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Vantastisch! Die Vans kommen zurück! Manche Hersteller nennen sie gar,,ganzheitliches Plattformkonzept, das über das Fahrzeug hinausweist". (cover story)

SOLLER, GREGOR ; REICHEL, JOHANNES
In: Vision Mobility, 2024-03-01, Heft 2, S. 14-21
Online serialPeriodical

DIE RÜCKKEHR DER VANS Vantastisch! Die Vans kommen zurück! Manche Hersteller nennen sie gar,,ganzheitliches Plattformkonzept, das über das Fahrzeug hinausweist".  Die Vans kommen zurück! Manche Hersteller nennen sie gar,,ganzheitliches Plattformkonzept, das über das Fahrzeug hinausweist".

Mit den SUV setzte das Sterben der Vans ein: Plötzlich waren sie trotz bester Raumausnutzung uncool und als,,Pampersbomber" oder,,Rentnerkutschen" verschrien und die Größeren ihrer Gattung dienten ohnehin nur als,,Nutzfahrzeug" vornehmlich bei KEP-, Lieferdiensten oder Handwerksbetrieben. Cool wurden sie nur als Wohnmobile - digitale Nomaden erfanden den Begriff,,Vanlife", da ein Camper bei den weiterhin hohen Immobilienpreisen immer noch leichter erreichbar ist als ein Büro oder eine Wohnung.

Hedonismus und das scheinbar dauerhafte,,Schneller, Höher, Weiter" brachte immer neue Formen automobiler Fragwürdigkeiten hervor. Doch jetzt scheint die Welt wieder mal im Krisenmodus und manche Marken stellen bei ihren Schickund Spaßmobilen plötzlich stark volatile Absätze fest. Und anders als Ferry Porsche einst prophezeite, dass der letzte Tropfen Sprit - den es wahrscheinlich nie geben wird - in einen Sportwagen fließt, könnte er stattdessen auch in einen Lieferwagen laufen, der letztmals irgendetwas Lebenswichtiges liefern muss. Kurz gesagt: Vans haben,,vantastische" Bedarfe, denn irgendwo auf der Welt braucht immer irgendwer so ein Ding, um irgendwas zu liefern!

Das ruft neben den etablierten viele neue Player auf den Plan. Am meisten beeindruckt hat uns tatsächlich Kia, wo man auf der CES das,,Purpose-Built Vehicle", kurz PBV, neu erfand und in,,Platform Beyond Vehicle" umbenannte. Also eine Plattform schaffen möchte, die über das Fahrzeug hinausgeht.

Im Hyundai-Konzern ist der Kia PBV Teil eines großen Gesamtkonzeptes

Basis soll eine neue, modulare Fahrzeugplattform sein, die in einem mehrstufigen Plan zum integrierten Teil eines Gesamtsystems in einer laut Kia,,hypervernetzten" Welt wird. Ob die nun wirklich jeder will und ob das der Weisheit allerletzter Schluss ist, sei mal dahingestellt, aber kleiner hatte Kia es nun mal nicht und tatsächlich muss man sagen: Wenn man,,Van" neu denkt, dann aus heutiger Sicht so!

Kias Mutterkonzern, die HyundaiGroup, packte auf der CES übrigens gleich noch ihre Ambitionen in den Bereichen Robotik, Luftmobilität und autonomem Fahren drauf. Die Kia-PBV seien deshalb auch ein Teil der Software-to-EverythingStrategie (SDx) des Konzerns.

Kias,,vantastische" Vision

Und was haben jetzt die Kunden von dieser,,vantastischen" Vision? Man möchte ihnen,,den Weg zu neuen Geschäftsfeldern und Lebensstilen öffnen, indem sie dank fortschrittlicher, maßgeschneiderter Interieurs, die ein Maximum an Freiheit und Flexibilität bieten, das Konzept des Raums neu definieren." Heißt ganz grob gesprochen: Man muss sich kein Büro oder Ladengeschäft mehr mieten - all das kann man auch im Van tun. Und abends könnte man ihn gar zum Wohnmobil umbauen - womit aber auch ein PBV sofort in sechsstellige Preisregionen entschwebt …

Ho Sung Song, Präsident und CEO von Kia, erklärt uns, dass er auf jeden Fall über das traditionelle Automobilkonzept hinausgehen wolle, indem man Fahrzeuge und Services auf spezielle Marktund Geschäftssituationen zuschneiden könne. Weshalb Kia ein zum PBV ein neues Geschäftsmodell aufgesetzt hat, das nicht mehr nur einen E-Van verkauft, in den man vielleicht noch Telematik reinpackt und ihn dann nutzt. Doch den Anfang macht tatsächlich ein schnöder Elektrolieferwagen, Kia PV5 genannt. Das ist einfach ein mittelgroßer Van im Ford-Custom-Format für Ruf-, Liefer- und Versorgungsdienste. Diesen kann man aufgrund seiner Wandlungsfähigkeit an unterschiedliche Anforderungen anpassen. Der PV5 startet als Basis-, Van-, Hochdach- und,,Chassis Cab"-Version, später soll auch ein Robotaxi in Zusammenarbeit mit Motional, einem Joint Venture von Hyundai Motor Group und Aptiv, entstehen. An Ähnlichem arbeiten auch andere, zum Beispiel die VW-Tochter Moia. Und da auch Kia nur durch Umbau aus einem 3,5-Meter-Cityvan keinen 6,5-Meter-Riesenpaketboten machen kann, sollen ein größerer PV7 und ein kleinerer PV1 das Programm erweitern. Doch beim,,Umbau" kommen jetzt tatsächlich,,vantastische" Ideen zum Tragen!

Der Van lässt sich zum Beispiel tagsüber in ein Taxi, nachts in einen Lieferwagen und am Wochenende in ein privates Reisemobil verwandeln

Kia denkt die Wandlungsfähigkeit ganz neu

Das Fahrzeugchassis soll dank einer sogenannten,,Easy Swap"-Technologie für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse genutzt werden können. Kia nahm sich hier nach eigenen Angaben,,robuste, einfache und clevere Werkzeuge" zum Vorbild und sorgte dafür, dass die PV-Vans leicht und intuitiv zu handhaben und zu verwandeln sind.

Hinter einer feststehenden Kabine respektive Fahrerzone (,,Driver Zone") können eine Vielzahl austauschbarer Aufbauten (,,Life Modules") durch eine hybride elektromagnetische und mechanische Kupplungstechnologie mit dem Basisfahrzeug verbunden werden. Dadurch lässt sich das PBV zum Beispiel tagsüber in ein Taxi, nachts in einen Lieferwagen und am Wochenende in ein privates Reisemobil verwandeln.

Umbauen? Jederzeit - ohne Schweißen

Ermöglicht werden soll diese Modularisierung auch durch die schweißnahtlose,,Dynamic Hybrid"-Karosseriestruktur. Die Länge der beweglichen Elemente soll je nach Einsatzzweck des Fahrzeugs flexibel angepasst werden können. Trotzdem will auch Kia Bauteile reduzieren, ganz ohne Gigacasting und Co: Hochfestes Stahlrohr und technische Polymeren sollen die typische Bauteilemenge um 55 Prozent reduzieren, ohne Einbußen bei der Steifigkeit. Die Dynamic-HybridTechnologie will man in Form standardisierter, praktischer Bausätze liefern, sodass die Nutzerin oder der Nutzer sich ihren PV5 schnell und einfach vor Ort umbauen können. Die Frage ist natürlich: Wie oft wird sie oder er das wirklich tun? Denn so ganz unaufwendig ist das natürlich trotzdem nicht!

Überall sollen große Türen eine säulenlose Öffnung freigeben, die ein müheloses Ein- und Aussteigen ermöglicht. Da (KEP-)Fahrer teils sehr viel Zeit in ihrem PBV verbringen, hat man die,,Armaturenlandschaft" gleich in eine Wohnung verwandelt samt tischähnlicher Oberfläche und einem hochklappbaren Lenkrad, das sich als Schreibtischlampe nutzen lässt, um eine büroähnliche Umgebung zu schaffen. Und natürlich nutzt man soweit wie möglich nachhaltige Werkstoffe. Unternehmerisch gedacht, könnte der KEP-Van auch Wohnung des Fahrers sein, indem man im Paketlager das Wohnmodul für die Nacht aufbewahrt, während er Päckchen ausliefert. Abends baut er das ein, übernachtet und spart sich morgens den Arbeitsweg …

