Zum Hauptinhalt springen

Mini macht Maxi und gibt Strom.

REICHEL, JOHANNES
In: Vision Mobility, 2024-05-01, Heft 3, S. 27-29
Online serialPeriodical

Mini macht Maxi und gibt Strom 

FAHRBERICHT MINI COUNTRYMAN ELECTRIC

mobilität

Der erste Mini „Made in Germany“ geht einen großen Schritt: Er wächst in Länge und Höhe, gibt den coolen Bruder des BMW X1. Und er katapultiert das Modell ins vollelektrische Zeitalter. Verbrenner gibt's noch, aber vermisst hier keiner.

Mehr Kasten wagen! Das scheint das Motto der Mini-Designer um die Markenchefin Stefanie Wurst gewesen zu sein, um sich von der technischen Basis des BMW X1 abzugrenzen. So gibt der neue Countryman den pragmatisch-praktisch-coolen Bruder des seriösen, etwas faden BMW iX1. „Mit dem vollelektrischen Mini Countryman führt das größte Modell der neuen Fahrzeugfamilie die Marke in eine Ära lokal emissionsfreier Elektromobilität. Der erste in Deutschland gefertigte Mini steht auch in der Produktion für größtmögliche Umweltverträglichkeit“, wirbt Wurst.

Klingt nach: Verbrenner gibt's auch noch. Drei Benziner (170/218/300 PS) und einen - in der Gattung und bei viel Langstrecke vielleicht gar nicht schlecht passenden - Diesel (163 PS). Aber man braucht sie halt nicht mehr zwingend, wenn der Stromer mit 64-kWh-Akku als Fronttriebler 462 Kilometer schafft, der gefahrene Countryman SEAll4mitAllrad immerhin 433 Kilometer. Es half nichts, Mini musste mehr auf „Maxi“ machen: Zum Countryman II (ab 2017) legte er in der Länge um 13 Zentimeter zu, auf nun 4,43 Meter. Er bleibt damit sieben Zentimeter kürzer als ein iX1 und zwölf Zentimeter als ein iX2, überragt aber beide deutlich (1,61/1,56 Meter Höhe), mit zehn Zentimeter Zuwachs, auf 1,65 Meter. Die Breite blieb mit 1,84 Meter fast konstant.

Das Wachstum kommt weniger dem Kofferraum zugute, der mit 460 bis 1.450 Liter knapp unter dem des X1 bleibt, bei Vorteil der großen Heckklappe sowie verschiebbarer Rückbank. Funktional wird der Mini fast zum Van, erst recht, weil die Ladefläche der leicht klappbaren Sitze (im Verhältnis 40/20/40) eben ist. Einen Frunk sucht man unter der kantigen Haube vergebens, Schicksal der Multi-antriebsplattform … Das stattliche Fahrzeug kontrastiert scharf mit dem zwecks Ahnenforschung aufgefahrenen Ur-Mini (3,04x1,39x1,33 Meter), der wirkt wie ein Matchboxauto. Zeichen der Zeit. Erstaunlich, dass der „Landmann“ mit einem cW-Wert von 0,26 exakt auf dem Niveau des X1 liegt - 0,05 besser als der Vorgänger.

Mehr Platz als die „feinen Geschwister“

„Advantage Mini“ heißt es auch im Interieur, überm Scheitel weit mehr Platz bleibt als im iX2, aber auch als im iX1. Im Fond sitzt man im Mini maximal bequem, kann sogar die Lehne in der Neigung verstellen. Dazu gesellen sich etliche Ablagen und Fächer, auch das Van-like. Bei der Materialauswahl herrscht bei Mini statt BMW-Gediegenheit fröhlicher Pragmatismus vor, passt zur Marke. Auch, weil er umweltfreundlich ist - mit viel recyceltem Polyester. An den Pizzateller-großen Digi-OLED-Screen („Mini Interaction Unit“) muss man sich gewöhnen. Das Infotainment fußt auf BMWs OS9, Android Open Source Project-basiert. Die Bedienung lenkt oft ab, man muss mit spitzen Fingern treffen. Warum muss bei Mini alles „rund“ sein? Immerhin berechnet das Navi Routen rasch und man wird dynamisch und präzise in 3D geführt, auch dank 5G-Verbindung an Bord. Im E-Mini kann man eine ladeoptimierte Route wählen.

