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Marktrecherchen und Informationsrechercheleitfaden für Start-ups (in Deutschland).

Seidler-de Alwis, Ragna
In: Information -- Wissenschaft und Praxis, Jg. 75 (2024-05-01), Heft 2/3, S. 116-125
Online academicJournal

Marktrecherchen und Informationsrechercheleitfaden für Start-ups (in Deutschland)  Market research and information research guide for start-ups (in Germany)  Recherche de marché et guide de recherche d'informations pour les start-ups (en Allemagne) 

Die Zahl der innovationsorientierten Unternehmensgründungen in Deutschland ist in den letzten Jahren rückläufig. Eine häufige Ursache für das Scheitern von Gründungen ist, dass für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen kein Marktbedarf besteht und diesem Thema zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Marktrecherchen sind jedoch eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmensgründungen. Daher wird ein Informationsrechercheleitfaden für Marktrecherchen vorgestellt, der ein methodisches und strukturiertes Vorgehen beinhaltet sowie die einzelnen Untersuchungsbereiche im Marktrechercheprozess aufzeigt. Der Informationsrechercheleitfaden basiert auf umfangreichen praktischen und theoretischen Erfahrungen aus dem Hochschul- und Beratungsumfeld. Er wird ergänzt durch eine Literatur- und Informationsressourcenrecherche in Universitätsbibliotheken im Silicon Valley, die ihre Studierenden im Hinblick auf Start-ups von Beginn des Studiums an in vielfältiger Weise erfolgreich unterstützen.

The number of innovation-orientated start-ups in Germany has been declining in recent years. A common reason for the failure of start-ups is that there is no market demand for the products and services on offer and too little attention is paid to this issue. However, market research is an important prerequisite for successful business start-ups. Therefore, an information research guide for market research is presented, which contains a methodical and structured procedure and shows the individual areas of investigation in the market research process. The information research guide is based on extensive practical and theoretical experience from the university and consultancy environment. It is supplemented by a literature and information resource search in university libraries in Silicon Valley, which successfully support their students regarding start-ups in a variety of ways from the beginning of their studies.

Résumé: Le nombre de créations d'entreprises axées sur l'innovation en Allemagne a diminué ces dernières années. L'une des causes fréquentes de l'échec des créations d'entreprise est qu'il n'existe pas de besoin du marché pour les produits et services proposés et que trop peu d'attention est accordée à ce sujet. Or, les recherches de marché sont une condition préalable importante à la réussite d'une création d'entreprise. C'est pourquoi nous présentons un guide de recherche d'informations pour les études de marché, qui contient une procédure méthodique et structurée et montre les différents domaines d'investigation dans le processus d'étude de marché. Le guide de recherche d'informations est basé sur une vaste expérience pratique et théorique dans le domaine de l'enseignement supérieur et du conseil. Il est complété par une recherche de littérature et de ressources d'information dans les bibliothèques universitaires de la Silicon Valley, qui soutiennent avec succès leurs étudiants dans le domaine des start-ups dès le début de leurs études.

Keywords: Information; Recherche; Marktrecherche; Leitfaden; Start-up; Unternehmensgründung; research; market research; guide; start-up; company foundation; recherche; étude de marché; création d'entreprise

1 Problemstellung

Sowohl die Zahl der Unternehmensgründungen als auch die Gründerquote in Deutschland sind in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern eher rückläufig, wobei auch bei größeren und innovationsorientierten Gründungen rückläufige Tendenzen zu beobachten sind ([16] 2016, 4). Im Jahr 2000 wurden 1,3 Mio. Gründungen gezählt, im Jahr 2021 waren es 607 000 (vgl. Abb. 1) und im Jahr 2022 550 000 (KfW Gründungsmonitor 2023, 1). Der Anteil der Gründer an der Bevölkerung in Deutschland ist in den letzten 20 Jahren leicht gesunken und auch beim Anteil der Unternehmerinnen und Unternehmer an den Erwerbstätigen liegt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, Kanada und den USA im unteren Drittel (Röhl 2016, 16). Zudem bleibt der Fachkräftemangel in Deutschland auch zukünftig eine Herausforderung für das Gründungsgeschehen (KfW Gründungsmonitor 2023, 1).

Graph: Abbildung 1: Anzahl der Gründer in Deutschland von 2000 bis 2021 (KfW Gründungsmonitor, 2022).

2019 sind 86 Prozent aller Patentanmeldungen aus Deutschland von Industrieunternehmen ausgeführt worden, d. h. neun von zehn deutschen Patenten sind von Industrieunternehmen und nicht von KMUs oder Start-ups angemeldet worden ([5] et al. 2022). Der Bericht von Insider Intelligence/e-Marketer zeigt, dass der Erfolg von Start-ups vor allem von folgenden Komponenten abhängt: marktgerechtes Produkt/Dienstleistung, Gründungsteam, Skalierbarkeit, loyale Kunden & frühe Anwender, kontinuierliche Anpassung des Geschäftsmodells und rechtzeitiger Schutz des geistigen Eigentums ([12] 2022, 7). CB Insights hat in ihrer Studie 2022 analysiert, dass die mit Abstand häufigste Ursache für das Scheitern von Start-ups der fehlende Marktbedarf für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist. Dieser Grund ist noch wichtiger als Geldmangel (Zukunftsinstitut 2023). Marktrecherchen sind auch eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Innovationen. Daraus folgt, dass ein „Informationsrechercheleitfaden" zur Durchführung einer Marktrecherche eine wesentliche Hilfestellung für Gründer und Gründungsinteressierte sein kann.

