Zum 1. Juni 2023 ging die Bremische Bibliographie als Regionalbibliographie des Bundeslandes Bremen online:
The Bibliography of Bremen, a regional bibliography for the state of Bremen, went online on 1 June 2023:
Keywords: Landesbibliographie; Kooperative Erschließung; Bundeslandübergreifende Zusammenarbeit; Regional bibliography; co-operative development; collaboration across federal states
Die bibliographische Berichterstattung für das Bundesland Bremen erfolgte traditionell im Rahmen der Niedersächsischen Bibliographie. Während für die welfischen Territorien (Hannover und Braunschweig) bereits im frühen 18. Jahrhundert Bibliographien erstellt wurden, begann die bibliographische Verzeichnung des Schrifttums über den gesamten niedersächsischen Raum erst zweihundert Jahre später. Der erste Band der Bibliographie der Niedersächsischen Geschichte, erstellt von Friedrich Busch, Historiker und langjähriger Direktor der Stadtbibliothek Hannover, erschien 1938 für die Berichtsjahre 1908 bis 1932. Der regionale Bezugsrahmen dieser Bibliographie umfasste das Arbeitsgebiet der 1910 gegründeten Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen, also im Wesentlichen die heutigen Bundesländer Niedersachsen und Bremen.
Erst Ende der 1950er Jahre und dann erst wieder in den 1970er Jahren wurde diese Bibliographie mit weiteren Bänden bis zum Berichtsjahr 1965 fortgesetzt. Parallel dazu veröffentlichte der Geograph Otto Wilhelm in den 1960er Jahren in zwei Teilen die Bibliographie von Niedersachsen und Bremen. Landeskunde und Landesentwicklung, Wirtschaft, Kultur, Staat für die Berichtsjahre 1957 bis 1965. Der dritte Teil für die Berichtsjahre 1966 bis 1970 beinhaltete auch die Landesgeschichte in Fortsetzung der Bibliographie der Niedersächsischen Geschichte von Friedrich Busch. Anders als bei jener ist der Bezug auf zwei Bundesländer bereits im Titel ersichtlich. Beide Bibliographien zusammen enthalten über 80.000 Titelnachweise. Für die Berichtsjahre 1954 bis 1971 erschien zudem eine fortlaufende Bremische Bibliographie im Jahrbuch der Wittheit zu Bremen.
Ende der 1960er Jahre wurde die Bearbeitung der Landesbibliographie für Niedersachsen und Bremen institutionalisiert. Unter Reinhard Oberschelp wurde eine Arbeitsstelle an der Niedersächsischen Landesbibliothek aufgebaut, die durch Vereinbarung mit der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen die Erstellung einer Landesbibliographie übernahm. Die zentrale Aufgabe der Arbeitsstelle war die Erstellung einer laufenden, über den Rahmen einer rein landesgeschichtlichen Bibliographie hinausgehenden Regionalbibliographie für die Bundesländer Niedersachsen und Bremen. Ab dem Berichtsjahr 1971 erfolgten die systematische Sammlung und laufende Verzeichnung des Schrifttums über Niedersachsen und Bremen unter dem neuen Namen „Niedersächsische Bibliographie". Diese umfasste alle für die regionale Forschung relevanten Wissensgebiete.
Die Niedersächsische Bibliographie wurde seit Beginn mit EDV-Unterstützung erstellt, seit den 1990er Jahren mit dem Datenbanksystem ABACUS bearbeitet und ab dem Jahr 2000 als Online-Bibliographie für die Benutzung bereitgestellt. Die Erstellung von gedruckten Jahresbänden wurde daraufhin eingestellt und die Titelnachweise sukzessive retrospektiv in die Online-Datenbank eingebracht. Seit 2006 waren die Titelnachweise mit den Besitznachweisen im Verbundkatalog des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds (GBV) verknüpft und konnten somit per Orts- oder Fernleihe bestellt werden. In den Jahren 2018/19 wurde die Niedersächsische Bibliographie unter der ELN 4674 in das Verbundsystem des GBV migriert. Für die Recherche und Bestellung von Titeln wurde von der Verbundzentrale in Göttingen ein PICA-OPAC analog zu den übrigen GBV-Katalogen aufgebaut.
