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So geht Markenaufbau auf Amazon.

Hell, Text Matthias
In: Werben und Verkaufen, 2024-05-29, S. 24-29
Online serialPeriodical

So geht Markenaufbau auf Amazon 

Zwar ist Amazon nach wie vor eine Verkaufsplattform, aber die Möglichkeiten für Branding wurden immer stärker ausgeweitet. Marken wie Nespresso, Snocks oder Tonies zeigen, wie sich Amazon als Teil einer Brand-Building-Strategie nutzen lässt.

Selbst Topmarken, die Amazon lange kritisch gegenüberstanden, haben inzwischen eingesehen, dass an dem weltgrößten Onlinehändler kein Weg vorbeiführt – als Verkaufsmaschine und mit seiner Kundenreichweite ist Amazon ungeschlagen. Doch geht es um Themen wie Brand Building, Markenführung und Kundenpflege, überwiegt weiterhin die Skepsis. Jan Bechler, Co-Gründer und Geschäftsführer der E-Commerce- und Marketingagentur Front Row Germany, findet das nachvollziehbar: „Amazon hat sich seine Position bei den Kunden zu einem ganz großen Teil durch Bedarfsdeckung erarbeitet – und eben nicht durch Bedarfsweckung."

Amazon punktet mit seiner Größe

Trotzdem rät Bechler, der mit seiner Agentur viele bekannte Brands betreut, Amazon auch aus Markensicht nicht zu vernachlässigen. Denn die Plattform sei nun einmal so groß, dass sie trotz aller Einschränkungen Marken viele Möglichkeiten biete, sich den Kunden zu präsentieren. „Dazu zählt an oberster Stelle die Amazon Brand Registry", sagt der Agenturchef und erklärt: „Indem sich Marken hier anmelden, können sie ausschließen, dass ihre Brand und ihre Produkte auf dem Amazon Marketplace von Drittanbietern in einer nicht CI-konformen Weise genutzt werden. Deshalb sollten auch Marken, die nicht selbst auf Amazon verkaufen, diesen Service nutzen."

Für alle Brands, die aktiv mit ihren Produkten auf Amazon vertreten sind, zählt Jan Bechler außerdem die Nutzung von Amazon Advertising und die Teilnahme an den Deal-Events der Plattform zu den Basics in Sachen Markenführung. „Alleine mit organischen Listings erzielt man heute keine Sichtbarkeit mehr auf Amazon", erklärt der E-Commerce-Experte. Mit CPC-basierten Formaten wie „Sponsored Product" und „Sponsored Brand" habe Amazon Werbemöglichkeiten geschaffen, die für die Markenwahrnehmung unverzichtbar seien. Und mit seinen Verkaufsevents wie Prime Day und Black Friday erziele der Onlinehändler riesige Reichweiten, die auch Brands gut nutzen könnten.

Die Möglichkeiten für Brands wachsen

Neben diesen grundlegenden Funktionen hat Amazon in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten für Brands weiter ausgebaut. „Dazu zählen vor allem die Gestaltungsoptionen der Produktdetailseiten und der Brand Stores", erzählt Jan Bechler. Während Amazon früher darauf setzte, alle Bereiche seines Onlineshops im gleichen, nüchternen Nutzer-Interface darzustellen, gibt es inzwischen hinter der Storefront des Onlinehändlers eine muntere Vielfalt an gestalterischen Variationen. Wer als Amazon-Partner die Funktion „A+ Content" nutzt, kann seine Store- und Produktseiten mit Bildern, Videos und vielen weiteren visuellen Gestaltungselementen anreichern und damit den Look and Feel der eigenen Marke auch auf Amazon umsetzen.

Für Brands, die sich auf der Plattform noch sichtbarer präsentieren wollen, hat Amazon zudem das Format Prime-Video-Ads entwickelt. „Damit lassen sich im Amazon-Ökosystem per Programmatic Advertising Spots schalten, die auf Basis von Kaufdaten sehr spezifisch getargetet werden können und die Nutzer direkt auf die Produktdetailseiten leiten", so der Front-Row-Deutschland-Chef. Trotzdem reicht Amazon mit diesen Möglichkeiten bei weitem nicht an Social-Media-Plattformen heran und insbesondere nicht an Tiktok, das mit seiner in den USA bereits verfügbaren E-Commerce-Funktion Tiktok Shop bis Ende 2024 auch nach Deutschland drängt.

Dass Amazon diesen Wettbewerb aufmerksam beobachtet und nicht vorhat, sich so einfach geschlagen zu geben, lässt sich daran erkennen, dass der weltgrößte Onlinehändler nun selbst verstärkt an der Verknüpfung von Bewegtbild und E-Commerce arbeitet. Unter anderem hat Amazon im Frühjahr 2024 in den USA einen Shoppingkanal bei Prime Video gestartet, auf dem Prominente und Influencer Produkte und Brands bewerben. Mit solchen Formaten könnte es Amazon gelingen, seine bisherige Schwäche im Bereich Inspiration zu überwinden, meint Agenturgründer Jan Bechler.

Ein gutes Beispiel für eine Top-Brand, die sich nach langer Zurückhaltung schließlich doch für die Präsenz auf Amazon entschließt, ist Nespresso. Die bereits Mitte der 1980er Jahre vom Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé auf den Markt gebrachte Direct-to-Consumer-Marke war auf Amazon nur mit ihren Kaffeemaschinenpartnern wie Krups und Delonghi vertreten, nicht aber mit den Kaffeekapseln. „Doch wir haben festgestellt, dass es Nespresso-Kapseln eigentlich schon auf Amazon gab, nur nicht durch uns angeboten und nicht mit dem Content und den Preisen, die Nespresso widerspiegeln", erzählt Daniel Lentz, der als Key-Account-Manager für Nestlé Nespresso das Plattformgeschäft betreut. „Aber wir stehen nun einmal für Customer Experience, für hohe Qualität und für Convenience, und das war ein Kernpunkt, warum wir uns schließlich dafür entschieden haben, auf Amazon auch selbst live zu sein." Ein Vorteil war dabei, dass Nespresso bereits in der Amazon Brand Registry angemeldet war und so die Hoheit über die Marke und die Produkte besaß.

Was die Bewerbung der nun nach den Ansprüchen der Marke gestalteten Amazon-Seiten betrifft, konnte Nespresso zumindest teilweise auf die bereits vorhandenen Erfahrungen aus dem Kaffeemaschinengeschäft zurückgreifen. „Beim Maschinenbereich haben wir schon das komplette Amazon-Advertising-Portfolio getestet. Das ist sinnvoll, weil Kaffee fast jeden in Deutschland interessiert. Und das spiegelt sich auch auf Amazon wider, so dass wir hier sehr viele Kunden erreichen können", erklärt Daniel Lentz. Für Nespresso als Kaffeekapselmarke sei es dagegen nicht nötig, das Marketingspektrum so breit aufzuspannen. „Ein Kunde muss natürlich erst eine Nespresso-Maschine haben, sonst bringt es nicht viel, ihn mit Nespresso-Kapseln anzusprechen. Deswegen gehen wir hier auf Amazon mehr in den Lower Funnel, damit wir dann für den Kunden da sind, wenn er nach Nespresso-Kapseln sucht", erklärt der Key Account Manager der D2C-Marke.

Snocks will über Amazon Aufmerksamkeit generieren

Ein Gegenbeispiel ist Snocks. Als die D2C-Brand für Socken und Unterwäsche 2016 an den Markt ging, stellte Amazon den ersten Verkaufskanal für das Start-up dar. Co-Gründer Johannes Kliesch merkte schnell, dass sich über die E-Commerce-Plattform auch Markenaufbau betreiben lässt. „Wir haben unsere Marke dort im ersten Punkt über die Visualität aufgebaut, dadurch, dass unsere Listings von Anfang an sehr gut aussahen, mit Bildern und mit Videos hinterlegt waren", erzählt der Mannheimer Unternehmer. „Das Zweite, was wir bei Amazon für die Marke gemacht haben, ist brutaler Kundenservice. Branding ist eben auch, wenn Leute auf ihre Anfragen innerhalb von zwei Stunden eine Antwort bekommen. Wenn man so einen Kundenservice über mehrere Jahre aufrechterhält, dann hat man mit der Zeit eine Community von Leuten, die von einem begeistert sind."

Neben solchen im weiteren Sinne organischen Strategien des Markenaufbaus setzt Snocks auch immer wieder auf aufmerksamkeitsstarke Kampagnen auf Amazon. So zählte die D2C-Brand zu den ersten Unternehmen, das das Hauptbanner auf der deutschen Startseite des Onlineshops buchte oder Werbespots während der Übertragung von Champions-League-Fußballspielen auf Prime Video schaltete. „Keine andere D2C-Marke unserer Größe hatte bis dahin so einen Spot geschaltet", sagt Johannes Kliesch. Der Erfolg der Maßnahme ließ sich durchaus sehen: In der Stunde nach Ausstrahlung des Spots hatte Snocks 55 Prozent mehr Umsatz auf Shopify und 58 Prozent mehr Umsatz auf Amazon.

Und auch darüber hinaus ergaben Kundenbefragungen, dass viele Besteller erst durch das Werbevideo auf die Marke aufmerksam geworden waren. Die große Frage ist allerdings, wie nachhaltig solche isolierten Maßnahmen auf die Brand einzahlen. Snocks-Gründer Kliesch bleibt dabei realistisch: „Es ist nicht so, dass Leute mit ihren Freunden über eine Marke reden, nur weil sie ein cooles Sponsored Video gesehen haben." An den Effekt einer aufmerksamkeitsstarken Prominenten- oder Influencer-Kooperation reichten die Maßnahmen auf Amazon deshalb nicht heran.

Natsana setzt auf das perfekte Listing

Für viele Marken dürfte die per Amazon-Marketing erzielbare kurzfristige Wirkung aber bereits ausreichend sein, wenn es darum geht, sich innerhalb eines umkämpften Segments mit einem positiven Image und einem guten Trust-Faktor vom Wettbewerb abzusetzen. Ein Beispiel sind die zur Bayer-Tochter Natsana gehörenden Nahrungsergänzungsmittelmarken Nature Love, Feel Natural und Natural Elements. Auf Amazon – und nicht nur dort – boomt das Segment, doch nur wenigen Anbietern gelingt es, sich dabei als Markenanbieter zu positionieren. Bewusst hat Natsana deshalb mit Sebastian Mikuska einen ehemaligen Amazon-Mitarbeiter als Senior Director Marketplaces eingestellt. „Die Herausforderung ist, dass man auf Amazon Kunden innerhalb von wenigen Millisekunden überzeugen muss", erklärt der Marktplatzspezialist. Ein entscheidender Schritt dafür sei, dass Natsana sämtliche Amazon-Listings noch einmal überarbeitet habe. „Wir nennen das Projekt intern ‚das perfekte Listing' und wollen damit die Kundenloyalität stärken", so der Marketplace-Director.

Das perfekte Amazon-Listing besteht demzufolge aus einer Vielzahl an Facetten. Sebastian Mikuska: „Einer der wichtigsten Punkte sind die Reviews. Die Kundenbewertungen entsprechen auf Amazon dem Marketing per Word of Mouth – und was erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit besser, als wenn mir ein Freund ein Produkt empfiehlt?"

Ein sehr gutes Werkzeug zur Kundenbindung sind auf Amazon seiner Meinung nach zudem die in der Plattform enthaltenen Abo-Funktionen. Außerdem setzt er darauf, die Amazon-Stores von Nature Love, Feel Natural und Natural Elements so weit wie möglich an die Bedürfnisse der Marken anzupassen, zum Beispiel mit speziellen Filterfunktionen.

Tonies nutzt Amazon für die Internationalisierung

Ein weiterer Kontext, in dem Amazon dem Markenaufbau dienen kann, ist die Internationalisierung einer Marke. Die in Deutschland bereits etablierte KinderaudioplattformTonies setzt wie viele andere Brands für die Auslandsexpansion auf den Amazon Marketplace als reichweitenund leistungsstarke Plattform. Doch um die gewünschten Verkaufszahlen zu erreichen, muss Tonies die Kunden in den neuen Märkten erst von einem Produkt überzeugen, das es dort so zuvor nicht gab. „Amazon ist wie das Schaufenster von einem Geschäft mit täglich vielen Millionen Neukunden. Daher ist unsere Markenpräsentation auf Amazon so wichtig für den Aufbau von Kundenvertrauen und -loyalität", erklärt Tova Sinclair, European Marketplace Director von Tonies.

Die Britin, die ebenfalls zuvor für Amazon gearbeitet hat, betrachtet die Produktdetailseiten als eine Art digitales Verkaufsgespräch und den Brand Store als eine Plattform, um das Markenerleben zu formen. „Amazon bietet viele nützliche Features und Tools, die uns dafür die nötigen Insights liefern", sagt Sinclair. Setze man zudem mit passenden Ads die richtigen Impulse, biete der Kanal Amazon große Chancen für die Marke.

Graph: Foto: Gorobets / Shutterstock /W&V

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Graph: Die Brand Stores von Nespresso (oben)

Graph: der Natsana- Marke Natural Elements (unten) zeigen, wie viel Raum Amazon Marken inzwischen für die Inszenierung lässt. Nespresso nutzt das, um sein Premium-Image zu unterstreichen, Natural Elements, um umfassende Auswahl- und Filtermöglichkeiten zu bieten.Fotos: Frontrow; Amazon Fotos: Frontrow; Amazon

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Graph: Snocks schaltete als eine der ersten Amazon-Marken Werbespots auf Prime Video – mit positiven Effekten für die Brand.

Graph: Tonies nutzt Amazon für die Expansion u.a. in die USA. Nutzerbewertungen schaffen dabei Vertrauen und Rabatte sorgen für Kaufanreize.

Graph: Fotos: Natsana; Snocks; Tonies

»Amazon war lange Zeit beim Brand Building eher schwach. Doch hat man gemerkt, dass man hier gegensteuern muss, da sonst andere Player in Vorteil geraten. Inzwischen gibt es auf Amazon viele Tools und Features für Marken.« Jan Bechler | Front Row Germany

»Die Herausforderung ist, dass man auf Amazon Kunden innerhalb von wenigen Millisekunden überzeugen muss.« Sebastian Mikuska | Natsana

»Amazon ist wie das Schaufenster von einem Geschäft mit täglich vielen Millionen Neukunden. Daher ist unsere Markenpräsentation dort so wichtig für das Kundenvertrauen und die Loyalität.« Tova Sinclair | Tonies

By Text Matthias Hell

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Titel:
So geht Markenaufbau auf Amazon.
Autor/in / Beteiligte Person: Hell, Text Matthias
Zeitschrift: Werben und Verkaufen, 2024-05-29, S. 24-29
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0042-9538 (print)
Schlagwort:
  • AMAZON.COM Inc.
  • SOCIAL media
  • BRANDING (Marketing)
  • HOUSE brands
  • PRODUCT design
  • PRODUCT management
  • ELECTRONIC commerce
  • Subjects: AMAZON.COM Inc. SOCIAL media BRANDING (Marketing) HOUSE brands PRODUCT design PRODUCT management ELECTRONIC commerce
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 1753

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