1.1 Vorhaben

Ziel ist die Entwicklung eines Informationsrechercheleitfadens für Gründer und Gründungsinteressierte von Start-ups mit dem Schwerpunkt Marktrecherche. Bei der Informationsrecherche zu Gründungsthemen bzw. zur Gründung eines Start-ups kann man schnell durch die Informationsflut bzw. durch undurchsichtige und zum Teil nicht verlässliche Informationsquellen und auch falsche Informationen überfordert sein. Es bedarf daher eines methodischen und strukturierten Vorgehens, um relevante und verlässliche Informationen zu Gründungsthemen und Start-ups zu erhalten, wie vor allem die Identifikation von möglichen Marktchancen und auch das Wissen, wie und wann Marktrecherchen durchzuführen sind. Für die Qualitätssicherung bei der Marktrecherche sind vor allem bei der Auswahl, Nutzung und Bewertung von Informationsressourcen Quellenkenntnis, Quellenauswahl und Quellenbewertung zentrale Themen. Dabei wird herausgearbeitet, welche Quellen geeignet sind, um eine sachgerechte Informationsrecherche für die einzelnen Themengebiete im Bereich Marktrecherche mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformationen durchzuführen.

1.2 Aufbau und Vorgehensweise

Dieser Leitfaden zur Informationsrecherche basiert auf umfangreichen praktischen und theoretischen Erfahrungen in der Informationsrecherche und der Erstellung von Markt- und Wettbewerbsanalysen im Hochschul- und Beratungsumfeld. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Erstellung dieses Leitfadens zur Informationsrecherche für Gründer und Gründungsinteressierte mit dem Schwerpunkt Marktrecherche ist eine umfangreiche Literaturarbeit und Recherche von Informationsressourcen in Universitätsbibliotheken im Silicon Valley, der Region mit den weltweit erfolgreichsten Start-ups und Universitäten, die ihre Studierenden im Studium in vielfältiger Weise erfolgreich in Bezug auf Start-ups unterstützen. Im Folgenden wird der Einfluss der Marktrecherche auf den Unternehmenserfolg von Start-ups erörtert und anschließend der Marktrechercheprozess in fünf Schritten dargestellt, um dann die Schwerpunktthemen Informationskompetenz, Informationsbeschaffung sowie Quellenauswahl und Quellenbewertung zu erläutern. Darauf aufbauend wird der Informationsrechercheleitfaden für Marktrecherchen vorgestellt, klar gegliedert nach den für Gründer relevanten Untersuchungsbereichen der Marktrecherche und einer strukturierten Auflistung relevanter Quellen. Es wird darauf hingewiesen, dass keine Garantie für die Vollständigkeit der Informationsquellen gegeben werden kann.

2 Marktrecherche und Start-ups

Bei der Marktrecherche werden relevante Daten und Informationen über Märkte und deren Entwicklung, Zielgruppen, Preise oder Trends gesammelt, die für die Erstellung einer Marktanalyse wichtig sind. Bei der Informationsbeschaffung wird sowohl auf externe als auch auf interne Informationsquellen zurückgegriffen ([1] 2022).

Marktrecherchen helfen Start-ups, sich einen umfassenden Überblick über den zu bearbeitenden Markt zu verschaffen, z. B. um

  • neue oder potenzielle Märkte und Wettbewerber zu entdecken
  • neue Märkte zu erschließen und Informationen über Zielmärkte zu sammeln
  • Marktveränderungen zu antizipieren und Chancen und Risiken zu erkennen
  • Markt- und Produktnischen für Innovationen systematisch identifizieren
  • Planungs- und Entscheidungsprozesse abzusichern
  • neues Wissen über neue Technologien, politische, rechtliche oder gesellschaftliche Veränderungen etc. zu generieren (Delt 2011, 13 f; [9] & Riedmüller, 2021, 16).

Der adäquate Umgang mit Informationen bedarf einer entsprechenden Informationskompetenz, die die Ergebnisse der Recherchen nach Marktinformationen erheblich verbessern kann. Dazu gehören u. a. eine strukturierte Informationsbeschaffung und ein umfassender Quellenmix, der das Wissen um verlässliche und seriöse Quellen einschließt. Sebastian Pioch hat in einer Befragung für seine Dissertation herausgefunden, dass Teams, die erfolgreich gegründet haben, eine adäquate Marktrecherche als sehr wichtig erachten, gleichzeitig aber die Marktrecherche als schwierig empfinden, weil die erforderliche Informationskompetenz nicht ausreichend vorhanden ist und sich Gründer und Gründungsinteressierte damit oft überfordert fühlen und sie deshalb ungern durchführen ([14] 2016, 234). Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Marktrecherche eines Gründungsteams und der eines etablierten Unternehmens besteht darin, dass viele Start-ups nur auf wenige interne Daten zurückgreifen können, um daraus Schlüsse zu ziehen (Pioch 2016, 69). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Durchführung von Marktrecherchen essenziell und ein wichtiger Schritt im Gründungsprozess von Start-ups ist, um sich erfolgreich am Markt zu positionieren.

2.1 Der Einfluss der Marktrecherche auf den Unternehmenserfolg

Experten der University of California San Francisco (UCSF) sind sich einig, dass eine gut durchgeführte Marktrecherche die Erfolgsaussichten von Start-ups bei der Identifizierung möglicher Marktchancen und der Bewertung von Märkten stark positiv beeinflussen kann. Dies umfasst u. a. die Identifizierung der Marktakzeptanz und Marktreife und des entsprechenden Geschäftsmodells, die Untersuchung der Kundenerwartungen und anderer Risiken sowie der Möglichkeiten zur Nutzung des geistigen Eigentums, einschließlich der regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen (UCSF 2022). Eine gute Marktrecherche, insbesondere bei innovativen Projekten, trägt zu einem besseren Verständnis vor allem bei Finanzierungspartnern und Investoren bei (Pioch 2016, 73). Sylvia Nickel ergänzt folgende Erfolgsfaktoren im Zusammenhang mit der Marktrecherche: Die Wichtigkeit, bestehende und zukünftige Wettbewerber zu recherchieren und die Eigenschaften der Marktteilnehmer zu kennen. Darüber hinaus gilt es, zukünftige Kunden und Lieferanten zu identifizieren und zu bewerten, mögliche Vertriebskanäle auszuloten und vor allem Markttrends zu erkennen ([13] 2004, 10). Heinz Kußmaul von der Universität des Saarlandes führt aus, dass durch Marktrecherchen Fragen zu aktuellen und zukünftigen Kunden und deren kaufentscheidenden Kriterien sowie zu Produkten und Dienstleistungen der Gründungsinteressierten und der jeweiligen Wettbewerber einschließlich Wachstumspotenzialen, Patentpotenzialen und gesamtwirtschaftlichen Einflüssen beantwortet werden ([10] 2011, 583–594).

