzischen Anwärterinnen und Anwärter ähnliche Voraussetzungen für das fachtheoretische Studium mitbringen wie ihre Mitstudierenden aus Bayern. Im November 2023 wurden zwei Stellen für Bibliotheksinspektoranwärter*innen, die am 1. Oktober 2024 mit der verwaltungsinternen Ausbildung beginnen sollen, ausgeschrieben. Die Ausbildungsbibliotheken werden die Bibliothek der RPTU Kaiserslautern und die Universitätsbibliothek Trier sein. Vorteilhaft bei diesem Modell ist, dass der Praxisanteil mit zwei Semestern höher ist und auch in längeren Zeitblöcken stattfindet als beim freien Studium mit einem Praxissemester und Zeitabschnitten in der vorlesungsfreien Zeit. Somit besteht für die Ausbildungsbibliotheken bereits mit den praktischen Ausbildungsabschnitten die Möglichkeit, Anwärterinnen und Anwärter auf konkrete Arbeitsbereiche und -inhalte vorzubereiten und einen verbesserten Übergang in den späteren Berufsalltag zu gewährleisten. Zudem erhoffen sich die Ausbildungsbibliotheken eine stärkere Personalbindung an ihr Haus.

6 Fazit

Die hier vorgestellten neuen Wege in der bibliothekarischen Aus- und Weiterbildung für den Einstieg in die dritte Qualifikationsebene können den verschiedenen Zielgruppen passgenau angeboten werden:

  • Ausgelernte FaMIs können berufsbegleitend mit dem Studiengang an der Hochschule Hannover weiterqualifiziert werden,
  • Personen mit Hochschulreife, die kein reguläres Studium aufnehmen wollen, können mit dem Dualen Studium bzw. der verwaltungsinternen Ausbildung in Rheinland-Pfalz für einen Einstieg in die dritte Qualifikationsebene gewonnen werden und
  • Quereinsteiger*innen, die bereits über einen Bachelor-Abschluss verfügen, können mit einem praktischen Angebot wie dem Traineeprogramm der BLB für einen Einstieg in die dritte Qualifikationsebene along the job qualifiziert werden.

Solchermaßen differenzierte, variable und praxisorientierte Angebote sind vor dem Hintergrund immer dynamischerer und komplexerer Ausbildungs- und Berufsbiographien notwendig und sind ein möglicher Beitrag, der eingangs skizzierten schwierigen Lage auf dem bibliothekarischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu begegnen.

