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Auf dem Weg zur regionalen Wertschöpfung durch Eiweißpflanzen.

Denise, Sperling
In: Fleischwirtschaft, 2024-04-20, S. 12-15
Online serialPeriodical

Auf dem Weg zur regionalen Wertschöpfung durch Eiweißpflanzen 

Hummus, Falafel, alternative Nudelsorten, Tofu, vegane Leberwurst: All das sind Produkte, die in der heutigen Zeit keine Exoten mehr im Supermarktregal sind und zum Beispiel aus Kichererbsen oder auch Linsen hergestellt werden können. Aber woher kommen die Rohstoffe für diese Produkte? In den meisten Fällen (noch) nicht aus Deutschland. Genau das will ein Team der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen im Forschungsprojekt „Regionale Wertschöpfungsketten der Zukunft durch pflanzliche Lebensmittel mit Arten- und Klimaschutzleistung durch digitale Technologien" (regiopakt) ändern. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts gibt Denise Sperling einen Einblick in die Gestaltung dieses Transformationsprozesses.

Motivation hinter regiopakt

Die aktuellen Proteste in der Landwirtschaft zeigen eine große Unzufriedenheit in der Branche. Neben Kürzungen bei den politischen Rahmenbedingungen ist auch eine zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage Ursache dieses Unmuts. Viele landwirtschaftliche Betriebe befinden sich in einer „Commodity Hell" durch den Anbau austauschbarer „Massenware" wie Mais oder Weizen. Das bedeutet: Hier besteht ein globaler Kostendruck, der die Margen langfristig gering hält. Zusätzlich erhöht der Klimawandel mit immer weniger vorhersagbaren Wetterverläufen die Unsicherheit auf den Betrieben. Die Klimakrise wird auch wesentlich durch unsere aktuellen Ernährungsstile vorangetrieben. Ernährungsveränderungen sind jedoch sehr schwer zu gestalten, dennoch brauchen wir sie, um aktuelle gesundheitliche, umweltspezifische sowie soziale Herausforderungen anzugehen. Aber wie genau kann die Agrar- und Ernährungsbranche diese Herausforderungen meistern?

Zielsetzungen

Das übergeordnete Ziel von regiopakt ist es, Perspektiven für die heimische Landwirtschaft aufzuzeigen und mehr pflanzliche Vielfalt in die alt Landschaft und auf den Teller zu bekommen. Eine mögliche Perspektive kann in Zukunft der Anbau von regiopakt-Kulturen sein, die weder Spezialtechnik noch zusätzliche Arbeitskräfte erfordern. Darunter fallen neben den bereits erwähnten Kichererbsen und Linsen auch noch Quinoa, Amaranth, Buchweizen und Chia. Dabei gliedern sich die Aktivitäten des Projekts entlang der Wertschöpfungskette: Diese reichen von der Erarbeitung von Anbauleitfäden über die ökonomische und ökologische Bewertung der regiopakt-Kulturen bis zur Erforschung von Verbraucheranforderungen und die Entwicklung zielgerichteter Vertriebs- und Kommunikationsstrategien. Auch digitale Unterstützungen in Form von Software und Apps, die bei der Fruchtfolgengestaltung mit den regiopakt-Kulturen helfen sowie die Effektivität und Attraktivität von Biodiversitätsmaßnahmen für Betriebe erhöhen sollen, stehen im Fokus der Arbeit.