2.2 Marktrechercheprozess

Die Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen definiert den Rechercheprozess als einen Prozess, der Daten, Informationen und Wissen identifiziert, selektiert und beschafft. Information wird dabei als Reduktion von Ungewissheit verstanden (DGI 2023, 12 u. 55). Ungewissheit bezeichnet den Zustand einer Person, die einen Mangel an belastbaren Antworten auf eine Frage oder ein Thema hat. Daten, die dekodiert und verstanden werden und geeignet sind, diesen Mangel zu beheben, sind Informationen. Werden Daten und Informationen angewendet, entsteht Wissen. Marktrecherchen dienen somit der Vermehrung von Wissen, der Generierung von neuem Wissen oder auch der Bestätigung von Vorwissen bzw. der Beantwortung von Fragen und damit der Verbesserung der Qualität von Entscheidungen. Informationsrecherchen und damit auch Marktrecherchen sind notwendig, um sich in der exponentiell wachsenden Informationsflut durch einfache oder komplexere Strategien zur gezielten Suche nach relevanten Informationen orientieren zu können ([17] 2023, 478). Unabhängig von der inhaltlichen Fragestellung gibt es einige formale Parameter, die die Marktrecherche und die Zufriedenheit mit dem Rechercheergebnis beeinflussen. Diese formalen Parameter beziehen sich vor allem auf das Vorhandensein eines Budgets, ausreichend Zeit für die Recherche und das Wissen um die Prioritätensetzung bei umfangreichen Fragestellungen. Das Wissen um die Komplexität der Aufgabenstellung und die Einschätzung der Fragestellung in Bezug auf die Marktrecherche ist ein wichtiger Faktor, der die Recherche maßgeblich beeinflusst (Seidler-de Alwis 2023, 479). Sebastian Pioch führt aus, dass die Marktrecherche elementar ist und sich positiv auf die Unternehmensentwicklung auswirkt. Sie sollte vor allem zu Beginn des Gründungsprozesses stattfinden, da man sich nur in einem Markt bewegen kann, den man kennt und frühzeitig herausfinden sollte, ob die Gründungsidee (Produkt/Dienstleistung) überhaupt nachgefragt wird, also Marktpotenzial hat. Spätestens wenn Gründerteams auf Investorensuche gehen, ist eine gut durchgeführte Marktrecherche zwingend erforderlich (Pioch 2016, 72–73).

Die praktische Durchführung einer Marktrecherche ist weitgehend standardisiert und sollte in fünf Schritten erfolgen, deren Reihenfolge keineswegs festgelegt ist:

  • Schritt 1: Marktüberblick – dazu gehören belastbare Informationen über Marktvolumen und Marktentwicklung, Marktpotenzial, Wachstumsmöglichkeiten etc.
  • Schritt 2: Überblick über die Wettbewerber – dazu gehören Finanzkennzahlen, Produktportfolio, Marktanteile und Strategien der einzelnen Unternehmen, M&A-Aktivitäten der Wettbewerber im Markt etc.
  • Schritt 3: Überblick über die Zielgruppe – dies beinhaltet die Identifikation der relevanten Kunden- und Nutzergruppen und die Formulierung des Mehrwertes.
  • Schritt 4: Überblick über wichtige gesamtwirtschaftliche Rahmendaten, die den jeweiligen Markt betreffen, inklusive Umfeld- und Trendanalysen.
  • Schritt 5: Standortanalyse – diese beinhaltet u. a. Themen wie Absatzkanäle, Produktionsstätten, Lieferanten etc. (Pioch 2016, 74–76).
2.2.1 Informationskompetenz

Für ergiebige und zuverlässige Marktrecherchen ist neben Branchenkenntnissen eine ausreichende Informationskompetenz erforderlich. Es gibt mittlerweile nationale und internationale Bestrebungen, Standards für Informationskompetenz zu entwickeln; diesen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie Informationskompetenz-Fähigkeiten nicht definieren und auflisten, sondern den Erwerb von Informationskompetenz als dynamischen und individuellen Prozess verstehen, der sich mit zunehmendem Wissen über formale und inhaltliche Faktoren verändert. Man spricht auch nicht mehr von Standards, sondern von einem Referenzrahmen Informationskompetenz ([4] 2016, 22–23):

Abbildung 2: Referenzrahmen Informationskompetenz (Franke 2016, 23).

Suchen

Prüfen

Wissen

Darstellen

Weitergeben

Wissensbedarf formulieren

Thematische

Relevanz

Formulieren

Einfachheit

Nutzungsbedingungen klären

Quellen finden

Sachliche

Richtigkeit

Vergleichen

Semantisch

Redundanz

Zitate

kennzeichnen

Quellen

auswählen

Formal

Richtigkeit

Einordnen

Kognitive

Strukturierung

Quellen nennen

Informationen isolieren

Vollständigkeit

Strukturieren

Kognitiver

Konflikt

Netzwerke

nutzen

Arbeitsschritte

Kriterien

Arbeitsschritte

Kriterien

Arbeitsschritte

Damit aus Information Wissen wird, ist es wichtig, dass die Gründer zunächst ihre Fragestellung präzise formulieren (Umfang und Art der benötigten Informationen) und diese aus entsprechend verlässlichen Quellen auswählen und danach vergleichen, bewerten, verknüpfen und dann natürlich entsprechende Konsequenzen ziehen und sich in diesem Rahmen ggf. auch mit anderen austauschen. Unterschiedliche Wissensstände und unterschiedliches fachliches Vorwissen einschließlich unterschiedlichen Handlungswissens in der Recherche führen zu unterschiedlichen Recherchestrategien und damit auch zu unterschiedlichen Rechercheergebnissen (Seidler-de Alwis 2023, 480).