Footnotes 1 Vgl. Schmid-Ruhe, Bernd: Der Fachkräftemangel als Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens. In: Bibliothek Forschung und Praxis 46.3 (2022), S. 502–510, https://doi.org/10.1515/bfp-2022-0047. Vgl. Berghaus-Sprengel, Anke; Söllner, Konstanze: Ausbildung für oder in Bibliotheken: Wie sind wir aufgestellt? In: Bibliothek Forschung und Praxis 46.3 (2022), S. 457–464, https://doi.org/10.1515/bfp-2022-0025. 2 Schmid-Ruhe, Bernd: Der Fachkräftemangel als Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens. In: Bibliothek Forschung und Praxis 46.3 (2022), S. 502–510, https://doi.org/10.1515/bfp-2022-0047. 3 Berghaus-Sprengel, Anke; Söllner, Konstanze: Ausbildung für oder in Bibliotheken: Wie sind wir aufgestellt? In: Bibliothek Forschung und Praxis 46.3 (2022), S. 457–464, https://doi.org/10.1515/bfp-2022-0025. 4 Wittich, Anke: 10 Jahre berufsbegleitendes Studium „Informationsmanagement" an der Hochschule Hannover: eine Zwischenbilanz. In: Bibliotheksdienst 56.5 (2022), S. 285–294, https://doi.org/10.1515/bd-2022-0045. 5 Ebd. 6 Gemäß Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) fünf Tage im Jahr. 7 Vgl. praxisbegleitendes Studium der Informationswissenschaften an der HdM, https://www.hdm-stuttgart.de/iw/studieninteressierte/studium/praxisbegleitendes%5fstudium [Zugriff: 21.12.2023]. 8 Nur maximal 2 Prozent der verfügbaren Studienplätze eines Studiengangs an der HdM werden an Zweitstudienbewerber*innen vergeben, d. h. es kann nur max. ein*e Zweitstudienbewerber*in pro Jahrgang ein Studium beginnen. 9 Studienvertrag dem TVA-L – Allgemeiner und Besonderer Teil BBiG – und Abschnitt II für praxisintegrierte duale Studiengänge der Richtlinie der Tarifgemeinschaft der Länder für duale Studiengänge und Masterstudiengänge. Vgl. Holste-Flinspach, Karin: Quereinsteigende qualifizieren. In: Bibliotheksdienst 57.1 (2023), S. 8–18, https://doi.org/10.1515/bd-2023-0005. Vgl. Tödter, Marieke: Möglichkeiten der Nachqualifizierung für Quereinsteiger*innen in wissenschaftlichen Bibliotheken (Bachelorarbeit an der HS Hannover Fakultät III – Medien, Information und Design, Abteilung Information und Kommunikation), S. 32 f., https://doi.org/10.25968/opus-2198. Gabler Wirtschaftslexikon: Traineeprogramm, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/traineeprogramm-49010/version-272253 [Zugriff: 21.12.2023]. Vgl. Krähling-Pilarek, Maren: Raum für Veränderung: Wie die Lernwerkstatt das Lernen im Austausch fördert. In: Bibliotheksdienst 57.7–8 (2023), S. 410–420, https://doi.org/10.1515/bd-2023-0053. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst: Bestimmung von Ausbildungsbibliotheken für die Praxismodule des Bachelorstudiengangs Bibliotheks- und Informationsmanagement vom 22. August 2019, https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2019-378/ [Zugriff: 11.12.2023]. Ausbildungsplan für die Praxismodule innerhalb des Bachelor-Studiengangs Bibliotheks- und Informationsmanagement, Fassung vom 01.10.2018, https://www.bsb-muenchen.de/fileadmin/pdf/bibliotheksakademie/q3%5fbachelor%5fausbildungsplan%5faktualisierte%5ffassung%5foktober%5f2018.pdf [Zugriff: 11.12.2023].

By Michael Fischer and Barbara Koelges

Reported by Author; Author

Dr. Michael Fischer

Dr. Barbara Koelges

Titel:
Auf neuen Wegen: Modelle für die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene in wissenschaftlichen Bibliotheken.
Autor/in / Beteiligte Person: Fischer, Michael ; Koelges, Barbara
Link:
Zeitschrift: Bibliotheksdienst, Jg. 58 (2024-02-01), Heft 2, S. 98-109
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0006-1972 (print)
DOI: 10.1515/bd-2024-0021
Schlagwort:
  • ACADEMIC libraries
  • JOB vacancies
  • BACHELOR of arts degree
  • BADISCHE Landesbibliothek Karlsruhe
  • TRAINING
  • Subjects: ACADEMIC libraries JOB vacancies BACHELOR of arts degree BADISCHE Landesbibliothek Karlsruhe TRAINING
  • dual study program
  • Lack of specialists
  • part-time studying
  • scientific libraries
  • trainee program
  • Berufsbegleitendes Studium
  • Duales Studium
  • Fachkräftemangel
  • Trainee-Programm
  • Wissenschaftliche Bibliotheken Language of Keywords: English; German
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Breaking New Ground: Training Models at Third Qualification Levels in Academic Librarie.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Badische Landesbibliothek, Aus- und Fortbildung, Erbprinzenstraße 15 76133 Karlsruhe, Deutschland ; 2 = Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Abteilung Sammlungen, Bahnhofplatz 14 56068 Koblenz, Deutschland
  • Full Text Word Count: 3525

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