Klassik & Moderne: Kipphebel und Sprachassistenz

Eher Folklore, aber immerhin Direktzugriff auf wichtige Funktionen sind die Kipphebel („Toggles“) nebst Drehschlüssel zum Start, weit weg von der reklamierten „Charismatic Simplicity“, die den Ur-Mini ausmachte. Mit dem alten Mini konnte man auch sprechen, der neue reagiert wirklich - sogar recht gut, dank dem von BMW geliehenen „Personal Assistent“. Basisfunktionen wie Navi,Telefon, Entertainment oder diverse Fahrzeugfunktionen sind ansprechbar, das System lernfähig. Nachdem man alle Sounds und „Mini Experience Modes“ probiert hat, die sich nach „Klang aus der Konserve“ anhören, loggt man sich auf den effizienzoptimierten Green-Mode mit besserem Management der einstufigen, nicht zu strammen Rekuperation ein. Der liefert ein zeitgemäßes sphärisches Fahrgeräusch ab. Im Go-Kart-Mode werden Fahrwerk und Lenkung etwas straffer, das Fahrpedal reaktiver, wohl ein Must-have für Mini. Nur Verbrennerfetischisten werden das pubertäre Gebrumme des Countryman Cooper Works, parallel präsentiert, als Plus empfinden.

Der Stromer macht's eng für den Verbrenner

Sonst ledert der Stromer den Verbrenner ziemlich ab: Der Antritt des 230 kW starken Elektro-Topmodells (494 Nm) ist flotter, er zieht binnen 5,6 Sekunden genauso schnell auf 100 km/h wie der röhrende Bruder mit dem 300-PS-Benziner, emittiert dabei aber fast keine Geräusche und nur 16,8 kWh/100 km an Energie im Vergleich zu 7,8l/100 km an Sprit. Wir kamen über 80 Kilometer Stadt, Landstraße und ein kurzes Stück Autobahn auf 16,4 kWh/ 100 km im Betrieb - und hatten noch 327 Kilometer Restreichweite in den Unterflur-speichern. In Ordnung für einen hochbauenden 2,1Tonner. Trotzdem gehtunser Tipp Richtung des 135 Kilogramm leichteren und 6.000 Euro günstigeren Fronttrieblers mit 150 kW (250 Nm), mit 8,6 Sekunden für den Standardspurt flott genug und mit 15,7 kWh/100 km ein kWh sparsamer.

Mit ihm ist man seltener Gast an der Ladesäule, die den Mini in DC mit brauchbaren 130 kW in einer halben Stunde von zehn auf 80 Prozent bringt. Praktisch ist deroptionale 22-kW-AC-Lader, selbstredend die Vortemperierung der Akkus für bessere Ladeperformance. Der Ladeslot ist wie der Tankstutzen des Verbrennerpendants hinten rechts platziert, Rangieren Pflicht. Dafür gibt's Plug & Charge. Ansonsten steht der Mini in Sachen Fahraktivität dem Genspender aus der Münchner Zentrale kaum nach: Das Handling ist agil und für Format und Gewicht quirlig, die Lenkung präzise, wenngleich derWendekreis mit 11,6 Meter der Multiantriebsplattform Tribut zollt. Die Straßenlage ist satt, die Traktion mit dem E-Allrad der zwei Synchronmaschinen sowieso top, die Aufbaubewegungen geringund die Verarbeitung knisterfrei. Der Komfort bleibt trotzdem ansprechend und einem Familienwagen gemäß, das Geräuschpegel liegt auf niedrigem Niveau, einen Tick lauter als im iX2 vielleicht.

Auch bei der Fahrerassistenz herrscht ziemlich Gleichstand. Der Mini fährt nicht maximal, aber ausreichend auf, mit hoher Regelgüte etwa des Abstandstempomaten oder des aktiven Spurassistenten. Ob man einen „assistierten Spurwechsel“, eine Einparkautomatik oder gar Remote Parking per Smartphone auf Basis braucht, ist fraglich. Weitere Zeichen der Zeit halt. Noch nützlicher ist das erstmals bei Mini angewandte teilautomatisierte Fahren, bei dem man bis 60 km/h die Hände vom Lenkrad nehmen kann, ohne ermahnt zu werden.