Trotz zahlreicher Förderprogramme und Coaching-Angebote im Bereich der Unternehmensgründung gibt es nur wenige Unterstützungsangebote im Bereich der Informationsrecherche, wie z. B. Informationsspezialisten für Unternehmensgründungen. Ein solcher Informationsspezialist könnte jemand sein, der über die nötige Informationskompetenz verfügt, um z. B. die verlässlichen und besten Quellen zu kennen und somit eine adäquate Marktrecherche durchzuführen, denn viele Gründer sind mit ihrer Marktrecherche nicht besonders zufrieden, u. a. weil ihnen die Quellenkenntnis fehlt und viele verlässliche Quellen ohne Lizenzierung nicht zugänglich und/oder sehr teuer sind (Pioch 2016, 204–205).

2.2.2 Informationsbeschaffung

Eine der größten Herausforderungen bei der sachgerechten Marktrecherche im Rahmen einer Unternehmensgründung besteht darin, die notwendigen Informationen zu beschaffen, die Konsistenz der Daten sicherzustellen, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und während dieses Informationsbeschaffungsprozesses den Überblick zu behalten (Pioch 2016, 251). Der Prozess der Informationsbeschaffung orientiert sich am Informationsbedarf und es ist wichtig, nichts zu übersehen, so wäre es beispielsweise fatal, bei der Beschaffung von Informationen über Wettbewerber einen Wettbewerber zu übersehen (Pioch 2016, 72). Der Prozess der Informationsrecherche ist in der wissenschaftlichen Literatur bereits vielfach mit unterschiedlichen theoretischen Positionen und verschiedenen Modellen beschrieben und erklärt worden, wie z. B. bei Wilson, Ellis und Kuhlthau u. a. ([19] 1999, 250–257) und wird daher an dieser Stelle nicht weiter detailliert erläutert, sondern nur teilweise praktisch umgesetzt.

Suchmaschinen sind für Unternehmensgründer in der Regel der Ausgangspunkt für die Beschaffung von Marktinformationen. Die Informationsbeschaffung über Suchmaschinen setzt Informationskompetenz voraus, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag. Relevante und gute Treffer entsprechen nicht unbedingt der Reihenfolge der Suchergebnisse einer Suchmaschine. Bei Marktrecherchen, also informationsorientierten Recherchen, kann das Informationsbedürfnis in der Regel nicht mit einem einzigen Dokument oder einer einzigen Website befriedigt werden. Damit wird deutlich, dass es einer durchdachten und strukturierten Recherchestrategie bei der Informationsbeschaffung von Marktinformationen bedarf ([11] 2016, 116–120). Für die Qualitätssicherung in der Marktrecherche, insbesondere bei der Auswahl, Nutzung und Bewertung von Informationsressourcen, ist die Auswahl und Bewertung von verlässlichen und seriösen Quellen ein wichtiges Thema (Seidler-de Alwis 2023, 481). Die Beschaffung und Analyse relevanter Informationen sollte über Informationsressourcen erfolgen, auf die in den einzelnen Untersuchungsbereichen des Marktrechercheprozesses detailliert eingegangen wird. Die gewonnenen Marktinformationen adäquat bewerten und einordnen zu können, hängt vor allem mit der Marktzugehörigkeit und Marktkenntnis zusammen und auch damit, wie gut Gründer ihre zukünftigen Kunden und deren Kaufentscheidungen einschätzen können (Pioch 2016, 73).

2.2.3 Quellenauswahl und Quellenbewertung

Ein wichtiger Baustein bei der Suche nach Marktinformationen ist die konkrete Auswahl einer bestimmten Quelle und deren Bewertung. Marktinformationen können sowohl in primären als auch in sekundären Quellen recherchiert werden. Primäre Quellen für Gründer sind z. B. selbst durchgeführte Untersuchungen, die durch Befragungen oder Beobachtungen zur Informationsgewinnung führen. Vorteile von Primärquellen sind z. B. Aktualität, Exklusivität und auch Kostenersparnis, Nachteile sind eine evtl. geringere Verlässlichkeit der eigenen Erhebungen und evtl. eine geringere Akzeptanz bei Finanzmittelgeber. Sekundärquellen werden bei der Informationsrecherche weitaus häufiger genutzt und können amtliche Statistiken, öffentliche Einrichtungen wie Wirtschaftsinstitute, Fachzeitschriften, Geschäftsberichte, Unternehmensberichte, Verbände, Marktstudien und vieles mehr sein. Die Glaubwürdigkeit und Objektivität dieser Quellen muss bekannt sein. Die Auswahl bzw. der Ausschluss von Quellen wird zu Beginn einer Marktrecherche nicht allein durch den Inhalt der Fragestellung bestimmt. So können z. B. hohe Kosten bei Gründern dazu führen, dass eine Marktstudie eventuell nicht beschafft werden kann. Die Bewertung von Quellen ist mitunter schwierig, da die Vertrauenswürdigkeit von Quellen nicht immer offensichtlich ist und die Quellenauswahl neben gesicherten Fakten zum Teil auch auf intuitiven Einschätzungen aufgrund bisheriger Erfahrungen beruht. Dies gilt insbesondere für die Auswahl häufig genutzter und bereits bekannter Zeitschriften und Datenbanken. Bei der Bewertung von Quellen sind ein Quellencheck und ein Plausibilitätscheck hilfreich. Der Quellencheck soll klären, ob es sich um eine belastbare Quelle handelt. Sind die Autoren bzw. Herausgeber der Quelle bekannt bzw. haben sie eine gute Reputation im entsprechenden Fachgebiet? Gibt es weitere oder abweichende Quellen, die herangezogen werden können? Beim Plausibilitätscheck wird überprüft, ob die Daten und Fakten zum Markt stimmig sind und ob es ähnliche Ergebnisse aus anderen Quellen gibt. Des Weiteren sollte kontrolliert werden, ob Fachbegriffe richtig verwendet und Thesen richtig eingeordnet und belegt werden und auch die Datenbasis der Marktinformationen sollte, wenn möglich, überprüft werden (Seidler-de Alwis 2023, 482). Es wird deutlich, dass für gute Ergebnisse bei der Marktrecherche eine strukturierte Informationssuche in verschiedenen Quellen notwendig ist und die Suche nach Marktinformationen im Gründerteam koordiniert werden muss (Pioch 2016, 264). Die Überprüfung von Fakten und Quellen bei der Marktrecherche ist elementar und fällt umso leichter, je mehr Expertise bei den Gründern vorhanden ist. In einem datengetriebenen Zeitalter mit stetig wachsenden Informationsressourcen inklusive KI-Tools wird deutlich, wie wichtig ein strukturiertes Vorgehen ist und welche Bedeutung der Auswahl und Bewertung von Quellen bei der Marktrecherche zukommt, um die Richtigkeit und Objektivität der Ergebnisse sicherzustellen (Seidler-de Alwis 2023, 483).