Erste Gespräche hinsichtlich einer Mitwirkung der SuUB Bremen an der Landesbibliographie für Niedersachsen und Bremen und der Bereitstellung einer Teilbibliographie für Bremen reichen bis in das Jahr 2013 zurück. Ab 2016 wurden die Planungen für eine Zusammenarbeit nach Vorbild der seit 2005 bestehenden Kooperation mit der Landesbibliothek (LB) Oldenburg konkreter. Da zu dieser Zeit bereits die Ablösung der ABACUS-Datenbank und die Migration in den Verbundkatalog vorbereitet wurde, erschien es jedoch sinnvoll, dass die SuUB Bremen sich erst nach Abschluss des Migrationsprozesses an der Erfassung von Titeln in der Bibliographie beteiligt.
Seit 2020 beteiligt sich die SuUB Bremen mit einem Team aktiv an der Erfassung und Erschließung von Titeln für den Teilbestand der Bremischen Bibliographie. Zuvor konnten automatisiert anhand der Ortsschlagwörter „Bremen" und „Bremerhaven" bereits über 11.000 Titel diesem Teilbestand zugeordnet werden.
Die Erfassung der Titel und deren inhaltliche Erschließung erfolgt kooperativ in Zusammenarbeit von GWLB Hannover, LB Oldenburg und SuUB Bremen unter der ELN 4674 (Niedersächsische Bibliographie) im Katalogisierungssystem (CBS) des K10plus. Die SuUB Bremen und die LB Oldenburg beteiligen sich mit der Erfassung von Titeln, die das Land Bremen bzw. das Gebiet des ehemaligen Landes Oldenburg betreffen.
Die für die Bremische Bibliographie vorgesehenen Titel werden auf bibliographischer Ebene im Feld 5058 mit „nbbre" gekennzeichnet. Die SuUB Bremen wertet für die gemeinsame Bibliographie regelmäßig rund 40 Zeitschriften und Jahrbücher aus, die das Land Bremen, die Städte Bremen und Bremerhaven oder einzelne Stadtteile betreffen. Monographien und Aufsatzsammlungen mit Bremen-Bezug werden für die Bibliographie von der Bibliothek erfasst, die sie zuerst im Geschäftsgang hat. Selbstverständlich werden keine Medien doppelt für die Bibliographie ausgewertet, d. h. die SuUB Bremen erschließt z. B. aus einer Aufsatzsammlung nicht nur die Titel mit Bremen-Bezug, sondern auch jene mit Niedersachsen-Bezug, ebenso wie die GWLB Hannover in ihrer Auswertung nach wie vor alle bremischen Titel berücksichtigt.
Die inhaltliche Erschließung erfolgt auf lokaler Ebene der Bibliographie im CBS: Alle Titel werden gemäß der Systematik der Niedersächsischen Bibliographie, die ihre Ursprünge in jener der gedruckten Bibliographie-Bände hat, in den Feldern 600x einem oder mehreren Themen zugeordnet. Zum anderen werden die Titel in den Feldern 650x jeweils durch mehrere Schlagwörter (Orts-, Personen-, Körperschafts- und Sachschlagwörter) aus einem historisch gewachsenen Schlagwortpool verbal erschlossen. Darüber hinaus werden im lokalen Feld 3487 Anmerkungen zum Landesbezug hinzugefügt, sofern sich dieser nicht direkt aus dem Titel oder durch die Verschlagwortung ergibt bzw. der Landesbezug nur einzelne Kapitel oder Abschnitte betrifft. Alle Schlagwörter und Systemstellen liegen in Form von lokalen Tdx- bzw. Tex-Normdatensätzen vor. Die Personendatensätze entstammen der früheren ABACUS-Personendatenbank. Die Ortsdatensätze sind sehr differenziert auch für kleinste Ortsteile angelegt und mittels Überordnungen hierarchisch aufgebaut. Seit der Mitwirkung der SuUB Bremen sind diverse neue Schlagwörter hinzugekommen, die speziell bremische Belange betreffen und für die Bremische Bibliographie wichtig sind. Durch die sukzessive Anreicherung der Datensätze mit GND-Nummern wird eine Verknüpfung mit der GND vorbereitet.