Aktuelle Marktsituation in Deutschland – Zahlen, Daten, Fakten

Wie eingangs bereits erwähnt, kommen die meisten der im Projekt untersuchten Kulturen derzeit nicht aus Deutschland. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 18.000 t Kichererbsen nach Deutschland importiert, wobei die Türkei als größter Lieferant mit einem Anteil von 39 Prozent besonders hervorzuheben ist. Der Kichererbsen-Import legte dabei im Zeitraum von 2015 bis 2020 ein bemerkenswertes Wachstum von 260 Prozent hin – ein erster Indikator für das gesteigerte Interesse an der Hülsenfrucht. Der Importpreis lag dabei im Jahr 2020 bei durchschnittlich 1,11 Euro pro Kilogramm. Trotz der gesteigerten Nachfrage lag der Kichererbsen-Anbau in Deutschland im Jahr 2022 bei lediglich 550 Hektar. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im Jahr 2022 rund 2,5 Millionen Hektar Mais angebaut. Auch bei den Linsen ist die Türkei mit 38 Prozent am Gesamtimport von rund 42.000 t im Jahr 2020 der größte Lieferant für Deutschland. Das Wachstum des Imports im Zeitraum von 2015 bis 2020 lag bei der Linse bei 152 Prozent. Ein Blick auf den durchschnittlichen Importpreis 2020 zeigte 1,01 Euro pro Kilogramm. Basierend auf den ersten qualitativen Interviews mit verarbeitenden und aufbereitenden Unternehmen sowie Landwirten und Landwirtinnen in der Projektregion deutet sich an, dass für regionale Linsen aktuell ein Preisaufschlag von 50 bis 100 Prozent und für regionale Kichererbsen von 70 Prozent bis 125 Prozent erfolgt. Hier wird im Projekt ebenfalls angesetzt und geschaut, durch welche Maßnahmen dieser Aufschlag minimiert und gleichzeitig die Zahlungsbereitschaft bei den Verbrauchenden erhöht werden kann.

Die Projektregion von regiopakt „Franken-Hohenlohe" liegt in Bayern und Baden-Württemberg, weshalb für das Projekt auch eine Betrachtung des Anbaus in den beiden Bundesländern von besonderem Interesse ist. Der Selbstversorgungsgrad im Fünfjahresdurchschnitt liegt in dieser Region unter 10 Prozent bei Linsen, noch unterboten von der Kichererbse mit unter 5 Prozent. Dieser Grad zeigt das Verhältnis zwischen der Produktion und der Gesamtnachfrage auf.

Für den Konsum bedeuten die aufgezeigten Sachverhalte Folgendes: Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Fünfjahresdurchschnitt liegt in Deutschland für Linsen bei 400 Gramm und bei Kichererbsen bei 150 Gramm. Das Klingt erst mal sehr wenig, besonders wenn der Pro-Kopf-Verbrauch von 70 Kilogramm Weizenmehl pro Jahr dagegengestellt wird. An dieser Stelle heißen die Zauberwörter Ernährungsveränderung und Trends. Es gibt immer mehr Vegetarier sowie Veganer in Deutschland. Eine weitaus größere Gruppe stellen die Flexitarier dar, die hauptsächlich eine vegetarische Ernährung praktizieren, aber gelegentlich auch Fleisch oder Fisch in ihre Mahlzeiten integrieren und dadurch vermehrt auf andere Proteinquellen wie zum Beispiel Hülsenfrüchte und Fleischersatzprodukte zurückgreifen. Diese Entwicklung haben auch einige Projektbetriebe bereits bemerkt und Produkte entwickelt, die unter anderem zu dieser Zielgruppe passen: Mehle aus Kichererbsen, Linsen oder Buchweizen, Nudeln aus Linsen, Kichererbsen oder Buchweizen, Falafel-Mix, Eintöpfe mit Linsen und Quinoa, geröstete Kichererbsen, gepuffter Quinoa sowie Amaranth, Flocken, Backmischungen, Bratmischungen und vieles mehr.

Anbausituation in Deutschland

Aktuell spielt sich der Anbau aller regiopakt-Kulturen in Deutschland in der Nische ab. Dennoch sind immer mehr Landwirte und Landwirtinnen daran interessiert, die Fruchtfolge auf den eigenen Betrieben mit den regiopakt-Kulturen zu erweitern. Sitzt der Betrieb zum Beispiel in einem sehr trockenen Gebiet, mit zurückgehenden Niederschlägen während der Vegetationsphase, lohnt sich der Anbau von trockenheitstoleranten Kulturen. Aus diesem Grund wird mit der Kichererbse zum Beispiel bereits viel in Brandenburg experimentiert. Aber auch in Teilen der Projektregion, zum Beispiel der Region Würzburg, ist der Wassermangel ein großes Thema. Hülsenfrüchte, zu denen die Kichererbse und auch die Linse gehören, haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie benötigen keine Stickstoffdüngung, da sie durch eine Symbiose mit Mikroorganismen diesen wichtigen Pflanzennährstoff aus der Luft binden können. Interessant ist das besonders vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von Düngemitteln weiter reduziert werden soll.