Ein umbaubares Gesamtsystem aus Schienen, Boxen und Modulen

Durch ein integriertes Schienensystem an Decke, Boden und Seiten des Innenraums sowie außen am Fahrzeug lässt sich das PBV laut Kia jedenfalls einfach den jeweiligen Kundenanforderungen anpassen. Durch die Verwendung von Schränken und Rahmen soll dieses System den,,nahtlosen Transfer von Gütern und Gegenständen zwischen den Fahrzeugen" ermöglichen. Während die Schienen in diesem Ökosystem den Austausch erleichtern, bieten das modulare Design der,,Fliesen" und das funktionale Zubehör wie Lautsprecher und Ablagen noch mehr Flexibilität. Sollte Kia hier eine Art,,Transportboxen- und Schienenstandard" setzen können, müssten alle anderen folgen, wollten sie auch Teil eines wirklich großen,,Multibrand-Ökosystems" werden. Kia-Designchef Karim Habib zeichnet hier ein bisschen das blumige Bild des Vanlife oder der mobilen Verkaufsstände in südlichen Gefilden. Er hofft:,,Da sie an keinen festen Ort gebunden und nicht durch die traditionellen räumlichen Beschränkungen limitiert sind, bieten die Kia-Spezialfahrzeuge den Nutzern alle Möglichkeiten, ihren Lebens- und Arbeitsstil neu zu gestalten."

Kias Evo Plant statt Gigafactory

Für die PBV errichtet Kia extra ein eigenes Werk, genannt,,Evo Plant" im Autoland Hwaseong, Korea. Dort soll ein hybrider Produktionsansatz förderband- und zellbasierte Methoden kombinieren. Durch die Kooperation mit globalen Umrüstungspartnern sollen so individuell angepasste Modelle für verschiedene PBV-Baureihen angeboten werden können. Das Werk soll eine Jahreskapazität von 150.000 Einheiten haben und 2025 in Betrieb gehen.

Flexible Hardware ist gut, flexible Software noch besser

Dazu kommt natürlich eine erweiterte Datenkonnektivität zwischen Fahrzeugen und Daten aus externen Quellen wie Routen- oder Lieferinformationen - das kennt man als Telematik, mit der sich mehrere Fahrzeuge auch andernorts als,,softwaredefinierte Flotte betreiben" lassen. Idealerweise laufen PV5 und Co. 24/7 ohne Ausfallzeiten mit maximaler Kosteneffizienz. So weit, so bekannt. Doch im nächsten Schritt soll die PBVModellpalette zu,,KI-basierten Mobilitätsplattformen" entwickelt werden, die ihrerseits Daten verwenden, um mit den Nutzern zu interagieren, immer voll up to date natürlich. So sollen die Vans mit ihren Nutzern zusammenarbeiten, im Idealfall als die vielzitierten,,Best Buddys". Perspektivisch sieht Kia da auch schon neue Geschäftsformen, die,,mit Robotik und anderen zukünftigen Technologien verbunden sind".

In Phase drei sollen sich die PBV durch die Integration in das zukünftige Mobilitätsökosystem zu,,anpassungsfähigen Mobilitätslösungen" entwickeln. Für die Kunden träumt Kia gar von,,Lebensplattformen, durch die sich jede Inspiration verwirklichen lässt". Dabei sollen vernetzte selbstfahrende Fahrzeuge Teil eines Smart-City-Betriebssystems werden, oder anders ausgedrückt, PBV sollen das selbst denkende Versorgungsrückgrat der künftigen smarten Ökosysteme sein. Trotzdem will Kia hardwareseitig Einsätze und Reichweiten differenzieren: Der PV7 soll viel Raum und Reichweite bieten, der PV1 wird dagegen auf kurze Strecken optimiert und nutzt Antriebsmodule, die den Wendekreis minimieren und dadurch ein Manövrieren auf engstem Raum ermöglichen. Doch dass ein Van allein noch keine Stückzahlen bringt, geschweige denn ein ganzes Ökosystem erschaffen kann, musste Hyundai schon mit dem Sprinter-Clon H-350 erfahren, der sich eher gar nicht verkaufte: keine Händler, Finanzierungen und keinerlei Branchenkenntnisse der Vertreibenden … Weshalb Kia ein spezielles Geschäftssystem mit einführen möchte, das alle Aspekte des Prozesses von der Produktpalette bis zur Integration von Softwarelösungen sowie globale Partnerschaften umfasst. Dabei soll auch Kundenfeedback mit einfließen.