Für den Teilbestand der Bremischen Bibliographie werden alle Publikationen nachgewiesen und sachlich erschlossen, die sich (unabhängig von ihrem Erscheinungsort) mit Bremen befassen, d. h. mit dem Stadtstaat und den beiden Städten Bremen und Bremerhaven. Erfasst werden Publikationen (gedruckte und elektronische, auch audiovisuelle Medien) aus allen Lebens- und Wissensbereichen mit einem inhaltlichen Bezug zu dem Bundesland, seinen beiden Städten, zu einzelnen Stadtteilen, Landschaften oder zu Personen, die hier gelebt und gewirkt haben. Enthalten sind u. a. die Themenbereiche Landesgeschichte, Flora und Fauna, Geographie, Recht und Verwaltung, Wirtschaft, Bevölkerung und Soziales, Kunst und Kultur. Wie in allen Landesbibliographien machen Aufsätze aus Zeitschriften und Jahrbüchern sowie Beiträge aus Sammelwerken einen wesentlichen Teil der Literaturnachweise aus. Damit ist es das Ziel der Teilbibliographie, die Fülle dieser Themen, die Bremen repräsentieren, in ihren verschiedenen Publikationsformen zusammen und unter einem gemeinsamen System zugänglich zu machen und zu erschließen.
Als Landesbibliothek sammelt die SuUB Bremen weitgehend alle Publikationen aus dem Land (Pflichtexemplare) und über das Land Bremen bzw. mit einem Bezug zu diesem, darunter viel sogenannte „graue Literatur" und Kleinschrifttum. So können für die Bibliographie z. B. auch Broschüren, Vereinszeitschriften oder Stadtteilzeitungen erschlossen werden, die an anderen Orten nicht gesammelt werden und folglich in der Vergangenheit in die Bibliographie nicht oder nur sehr sporadisch aufgenommen wurden.
Gerade die zuverlässige Archivierung der außerhalb des Verlagsbuchhandels erscheinenden grauen Literatur in regionalen Sammlungen macht die Regionalbibliographie kulturgeschichtlich so wertvoll. Die Betreuung einer Bremischen Bibliographie direkt vor Ort in Bremen bedeutet, dass umfangreicher und tiefgehender Literatur mit einem Bezug zu Bremen erfasst werden kann, als dies andernorts möglich wäre. Dabei wird eng mit den für die Pflichtarchivierung zuständigen Abteilungen in der SuUB Bremen zusammengearbeitet, denn es besteht wie bei allen Landesbibliographien eine gewisse Korrelation zwischen den Sammelrichtlinien der im Bremischen Bibliotheksgesetz verankerten Pflichtexemplarregelung und der landesbibliographischen Erfassung. Bei der Erfassung der Einzelbeiträge zu Bremen in allgemeinhistorischen Sammelbänden wird eng mit den Fachreferaten Regionalia/Bremensien, Geschichte sowie mit weiteren Fachreferaten an der SuUB Bremen zusammengearbeitet. – Wie erwähnt, werden rund 40 Zeitschriften ausgewertet und die Einzelbeiträge nachgewiesen, die einen signifikanten Umfang aufweisen und mehr als akzidentiellen Charakter haben.
Die Erfassung der Titel für den Teilbestand der Bremischen Bibliographie erfolgt wie für die gesamte Niedersächsische Bibliographie sowohl laufend als auch retrospektiv. Die Berichtsjahre ab 1956 der oben genannten Druckausgaben sind bereits vollständig in die Online-Bibliographie eingebracht. Weitere Berichtszeiträume werden folgen. Darüber hinaus wurden von der SuUB Bremen in den letzten drei Jahren mehrere Tausend Titel mit Bremen-Bezug erfasst, die bislang in der gemeinsamen Bibliographie für Niedersachsen und Bremen fehlten. Durch diese systematische retrospektive Erschließung hat sich die Anzahl der für die Bremische Bibliographie erfassten Titel inzwischen auf über 26.000 Titel erhöht.
Die Aufnahme- und Erschließungskriterien für die Bremische Bibliographie orientieren sich an jenen der Niedersächsischen Bibliographie und unterscheiden sich nur in Einzelheiten von jenen anderer Landesbibliographien. Der regelmäßige fachliche Austausch aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen der GWLB Hannover, der LB Oldenburg und der SuUB Bremen wird gewährleistet durch vierteljährliche meist virtuelle Treffen und darüber hinaus durch eine kleine Gruppe mit jeweils einem Vertreter aus jedem Haus, die sich mit speziellen Fragen zur Sacherschließung und zu Aufnahmekriterien befasst. Die Konzeption und Steuerung für die Gesamtbibliographie und die Durchführung der Kooperation liegen beim Co-Autor dieses Beitrags aus der GWLB.