3 Leitfaden für den Rechercheprozess bei Marktrecherchen – Untersuchungsbereiche im Marktrech...

Marktrecherchen finden zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Phasen statt. In jedem Fall tragen diese zur strategischen Frühaufklärung bei. Idealerweise findet die Marktrecherche schon bei der Ideenfindung statt, um auszuloten, ob die Gründungsidee nicht nur innovativ, sondern auch durchsetzbar und (ökonomisch) realisierbar ist. Sehr häufig findet hier keine konkret durchgeführte Marktrecherche durch die Gründer statt, weil sie vom neuen Produkt oder Dienstleistung so überzeugt sind und meinen den Markt zu kennen oder schon über längere Berufserfahrung in der Branche/Markt verfügen. In der Phase, in der Dritte wie Förderinstitutionen, Banken und Venture-Kapitalisten überzeugt werden müssen, werden strukturierte Marktrecherchen besonders wichtig, um die Daten und Fakten der Marktanalyse vor den Geldgebern zu präsentieren. Marktrecherchen sollten vor der Gründung als auch kontinuierlich danach durchgeführt werden, weil sie einen wichtigen Einfluss auf das Geschäftsmodell und den Businessplan haben und sich immer wieder kurzfristige Änderungen ergeben können (Pioch 2016, 226). Bei sachgemäßen Marktrecherchen geht es nicht darum, isolierte Kennzahlen zu beschaffen oder einzelne Wettbewerber zu analysieren und das „Bauchgefühl" abzusichern, sondern um ein umfassendes Marktverständnis vom Zielmarkt zu erlangen. Bei der Durchführung ist es wichtig, verlässliche und korrekte Informationsquellen zu kennen und zu nutzen, und entsprechend des Quellen-Mix auch unterschiedliche Recherchetechniken und Recherchetools anzuwenden. Eine Herausforderung sind kostenpflichtige Informationsquellen, die zumeist verlässliche und seriöse Informationen anbieten, aber recht teuer sein können und letztlich auch KI-Recherchetools, deren Ergebnisse in unterschiedlicher Weise zu überprüfen sind. Dazu bedarf es ausreichendes Wissen über diese vielfältigen Informationsquellen und deren Zugangsmöglichkeiten. Die Bereitschaft, Zeit und Geld nicht nur in Produktwissen, sondern auch in Marktrecherchen zu investieren, ist daher nicht zu unterschätzen.

Es wird deutlich, dass Marktrecherchen sehr komplex sind. Um diese möglichst effizient, strukturiert und umfassend durchführen zu können, werden die wichtigsten Untersuchungsfelder einer Marktrecherche, wie Marktgröße, Wettbewerb, Kundengruppen, Trends, makroökonomische Rahmendaten, Netzwerke & Experten, mit den entsprechenden Informationsquellen detailliert dargestellt.

3.1 Markt

Marktdaten wie Marktgröße und Marktentwicklung sind wichtig, um vor dem Markteintritt sicher zu sein, welches Marktpotenzial zu erwarten ist. Es gilt ein umfassendes Marktverständnis zu erlangen und nicht nur einzelne Kennzahlen zu beschaffen. Geldgeber wie Banken, Förderinstitutionen, VCs etc. sind bei der Finanzierung sehr zurückhaltend, wenn Marktdaten wie Marktgröße und Marktentwicklungspotenzial fehlen. In innovativen Märkten ist es nicht immer einfach, die Marktgröße zu bestimmen, hier gilt es, mit nachvollziehbaren Methoden und einem ergebnisorientierten Ansatz die Marktgröße zu berechnen. Dies kann ggf. auch das potenzielle Kundenvolumen (Anzahl/Kaufkraft) sein, von dem das Start-up „leben" kann. Marktgröße und Marktentwicklung können durch Befragungen und Erhebungen selbst ermittelt werden (Primärforschung) oder, was häufiger der Fall ist, durch Sekundärquellen. Verbände sind in der Regel eine gute und kostengünstige Quelle für Marktinformationen, da Deutschland über eine gute Verbandsstruktur verfügt. Informationen über einzelne Mitglieder (Unternehmen) sind kaum verfügbar, jedoch gute Informationen über Marktvolumen, Marktentwicklung, Trends etc. Wenn es unterschiedliche Daten zum Marktvolumen/Marktgröße gibt, liegt das daran, dass die Verbände den Gesamtumsatz ihrer Mitgliedsunternehmen als Marktvolumen ausweisen. Die Verbandsmitarbeiter verfügen über fundierte Branchenkenntnisse, die in Gesprächen und Interviews gut genutzt werden können. Ähnliches gilt für die Industrie- und Handelskammern. Darüber hinaus bieten Marktstudien und Branchenreports als Sekundärquellen umfassende und vergleichbare Marktdaten auf einen Blick und sind daher eine gute Informationsquelle. Kostenpflichtige Portale wie GENIOS (vorwiegend deutschsprachige Informationen) und Lexis Nexis (vorwiegend internationale Informationen) als auch FACTIVA von Dow Jones bieten einen einfachen elektronischen Zugang zu vielfältigen Fachzeitschriften und Presseinformationen als auch Marktdaten. Frost & Sullivan, Euromonitor, Mintel Reports und andere kostenpflichtige Datenbankanbieter bieten Marktdaten und Marktstudien zu einer Vielzahl von Industrien und Branchen. Statista ist eine gute Quelle für Marktinformationen in grafischer und tabellarischer Form, die als Vollversion in vielen Bibliotheken zugänglich ist. Sifted der FT ist eine spezifische Quelle für europäische Start-ups und bietet Marktstudien, Start-up Briefings, Newsletter etc. zu Schlüsselbereichen der Start-up Welt, verständlich und praxisnah aufbereitet.