Natürlich bringt der Anbau der Kulturen auch noch manche Herausforderungen und Fragestellungen mit sich, wobei an einigen zusammen mit den Projektbetrieben gearbeitet wird. Für Kichererbsen zum Beispiel sind lang anhaltende Regenperioden ein Problem, da dies zu Totalausfällen, bedingt durch Schimmelbildung und indeterminierte Abreife, führen kann. Letzteres bedeutet, dass die Pflanze durch anhaltende Feuchtigkeitszufuhr kontinuierlich neue Hülsen ansetzt und nicht abreift. Der Anbau dieser Nischenkulturen erfordert zudem von der Aussaat bis zur Ernte ein spezialisiertes Know-how in der Kulturführung und im Umgang mit der in den Betrieben vorhandenen Technik.

Die abschließende Frage ist: Lohnt sich der Anbau? Generell lässt sich sagen, dass die Deckungsbeiträge grundsätzlich für Landwirte und Landwirtinnen interessant sind, die Einkommensalternativen suchen und eine Risikostreuung im Anbau betreiben wollen. Nach ersten Erkenntnissen aus der Projektregion ist eine Mindestanbaufläche von 3-5 Hektar ratsam. Betriebe, die bereits in der Direktvermarktung aktiv sind, können durch bereits bestehende Strukturen ihre Angebotspalette gut ergänzen.

PHOTO (COLOR): Unterschiedliche gereifte Kichererbsen... werden von Forschenden des Projekts, wie hier von Prof. Dr. Peter Breunig,... unter die Lupe genommen. Fotos: Petra Hangleiter / regiopakt; Denise Sperling Beim Feldtag Hummus oder bei Veranstaltungen... wie im Rahmen des WHAT?-Festivals in Würzburg zum „Wie schmeckt die Zukunft" werden Thema Produkte der Projektbetriebe verkostet. Fotos: Mareike Herrler / regiopakt, Denise Sperling / regiopakt Denise Sperling Foto: Leonie Bornfeld-Biessey

1 regiopakt

Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU)& Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT)

Regiopakt-Kulturen: Kichererbsen, Linsen, Quinoa, Buchweizen, Amaranth, Chia

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen der Bekanntmachung über die Förderung der Einrichtung von Experimentierfeldern als Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen der Digitalisierung in der Landwirtschaft sowie in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten.

Förderkennzeichen: 2822ZR009

Projektzeitraum: 2023 – 2025

URL: regiopakt.de

2 Denise Sperling

Denise Sperling arbeitet seit 2023 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin im Projekt „regiopakt" an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Während ihres Masterstudiums der Angewandten Nachhaltigkeit fokussierte sie sich bereits auf den sozialen sowie ökologischen Einfluss von Ernährung und Landwirtschaft auf unsere Gesellschaft. Nach ihrer Masterarbeit, bei der es um eine Strategieentwicklung für die Förderung von regionalen Wertschöpfungsketten im ländlichen Raum ging, beschäftigt sie sich auch im jetzigen Projekt mit Fragestellungen rund um das Thema Wertschöpfungskettenaufbau der regiopakt-Kulturen.

By Sperling Denise

Reported by Author

Titel:
Auf dem Weg zur regionalen Wertschöpfung durch Eiweißpflanzen.
Autor/in / Beteiligte Person: Denise, Sperling
Zeitschrift: Fleischwirtschaft, 2024-04-20, S. 12-15
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0015-363X (print)
Schlagwort:
  • LEGUME farming
  • VEGANISM
  • PLANT diversity
  • COLLEGE environment
  • INTEREST income
  • LENTILS
  • CHICKPEA
  • AGRICULTURAL diversification
  • BADEN-Wurttemberg (Germany)
  • BAVARIA (Germany)
  • Subjects: LEGUME farming VEGANISM PLANT diversity COLLEGE environment INTEREST income LENTILS CHICKPEA AGRICULTURAL diversification
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: BADEN-Wurttemberg (Germany) ; BAVARIA (Germany)
  • Full Text Word Count: 1335

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