Der Zugang zur Bremischen Bibliographie erfolgt über die Webseite
Wie bei der Niedersächsischen Bibliographie ist in der Titelansicht die Inhaltserschließung der Bibliographie besonders hervorgehoben. Über einen Maus-Klick kann man sich die damit verbundenen Normdatensätze anzeigen lassen. Besonders bei Personen und vielen Orten gelangt man so zu weitergehenden Informationen über die Person oder den Ort. Eine Suche speziell nach Orts- und Personendatensätzen – wie es wünschenswert wäre – lässt sich mit dem PICA-System nicht realisieren. Die GWLB Hannover plant unter anderem deswegen den Aufbau eines eigenen Recherchesystems mit vielfältigen und zeitgemäßen Sucheinstiegen sowie offenen Daten.
Die Bremische Bibliographie ist – ebenso wie die anderen Landesbibliographien – eine Datenbank ohne eigenen Bestand. Über die Titelansicht gelangen Nutzerinnen und Nutzer über einen Botton zu den Besitznachweisen im Gemeinsamen Verbundkatalog des GBV und können die in der Bibliographie nachgewiesenen Titel per Orts- oder Fernleihe über die besitzenden Bibliotheken im K10plus bestellen.
Welches sind nun die zentralen Vorteile einer Bremischen Bibliographie als Teilbereich der gesamten Niedersächsischen Bibliographie für die Nutzerinnen und Nutzer? Die kooperative Erschließung bedeutet zunächst einmal eine signifikante Erhöhung der Anzahl der jährlich erfassten Titel mit Bremen-Bezug. Durch die Erfassung von Titeln in der SuUB Bremen für die Bremische Bibliographie und den engen Bezug zur Literatur, die nicht nur über das Pflichtexemplarrecht zugänglich ist, werden ferner insbesondere graue Literatur, Kleinschrifttum sowie Aufsätze daraus für die Bibliographie erschlossen, die andernfalls möglicherweise nicht erfasst worden wären. Auch bedeutet die detaillierte Erschließung „vor Ort" bei einem verhältnismäßig kleinen Bundesland wie Bremen einen erweiterten Schlagwortpool. Dieser ist bei der Bremischen Bibliographie gegenüber derjenigen für ganz Niedersachsen insbesondere um für das Bundesland Bremen spezifische Themen (z. B. Werften, Häfen, das Bürgertum, ...) differenzierter. Differenzierter ist schließlich auch die Erschließung nach dem einfachen Prinzip: Je kleiner das zu erschließende Gebiet und je besser die Ortskenntnis des Bearbeiters ist, desto besser kann es erschlossen werden. Das bedeutet keinesfalls, dass die Erschließung der Bremen-spezifischen Titel durch die Kollegen in Hannover ungenau gewesen wäre – doch kann sie nun, da die SuUB Bremen mit einem eigenen Team vertreten ist, noch genauer erfolgen.
Was also bleibt als Fazit nach fast vier Jahren Mitarbeit der SuUB Bremen am bremischen Teil der Niedersächsischen Bibliographie und knapp ein halbes Jahr nach der Freischaltung? Hat es sich gelohnt? Wir haben viel Arbeit (und einige Nerven) investiert – doch gewonnen haben wir eine eigene Bremische Bibliographie als 16. deutsche Landesbibliographie mit inzwischen über 26.000 Titelnachweisen, die Mitarbeit in einem sehr netten Team sowohl in der SuUB Bremen, als auch darüber hinaus in der GWLB Hannover und der LB Oldenburg einschließlich eines guten fachlichen Austauschs, die Vernetzung in der UAG Regionalbibliographie, nicht zuletzt die vertiefte Kenntnis des eigenen Bundeslandes – und ein großartiges Angebot für die an Bremen und Bremerhaven Interessierten. Kurz und knapp: Ja, es hat sich gelohnt und wird sich für unsere Nutzerinnen und Nutzer auch weiterhin lohnen.
By Maria Hermes-Wladarsch and Jens Reinbach
Reported by Author; Author
Leiterin Abteilung Historische Sammlungen