Im Tal der Rhône konzentriert sich geballtes Wissen um das traditionelle französische Konditorenhandwerk – von der Patisserie bis zur Akademie.
Text: Florentine Hübscher
Die kleine Kapelle St. Christophe steht auf dem Hügel Hermitage mit Blick über das Rhônetal, der bis zum Ardèche-Gebirge und zu den Voralpen reicht. Unschwer zu erkennen, lebt die Gegend im Wesentlichen von der Weinerzeugung, zunehmend aber auch vom Tourismus. Tain-l'Hermitage liegt 80 Kilometer südlich von Lyon und ist das Zentrum des Obstanbaus im Rhônetal. Als „Obstkorb Frankreichs" wird die Region Auvergne-Rhône-Alpes von Einheimischen mit liebevollem Stolz betitelt.
Die Einwohner der Gemeinde achten bei dem, was sie zu sich nehmen, auf die Verwendung lokaler Produkte, weiß Patissier Gaetan Chalencon, der gemeinsam mit seiner Frau Laetitia die nach ihnen
benannte Patisserie direkt an der Hauptstraße von Tain-l'Hermitage eröffnet hat. Die beiden 31-Jährigen feierten im März das dreijährige Bestehen ihres Betriebs. Dort stellt ein fünfköpfiges Produktionsteam Entremets, Pralinen und Süßwaren wie Pâtes de Fruits und Guimauve (Marshmallows) her. Letztere zählen zu Chalencons Signature-Produkten. „'Le Galet Tainois' sind Vanille-Marshmallows mit einem Kern aus Nuss-Praliné. Abgesetzt auf einem Schokoladen-Sablé und überzogen mit Vollmilch- oder Zartbitterschokolade – einer unserer Bestseller", so Gaetan Chalencon.
Beim Betreten seines Verkaufsraums in der Avenue Jean Jaurès sticht besonders eine Farbe ins Auge: Pink. Nicht nur das Logo, die Torten und Macarons – in der Theke wie auch als Foto an der Wand – fallen dabei ins Auge, sondern auch die Brioches. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein passend zur Firmenfarbe entwickeltes Produkt, sondern um einen Klassiker der Region. „Brioche Saint-Genix" erhalten ihre rötlich-pinke Färbung durch die in Frankreich bekannten „Pralines Roses de Lyon". Diese Lyoner Spezialität – in farbigem Zucker gebrannte Mandeln – wurde vor mehreren Jahrhunderten erfunden. Heutzutage ist die lokale Süßigkeit in beinahe jeder Konditorei zu finden. Angesichts der Begeisterung der Franzosen für diese Zuckermandeln werden sie häufig auch in anderen Gebäcken wie etwa Kuchen und Croissants verwendet.
Talentschmiede in der École
„Der Wein, die Früchte aus dem Rhônetal und die Schokolade von Valrhona", ist Chalencons spontane Antwort auf die Frage nach den Besonderheiten seiner Heimatgemeinde Tain l'Hermitages. Sie ist der Geburtsort des bekannten Schokoladenherstellers. Zur Erweiterung der Expertise wurde dort vor 35 Jahren die Valrhona École gegründet. Sie hat sich das Ziel gesetzt, gesammeltes Know-how weiterzugeben und die Talente von Genusshandwerkern aus aller Welt zu fördern. Auch die Partnerschaft mit dem örtlichen „Lycée Hôtelier de Tain" sowie das Angebot einer speziellen Ausbildung im Bereich Schokolade sollen daran anknüpfen.
Philippe Givre (
In der École arbeiten zwölf Konditorinnen und Konditoren und geben 40 bis 45 meist mehrtägige Seminare im Jahr. Besonders beliebt sind dabei die Kurse über Pralinen und zum Basiswissen bezüglich der technologischen Eigenschaften der Rohstoffe.
„In den Workshops geht es aber auch darum, entspannter ans Backen und Kreieren heranzugehen. Mit mehr Freiheit als im Betrieb", sagt Givre. „Wenn wir hier Rezepte kreieren, lassen wir uns von den Zutaten inspirieren. Ich liebe es aber auch, mich von Dingen außerhalb der Patisseriewelt anregen zu lassen. Etwa durch Museen, Architektur, Magazine, Autos und Design. Beim Reisen versuche ich, die Trends wahrzunehmen." Dabei seien gerade die Rohstoffe ausschlaggebend für die Unterschiede in den Kreationen. Im Mittleren Osten und in den USA etwa sei tendenziell alles süßer. „Hier in Europa lieben wir dunkle Schokolade, das ist dort eher nicht so. Manchmal müssen wir auch akzeptieren, dass einige Rezepte nur in bestimmten Regionen funktionieren."
Chamäleons statt Hasen zu Ostern
Schokolade wird auch im „La Maison Guillet", 20 Autominuten östlich von Tain-l'Hermitage, groß geschrieben. Vom Produktionsstandort in Romans-sur-Isère, einer Gemeinde an einem Nebenfluss der Rhône, gehen Schokoladenerzeugnisse, Patisserie und Speiseeis raus in die nahen Verkaufsstellen sowie in weitere
Boutiquen in Romans und ins benachbarte Valence.
Zu besonderen Anlässen wie Weihnachten und Ostern lassen sich die Patissiers immer neue Schokoladenfiguren einfallen, um die Kundschaft zu überraschen. Die Kreationen reichen über einfarbige Hohlkörperfiguren bis hin zu bunten, gefüllten Mini-Schaustücken, etwa inspiriert vom Regenwald, Disney-Charakteren und Superhelden.
In der warmen Jahreszeit werden diese von der Glacerie abgelöst. Neben dem Straßenverkauf und abgefüllten Bechern sind auch „Cassolette de sorbets" Teil des Sortiments. Dafür werden Krokantschalen mit Vanille-Parfait gefüllt und mit Sorbetkugeln getoppt. Guillets Ziel, so sagt er, sei vor allem, sich für den Erhalt des traditionellen französischen Patisserie-Know-hows einzusetzen.
florentine.huebscher@dfv.de
PHOTO (COLOR): Fotos: Betriebe, Valrhona, Lise Vezirian, Anne Fashauer Photographe Culinaire Süße Sinfonie: Macaron mit frischen Himbeeren. Erkennungsmerkmal: Pink ist die Farbe von Chalencon. 1 In der Patisserie: Gaetan Chalencon 2 Im Verkauf: Laetitia Chalencon Bestseller: Marshmallow-Spezialität mit Praliné-Kern. Saisonal: Zur Erdbeerzeit bietet Chalencon diverse Variationen. 1 Die École: viel Raum für Austausch und Kreativität. 2 Know-how: Workshops mit und von Chef-Patissiers. 3 Verantwortlich: Philippe Givre 1 Süße Grüße aus dem Regenwald – Chamäleon aus Schokolade mit Nuss im Bauch. 2 On Top: Sorbetkügelchen auf Parfait bei der Cassolette de sorbets. 3 La Fabrique: Guillets Produktionsstandort in Romans-sur-Isère.
Chalencon
- 72 Avenue Jean Jaurès,
- 26600 Tain l'Hermitage
l'École Valrhona
8 Quai du Général de Gaulle, 26600 Tain-l'Hermitage
Maison Guillet
- 78 place Jean Jaurès,
- 26100 Romans sur Isère