Quellen: Verbände, IHKs, AHKs, Wirtschaftsinstitute, Marktstudien & Branchenreports, kostenpflichtige Portale wie z. B. GENIOS, Lexis Nexis, Sifted, FACTIVA, Gartner Group, Business Source Complete (EBSCO), Frost & Sullivan, Euromonitor, Mintel Reports, Statista, Sifted etc. mit Zugang zu Fachzeitschriften & Presse, Marktdaten & Marktstudien

3.2 Wettbewerb

Ein wichtiger Bereich der Marktrecherche ist die Analyse des Wettbewerbsumfelds. In einem sich ständig wandelnden Umfeld mit immer kürzeren Produktzyklen ist es elementar, über den Wettbewerb auf dem Laufenden zu sein. Der Wettbewerb sollte dahingehend analysiert werden, welche Position die einzelnen Unternehmen einnehmen, d. h. Stärken und Schwächen der Unternehmen zu ermitteln und daraus Alleinstellungsmerkmale abzuleiten, um daraus das eigene Marktpotenzial zu ermitteln. Auch wenn klar ist, dass es einen Markt für die Gründer gibt, ist es entscheidend zu wissen, ob es bereits Wettbewerber mit einem vergleichbaren Angebot in diesem Markt gibt, mit welchem Produktportfolio und wenn möglich, mit welchen Marktanteilen. Die Marktanteile der Wettbewerber geben Aufschluss über die Marktkonzentration. Handelt es sich um einen segmentierten Markt mit sehr unterschiedlichen Kundengruppen oder um einen fragmentierten Markt mit vielen Anbietern und geringen Markteintrittsbarrieren? Darüber hinaus kann die Analyse der Wettbewerber dazu dienen, die Strategien der Unternehmen und ihre Erlösmodelle zu identifizieren. Der Vergleich von Kennzahlen ist eine gute Möglichkeit, die Wettbewerber voneinander abzugrenzen und das mögliche Wachstumspotenzial des eigenen Start-ups abzuleiten. Unternehmensinformationen, darunter auch Finanzdaten, können kostenlos in den Geschäftsberichten der Unternehmen recherchiert werden. Da die Finanzdaten der Unternehmen (je nach Größe und Rechtsform) veröffentlichungspflichtig sind, können diese auch kostenfrei im Handelsregister des jeweiligen Landes oder unter www.unternehmensregister.de recherchiert werden. North Data zeigt Netzwerke und Verbindungen zwischen Unternehmen auf und stellt diese Informationen kostenlos zur Verfügung. North Data generiert die Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen mittels vollautomatischer Algorithmen ohne weitere Überprüfung. Diese Quellen bieten einen guten Einstieg in die Unternehmensrecherche. Detaillierte Unternehmensinformationen, die mehrfach geprüft wurden und auch überregionale und internationale Daten zur Verfügung stellen, können in verschiedenen kostenpflichtigen Datenbanken recherchiert werden. Wichtige Anbieter sind Moody's/Bureau van Dijk mit Datenbanken wie Orbis (weltweite Unternehmensinformationen) oder Markus (deutschlandweit mit Beteiligungsstrukturen) mit detaillierten Finanzdaten, Kennzahlen, M&A-Deals etc. für die letzten 10 Jahre. Moody's ergänzt diese Unternehmensinformationen um Branchen- und Marktinformationen. Ähnlich zuverlässige und detaillierte Unternehmensinformationen für den internationalen Markt bieten Capital IQ oder Dun & Bradstreet. In FACTIVA, LexisNexis/RELX und GENIOS können Unternehmensinformationen aus einer Vielzahl von nationalen und internationalen Presseerzeugnissen und Unternehmensdatenbanken übersichtlich und themengenau recherchiert werden.

Quellen: Geschäftsberichte der Unternehmen, Handelsregister bzw. Unternehmensregister.de, North Data, kostenpflichtige Firmendatenbanken wie Orbis oder Markus von Moody's/BvD, Capital IQ, Dun & Bradstreet, Lexis Nexis, GENIOS, FACTIVA etc.

3.3 Produkte & Dienstleistungen

Informationen über Produkte und Dienstleistungen sind für Gründer aus verschiedenen Gründen unerlässlich. Bevor Produkte und Dienstleistungen oder auch Prototypen von Gründern entwickelt werden, sollte möglichst frühzeitig durch eine Marktrecherche geprüft werden, ob diese Produkte oder Dienstleistungen in gleicher oder ähnlicher Form bereits auf dem Markt existieren und über welche Distributionskanäle sie vertrieben werden. Produktrecherchen sind auch sinnvoll, um technische Lösungen, Produktlebenszyklen oder Informationen über das Patentportfolio von Wettbewerbern zu recherchieren oder die Verletzung von Schutzrechten Dritter zu vermeiden. Dies kann durch Patentrecherchen in kostenpflichtigen und kostenfreien Datenbanken erfolgen. In den Datenbanken des DPMA (Deutsches Patent- und Markenamt) kann in DEPATISnet kostenfrei nach Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und Designs recherchiert werden. Welche Unternehmen welche Produkte und Dienstleistungen herstellen oder vertreiben, kann in verschiedenen Produktdatenbanken wie z. B. WLW.de (Wer liefert was?), Bedirect-online.de (B2B), check24.net etc. recherchiert werden. Wichtige (internationale) Messen wie z. B. Medica, Anuga, Hannover Messe u. a. haben „Start-up Areas" und liefern Informationen über neue Produkte und Dienstleistungen und deren Hersteller auf internationaler Ebene. Messekataloge sind ein hilfreicher Ersatz, wenn ein Messebesuch nicht möglich ist, und erlauben eine Suche nach verschiedenen Kriterien.

Quellen: DPMA (Deutsches Patent- und Markenamt), Produktdatenbanken (WLW, bedirect, check24 etc.), Messen, Messekataloge Online oder Hardcover (Bestellservice Messe Frankfurt, Köln Messe etc.)

