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So schmeckt lecker.

In: KOCA, 2024-03-15, Heft 3, S. 46-49
Online serialPeriodical

So schmeckt lecker 

Wie lassen sich Produkte jenseits nichtssagender Attribute treffend beschreiben? Eine Annäherung an die Sprache des Schmeckens.

Text: Florentine Hübscher

Süß, sauer, buttrig, bitter, blumig, nussig, pfeffrig, milchig – die Liste der Wörter, die Geschmacksnuancen treffend beschreiben, ist schier endlos. Dank ihnen können Hersteller wie Verbraucher:innen Grundgeschmacksrichtungen, aber auch feinere Noten bei Rohstoffen wie Endprodukten detailliert beschreiben. Dennoch verfällt die Allgemeinheit eher auf das gute alte „lecker", um Törtchen, Desserts und Torten lobend zu bewerten. In den vergangenen Jahren mag wegen der Trends ein „nicht zu süß" oder „schön frisch" dazu gekommen sein – aber reicht das?

Hinter den meisten fertigen Konditoreiprodukten steckt eine lange Kette von Faktoren, die den Geschmack, die Beschaffenheit und die Optik bestimmen. Komponenten werden akribisch wie intuitiv aufeinander abgestimmt, um final das perfekte Gesamterlebnis bieten zu können. Es muss also mehr drin sein, als ein schnödes „lecker".

Die Kombination macht den Könner aus

„Wir empfinden etwas als ‚lecker', weil wir unter anderem Aromen, aktiv oder unterbewusst, wahrnehmen, welche mit anderen Aromengruppen eine Einheit bilden und sogar Molekülstrukturen teilen – oder aber ganz bewusst eine ‚Gegenposition' beziehen. Das können ganz naheliegende Kombinationen sein oder ganz überraschende", erläutert Antonia Arera, Konditormeisterin, Fachbuchautorin und Leiterin der Chocolate Academy in Köln. „Sensorik und Konditorhandwerk können und sollten Hand in Hand gehen. Neben rein fachlichem Geschick zeichnet einen guten Konditor die Fähigkeit aus, verschiedene Rohstoffe und ihre Aromen bestmöglich zu kombinieren und so – bestenfalls in Verbindung mit einem Spiel verschiedener Texturen – umfassende Geschmackserlebnisse zu kreieren."

Gerade Früchte spielten in beinahe jeder Kreation in der Konditoreitheke eine tragende Rolle. „So wie der Wein die Önologie hat, das Bier die Zythologie und der Käse die Caseologie, so haben die Früchte nun die ‚Fruitologie'", titelt der französische Fruchtpüreeanbieter Les vergers Boiron auf der Firmenwebsite und hat damit nun die Sprache der Früchte für sich erfunden.

Die Verwendung von Pürees macht es Konditor:innen leicht, Produkte mit gleichbleibender Qualität und konstantem Geschmacksprofil herstellen zu können. Ziel der „Fruitologie" sei es, eine einheitliche Sprache zu haben, um eine gute Kommunikation im Unternehmen und mit der Kundschaft zu erreichen. „Man kann immer den Brix-Wert oder den pH-Wert messen, aber kein Instrument kann die finale Wahrnehmung eines ausgewogenen Süße-Säure-Spiels durch den Menschen wiedergeben. Für das Verständnis des Produkts ist der Mensch als Messinstrument unersetzlich. Er fasst Empfindungen und Wahrnehmungen in Worte", so Laura Nicolas, Leiterin der sensorischen Analyse bei Boiron. Damit seien die „sensorischen Profile" die Visitenkarte eines Pürees. Dieses beeinflusst wiederum den Charakter und die Kommunikation rund um das Endprodukt.

„Insbesondere, wenn es um Weiter- oder Neuentwicklungen geht, kann es hilfreich sein, sich einmal etwas tiefer in die ‚Funktionsweisen' von aromatischen Harmonien hineinzuarbeiten", sagt Arera. Der Begriff des Foodpairings werde zwar inflationär genutzt, richtig angewandt treffe es aber den Punkt: „Ich identifiziere, welche Früchte und Gemüse oder allgemein Lebensmittel mit anderen eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen oder setze bewusst Kombinationen ein, die Grundgeschmacksarten wie etwa Säuren herauskitzeln oder Süße abmildern."