Eine App als,,Marktplatz" für Handel, Fahrten, Feedback und Ideen

Eine Software soll sich um die Routen-, Lade- und Serviceplanung kümmern. Außerdem soll sie Bedarfe oder Vorlieben der Nutzer in Echtzeit erkennen und relevante kontextbezogene Daten liefern. Sie bietet auch Zugang zum,,Kia PBV App Market" sowie zu Apps von Drittanbietern, die Nutzern auch unterwegs die neuesten Informationen und Unterhaltungsinhalte bieten soll. Ähnliches praktiziert bereits Telematikanbieter Geotab übrigens mit seinem,,Marketplace", auf dem nützliche Software von Drittanbietern offeriert und mit den GeotabModulen verbunden wird. Klar, dass Kia auch Fleetmanagment anbieten möchte, um Einblick in Verkäufe, Bestände und Lieferungen zu geben. Dazu gehören auch Bestands- und Temperaturüberwachung sowie eine intelligente Routenplanung. Das System soll das Flottenmanagement dank Echtzeitdaten und KI-Integration für vorausschauende Wartung und größtmögliche Betriebseffizienz optimieren.

Auch die Energie hat Kia mitgedacht: Die PBV sollen auch V2X-fähig sein

Da all das Energie braucht, denkt Kia auch eine ganzheitliche Energielösung mit. Dabei sollen Akkus mit hoher Energiedichte mobile Geräte und die Notfallausrüstung versorgen, Stichwort ist hier die Vehicle-to-Everything-Technologie (V2X). Eine einheitliche, wahrscheinlich schnittstellenoffene Software soll Pakete anbieten können, die an verschiedene Geschäftsumgebungen angepasst werden können. Und hier wird es jetzt ganz spannend, denn ohne potenzielle Kunden und Connections in der Hinterhand wird das nichts. Deshalb hat Kia bereits Partnerschaften mit Uber, Coupang, CJ Logistics, Kakao Mobility und Dubai Taxi Corporation vereinbart, um sein PBV-spezifisches Businesssystem aufzubauen.

Nach einem umfassenden Daten- und Faktencheck müssen wir sagen:,,Vansinn", wie umfangreich das Thema,,Van" hier gedacht wurde! Der Van ist,,alive" - mehr denn je und wir sind gespannt, wie die Kundinnen und Kunden das auch hierzulande annehmen werden!

PHOTO (COLOR): Kias neue PBV wurden mobil und immobil - hier als Marktstand - gedacht.

PHOTO (COLOR): Innen lassen sich verschiedene Lebensräume schaffen und das Lenkrad kann hochgeklappt zur Office-Lampe werden (s. Kreis).

PHOTO (COLOR): Als Shuttle kann Kias PBV5 auch mit der Umwelt kommunizieren.

By GREGOR SOLLER and JOHANNES REICHEL

Titel:
Vantastisch! Die Vans kommen zurück! Manche Hersteller nennen sie gar,,ganzheitliches Plattformkonzept, das über das Fahrzeug hinausweist". (cover story)
Autor/in / Beteiligte Person: SOLLER, GREGOR ; REICHEL, JOHANNES
Link:
Zeitschrift: Vision Mobility, 2024-03-01, Heft 2, S. 14-21
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 2512-6601 (print)
Schlagwort:
  • KIA Motors Corp.
  • ELECTRIC vehicles
  • RECREATIONAL vehicles
  • ARTIFICIAL intelligence
  • CONSUMERS
  • CONSTRUCTION planning
  • Subjects: KIA Motors Corp. ELECTRIC vehicles RECREATIONAL vehicles ARTIFICIAL intelligence CONSUMERS CONSTRUCTION planning
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Product Review
  • Full Text Word Count: 1725

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