3.4 Kunden/Zielgruppen

Im Rahmen der Marktforschung ist es wichtig, die Kundenbedürfnisse und das Nutzerverhalten zu antizipieren und zu wissen, wer die potenziellen Kunden und Nutzer sind, ob diese Gruppen groß genug sind und auch bereit sind, für die Produkte und Dienstleistungen so viel zu bezahlen, dass das Start-up erfolgreich am Markt agieren kann. Ein möglichst frühzeitiger Austausch mit potenziellen Kunden- und Zielgruppen und das Einholen von Kundenfeedback sollte ein ergebnisorientiertes Vorgehen unterstützen und zu konkreten Maßnahmen führen, damit die Produkte oder Dienstleistungen auch tatsächlich vom Markt angenommen werden. Kunden- und Nutzerbefragungen helfen, Anpassungen am Produkt oder der Dienstleistung vorzunehmen und das Marktpotenzial zu erhöhen. Kennzahlen zur regionalen Kaufkraft oder zum Konsumverhalten (kaufentscheidende Faktoren) sowie zu Preisen für verschiedene Warengruppen in unterschiedlichen Regionen liefern die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) oder AC Nielsen. Branchenverbände können wertvolle Informationen über Zielgruppen und deren Kaufverhalten sowie über mögliche Anbieter liefern. Darüber hinaus können sie ihre Mitgliederlisten zur Verfügung stellen, die als Kunden in Frage kommen und von den Start-ups befragt werden können. Verlässliche Statistiken, z. B. des Statistischen Bundesamtes (destatis.de) oder von Statista, eignen sich ebenfalls, um z. B. demografische oder sozioökonomische Daten der Zielgruppen zu erheben und auszuwerten.

Quellen: GfK, AC Nielsen, Branchenverbände, Statistisches Bundesamt (destatis.de), Statista

3.5 Trends & Technologien

Ein unverzichtbares und immer wiederkehrendes Thema in der Marktrecherche ist die Identifizierung von Trends in einem Markt. Das bedeutet, herauszufinden, welche aktuellen Trends und rechtlichen Veränderungen sich abzeichnen und welche gesellschaftlichen, politischen oder ökologischen Veränderungen sich ergeben. Trends werden häufig mit neuen oder disruptiven Technologien gleichgesetzt. Diese sind in der Tat wichtig, da sie Märkte völlig verändern können. Aber auch politische, gesellschaftliche und ökologische Trends führen zu Umbrüchen in Märkten und Branchen. Neben neuen Technologien, die in der Wissenschaft und am Markt erforscht werden, ist es wichtig zu analysieren, welche unterschiedlichen Technologien von Wettbewerbern eingesetzt und genutzt werden. Prognosen zur Entwicklung von Märkten oder einzelnen Produkten lassen sich gut bei Marktforschungsinstituten oder in Marktstudien von spezialisierten Anbietern wie CB Insights, EMIS, Euromonitor, Fitch Connect, Frost & Sullivan oder der Gartner Group recherchieren. Diese Prognosedaten sind in der Regel kostenpflichtig, aber auch sehr zuverlässig. Forschungsinstitute und auch das Zukunftsinstitut bieten auf ihren Webseiten kostengünstige Informationen und Berichte zu verschiedenen Trends und neuen Technologien an. Auch Branchenverbände veröffentlichen auf ihren Internetseiten Berichte zu Trends und Technologien ihrer jeweiligen Branche.

Quellen: Verbände, Forschungsinstitute, wie z. B. Fraunhofer Institute, Max-Planck-Institute, Helmholtz Gesellschaften, Marktforschungsinstitute etc.

3.6 Gesamtwirtschaftliche Rahmendaten

Gründer sind oft neuen Rahmenbedingungen ausgesetzt, die in den Gründungs- und Marktforschungsprozess einbezogen werden müssen. Gesamtwirtschaftliche und makroökonomische Daten bieten eine Grundlage für die sachgemäßen Entscheidungen. Für eine erfolgreiche Unternehmensgründung sind aktuelle und verlässliche makroökonomische Daten von großer Bedeutung, da sie als wesentliche Entscheidungsvariablen dienen. Die verschiedenen Wirtschaftsinstitute in Deutschland, wie z. B. das IW-Institut der deutschen Wirtschaft, das DIW-Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, das ZEW-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, das IfW-Institut für Weltwirtschaft und das Ifo-Institut, sind neutrale Institutionen und bieten verlässliche und umfassende Zahlen, Fakten und Berichte zur Konjunktur sowie Prognosen zu einzelnen Branchen. Diese öffentlichen Einrichtungen forschen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik und unterhalten umfangreiche Bibliotheken und Webseiten zu diesen Themen, die in der Regel kostenfrei genutzt werden können. Das virtuelle, nicht-kommerzielle Fachportal EconBiz (Herausgeber: Zentrale Bibliothek für Wirtschaftswissenschaften) bietet umfangreiche Fachinformationen und Forschungspublikationen zu den Wirtschaftswissenschaften. Das Open-Source-Rechercheportal erlaubt präzise und komplexe Recherchen parallel in Internetquellen, Online-Katalogen und Volltexten. Verlässliche nationale und internationale Organisationen bieten verschiedene makroökonomische Rahmendaten für mehrere Jahre und verschiedene Länder an. Die OECD (OECD iLibrary) bietet aggregierte und verlässliche Daten und Fakten für die OECD-Staaten. Unterorganisationen der UN (United Nations) wie ILO, WHO, IEA etc. sind gute Quellen für aggregierte makroökonomische Daten zu verschiedenen Themenbereichen. Gesamtwirtschaftliche Rahmendaten als statistische Informationen aufbereitet finden sich in Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (destatis.de) sowie der GTAI (Germany Trade and Invest). Kostspielig, aber qualitativ hochwertige volkswirtschaftliche Prognosen und Risiko-analyseberichte für verschiedene Länder und Industrien können bei der EIU – Economist Intelligence Unit bezogen werden.

Quellen: Wirtschaftsinstitute (IW, DIW, ZEW, IFO, IfW), EconBiz (ZBW), Nationale und internationale Organisationen (OECD/OECD iLibrary, UN, u. a.), Statistiken: Erhebungen des Statistisches Bundesamt, GTAI (Germany Trade & Invest), EIU Publikationen

3.7 Experten

Ein großes Netzwerk und die Kenntnis von Experten aus verschiedenen Bereichen helfen den Gründern bei der Marktrecherche und anderen Entscheidungsprozessen. Experten können bei der Befragung zu Nutzungspotenzialen und bei der Durchführung von Interviews mit dem Ziel, unterschiedliche Expertenmeinungen zu bündeln, eine große Hilfe sein. Ein gutes Netzwerk hilft insbesondere in Situationen, in denen mit begrenztem Wissen und unvollständigen und schwer zu recherchierenden Informationen, wie z. B. fehlenden Marktzahlen, gearbeitet werden muss. Neutrale Fachleute, wie z. B. Wissenschaftler oder Mitarbeiter von öffentlichen Institutionen und Organisationen, können eine wertvolle Quelle für ökonomische, technische und andere herausfordernde Fragen sein. Es ist hilfreich, diese Kontakte zu Institutionen und Personen frühzeitig aufzubauen und sich aktiv in bestimmten Social Media Plattformen, wie z. B. LinkedIn, zu engagieren. Auch die Mitgliedschaft in Branchen- und anderen Verbänden kann bei der Informationsbeschaffung hilfreich sein. Eine gute Unterstützung bei der Marktrecherche ist der Besuch von Fachmessen und passenden Tagungen und Konferenzen. Hier treffen sich Branchenvertreter und zahlreiche Experten und es besteht die Möglichkeit, aktuelle und noch nicht veröffentlichte Informationen auszutauschen. Bei Bedarf an hochwertigem Expertenwissen können auch kostenintensive externe Expertennetzwerke (EENs) hinzugezogen werden. EENs sind Unternehmen, die Experten zu allen denkbaren Themen und Fragestellungen identifizieren und vermitteln. Es gibt die Möglichkeit, Einzelinterviews als auch eine höhere Anzahl von Interviews zu buchen. Ein einstündiges Interview kostet durchschnittlich zwischen 1000 und 1500 Euro. Die Preise variieren je nach Seniorität der Experten, Komplexität der Fragestellung und Anzahl der durchzuführenden Interviews. Der große Vorteil bei der Nutzung von EENs ist, dass eine sehr konkrete Einschätzung zu einer sehr spezifischen Fragestellung von hochqualifizierten Experten beantwortet wird.

Quellen: Verbände, LinkedIn, Messen, Tagungen, Konferenzen, EEN (AlphaSights, Capvision, GLG etc.)

4 Fazit

Es wird deutlich, dass für Unternehmensgründer ein solides Marktverständnis und damit die Marktrecherche einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann. Der Prozess der Marktrecherche weist eine gewisse Komplexität auf, weshalb eine entsprechende Hilfestellung bei der Marktrecherche notwendig ist, wie im Leitfaden zur Marktrecherche ausgeführt. Marktrecherchen sollten sich am Geschäftsmodell des Gründungsvorhabens orientieren und regelmäßig wiederholt werden. Entscheidungen sollten nicht aufgrund von Unsicherheit und Unzuverlässigkeit von Informationen und Informationsquellen getroffen werden. Diese Aufgabe erfordert nicht nur Branchenkenntnisse des jeweiligen Marktes, sondern auch Kompetenzen in den korrespondierenden Bereichen Informationsbedarf und Informationsbeschaffung sowie in der Auswahl, Einschätzung und Bewertung der Seriosität von Quellen. Es ist ratsam, Informationen aus mehreren Quellen zu beziehen und über ein breites Netzwerk an Kontakten zu verfügen. Für die Marktrecherche ist nicht nur die Vielfalt der Quellen wichtig, sondern auch die Konsistenz der Daten und die richtige Analyse der Daten. Unterschiedliche Quellen erfordern unterschiedliche Recherchetechniken, Kommunikationsfähigkeiten und Know-how. Gründer müssen bereit sein, nicht nur in die Produktentwicklung, sondern auch in die Marktforschung zu investieren. Dazu gehört auch die Bereitschaft, kostenpflichtige Informationsquellen zu lizenzieren oder zu erwerben. Grundsätzlich ist es sinnvoll, als Gründer selbst Marktrecherchen durchzuführen, um die eigene Informationskompetenz und Quellenkenntnis zu erweitern. Es kann jedoch Situationen geben, in denen es wirtschaftlicher und effizienter ist, auf Informationsspezialisten wie Patentrechercheure zurückzugreifen, die ihre Dienstleistungen auf freiberuflicher Basis anbieten.

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By Ragna Seidler-de Alwis

Reported by Author

Prof. Ragna Seidler-de Alwis

Titel:
Marktrecherchen und Informationsrechercheleitfaden für Start-ups (in Deutschland).
Autor/in / Beteiligte Person: Seidler-de Alwis, Ragna
Link:
Zeitschrift: Information -- Wissenschaft und Praxis, Jg. 75 (2024-05-01), Heft 2/3, S. 116-125
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: academicJournal
ISSN: 1434-4653 (print)
DOI: 10.1515/iwp-2024-2004
Schlagwort:
  • COLLEGE environment
  • NEW business enterprises
  • MARKETING research
  • ACADEMIC libraries
  • INFORMATION resources
  • GERMANY
  • Subjects: COLLEGE environment NEW business enterprises MARKETING research ACADEMIC libraries INFORMATION resources
  • company foundation
  • guide
  • market research
  • research
  • start-up
  • Information
  • Leitfaden
  • Marktrecherche
  • Recherche
  • Start-up
  • Unternehmensgründung
  • étude de marché
  • création d'entreprise
  • recherche Language of Keywords: English; German; French
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Market research and information research guide for start-ups (in Germany). ; Recherche de marché et guide de recherche d'informations pour les start-ups (en Allemagne).
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Author Affiliations: 1 = TH Köln, Institut für Informationswissenschaft, Gustav-Heinemann-Ufer 54 50968 Köln, Deutschland
  • Full Text Word Count: 5689

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