Die Süße vermag auch bei Pürees zu polarisieren. Von den insgesamt 60 Sorten, die der Anbieter aus dem Rhônetal – dem Obstkorb Frankreichs – herstellt, enthalten vier Sorten zugesetzten Zucker: Kokos, Erdbeer, Marone und Himbeer. Die übrigen weisen einen 100-prozentigen Fruchtanteil auf; zeitnah gänzlich auf zugeführte Süßung zu verzichten, sei in Planung. Gerade das Himbeerpüree mit Früchten aus Serbien, sei einer der Topseller des Unternehmens. Es hinterlasse am Gaumen einen leicht säuerlichen Geschmack, der auf das Gleichgewicht zwischen dem natürlichen Zucker der Sorte Mecker und dem Säuregehalt der Sorte Willamette zurückzuführen sei.

Beide werden als Assemblage so gemischt, dass ein immer gleiches Ergebnis in Geschmack, Farbe und Viskosität erhalten werde. Als passende Pairings schlägt der Anbieter bekannte Kombinationen wie Passionsfrucht, Litschi, weißen Pfirsich, Feige und Zitrone, aber auch exotischere wie Earl Grey Tee, Dill, grünen Anis, Lakritz, schwarzen Sesam und griechischen Joghurt vor.

Braucht also jedes Produkt seine eigene Sprache? „Ja", sagt Arera. Es brauche zumindest eine gemeinsame „Werteskala" beziehungsweise eine Vereinbarung, mit welchen Worten wir Dinge beschreiben, die wir wahrnehmen. „Brot oder Schokolade zum Beispiel sind ganze eigene Welten, denen wir nur über eine gewisse einheitliche Terminologie gerecht werden. Dies bedeutet aber auch nicht, dass man komplett neue Worte ‚erfindet', sondern eher den Geschmack und die Wahrnehmungen abgleicht und beschreibende Worte findet, die allgemeingültig für ein sensorisches Empfinden stehen."

Aus Plunder- wird Croissantteig

Dabei kann es auch hilfreich sein, Vergleiche zu ziehen. Auch wenn etwa Plunderteig in der Fachwelt wie bei Hobbybäckern ein gängiger Begriff sei, fühle sich unter Umständen nicht jeder Kunde von „frischem Plunder" abgeholt. So wählt etwa die Bäckerei Bubner mit Sitz in Doberlug-Kirchhain den Weg, Produkte umgangssprachlicher zu beschreiben. Etwa als Apfelzipfel aus „Croissantteig", statt „Plunderteig".

„Wir machen uns relativ viele Gedanken, wie wir unsere Produkte nennen. Wir wollen den Kunden etwas mitgeben, womit sie etwas anfangen können. Croissants kennt jeder. Uns hilft es auch, auf Social Media zu gucken, wie die Menschen ihre Produkte und Kreationen beschreiben", so Inhaber Thomas Bubner.

Er empfiehlt, sich auf geschmackliche Schwerpunkte zu konzentrieren: „Schließlich muss auch alles auf ein Schild passen. Da ist manchmal gar nicht die Chance, so weit auszuholen." Auch müsse bedacht werden, dass das Verkaufspersonal Produkte in nur wenigen Worten beschreiben und erklären könne.„Wir sind ein Filialbetrieb, wir können nicht jede Verkäuferin einzeln zu jedem Produkt schulen. Wir bauen aber quasi die gleiche Kommunikation, die wir zum Kunden aufbauen wollen, zu den Verkäufern auf. Damit sie das weitergeben können. In einem kleinen Café, mit Einzelbedienung und wo mehr Zeit ist, kann man vielleicht auch anders arbeiten", sagt er.

Sein Unternehmen brauche aber passende Schlagworte. „Es müssen sich auch alle mit den Produktnamen wohlfühlen – sowohl Verkaufspersonal als auch Kundschaft. Wenn man sehr fantasievolle Namen wählt und der Verkauf sie komisch findet oder der Kunde den Namen von alleine einkürzt, weil er sich albern vorkommt, dann merkt man, dass man falsch unterwegs ist", so Bubner.

florentine.huebscher@dfv.de

PHOTO (COLOR): Fotos: Hübscher, privat Qualitätskontrolle: Bei Boiron wird Püree fürs optimale Geschmacks- erlebnis regelmäßig geprüft. Wissenschaft für sich: im Labor bei Le vergers Boiron. Gaumenspiel: Püreeverkostung von süß nach sauer. Antonia Arera, Leiterin Chocolate Academy, Köln Thomas Bubner, Inhaber Bäckerei Bubner, Doberlug-Kirchhain

Titel:
So schmeckt lecker.
Zeitschrift: KOCA, 2024-03-15, Heft 3, S. 46-49
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 2569-961X (print)
Schlagwort:
  • TASTE perception
  • FRUIT flavors & odors
  • FRENCH language
  • FOOD industry
  • TASTE
  • Subjects: TASTE perception FRUIT flavors & odors FRENCH language FOOD industry TASTE
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Product Review
  • Full Text Word Count: 1010

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