Den Preis wert: Nur kleiner Abstand zum Basis-Benziner

Kurz zur preislichen Sortierung: Mit moderaten 3.500 Euro Aufpreis zum Basis-Benziner macht die Marke klar, dass man die Zukunft im elektrischen Antrieb sieht. DerTop-Stromer mit Allrad kostet 4.000 Euro weniger als der leistungsgleiche Top-Benziner. In Relation zu BMW setzt man selbstbewusst, aber in Anbetracht des praktischen Mehrwerts reell an: 1.500 Euro mehr kostet der Countryman Electric zum iX1 eDrive20, bei 49.400 Euro startet der iX2 eDrive20. Bei den E-Topversionen herrscht dann Gleichstand zwischen den Propeller-Marken, mit 55.000 Euro beim iX1 eDrive30 zu 55.510 Euro beim Countryman SE All4.

Nicht ganz billig, aber das muss einem ein universeller elektrischer „Kult-Kastenwagen“ wert sein. Denn - und damit das Beste zum Schluss: Der Mini Countryman ist der erste Mini „Made in Germany“. Gefertigt wird er in Leipzig nach hohen Umweltstandards, die Alu-Räder etwa verwenden 70 Prozent Sekundärmaterial, die Fertigung nutzt komplett Grünstrom und die Synchronmotoren kommen ohne seltene Erden aus. Chrom hat man ohnehin längst verbannt. Das hat der Nachfolger seinem Urahn voraus. Und: Erbrummt und stinkt nicht. Sondern strahlt aus energieeffizienten LED-Kulleraugen in eine „bessere Welt“.

* Connectivity Check

Typ: Mini OS9, Android Auto, OLED-Display. Navigation: 3D-Navigation (Option) Echtzeit, cloudbasiert, ladeoptimierte Route. Smartphone-Verlinkung/Audio/Video:

Wireless Android Auto/Apple CarPlay, induktives Laden, 5G-Verbindung (Option). Service und Sicherheit: Digitale Suche und Bezahlung von Parkplätzen, Augmented-Reality-Funktion (Option), In-Car-Gaming.

* Wichtige Daten

Mini E:Synchronmotor, 150 kW (204 PS), 250 Nm, 64,6 kWh-Li-Io-Akku, Verbr. 16 kWh/100 km, RW462 km (WLTP), HK/TK/VK: 18/22/19, Preis ab 43.500 Euro brutto

Mini SE All4: 2xSynchronmotor, 230 kW (313 PS), 494 Nm, 64,6 kWh-Li-Io-Akku, Verbr. 16,8 kWh/100 km, RW433 km, HK/TK/ VK: 18/22/19, Preis ab 49.500 Euro brutto

Ladezeiten 100% 66,5-kWh-Akku: 11/22 kW AC:ca. 6,5/3,5 h, DC 10-80%: 30 min.

Maße/Radstand/Kofferraum/Gewichte: LxBxH: 4.445x1.843x1.635 mm, 2.692 mm, 460-1.450 l, ab 1.940/2.075 kg, GG 2.570 kg

* Auf den Punkt

Er ist… ein Mini für alles.

Ideal für … Alltag & Familie, Freizeit & Reise.

Schön, dass … der Landmann Strom gibt.

Schade, dass … sogar der Screen rund ist.

im höherentrimm ist das in Weboptik gestaltete interieursehransehnlich, im „essential trimm“ eher trist, aber robust. Der rundeole D-Screen ist unpraktisch. Feines handling, großer Kofferraum und gute Flexibilität, aber auch diestattliche Statur eines Kompaktklasse-SUV.

By JOHANNES REICHEL

Titel:
Mini macht Maxi und gibt Strom.
Autor/in / Beteiligte Person: REICHEL, JOHANNES
Link:
Zeitschrift: Vision Mobility, 2024-05-01, Heft 3, S. 27-29
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 2512-6601 (print)
Schlagwort:
  • ELECTRIC drives
  • ENVIRONMENTAL standards
  • COMBUSTION
  • ENGINES
  • STORAGE
  • LEIPZIG (Germany)
  • GERMANY
  • Subjects: ELECTRIC drives ENVIRONMENTAL standards COMBUSTION ENGINES STORAGE
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Product Review
  • Geographic Terms: LEIPZIG (Germany) ; GERMANY
  • Full Text Word Count: 1345

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -