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In: KOCA, 2024-06-15, Heft 6/7, S. 40-43
Online serialPeriodical

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Hier wird gebacken, dort serviert – wie Aurèle Uter in Lübecks ältester Straße der Spagat gelingt.

Text: Florentine Hübscher

Kopfsteinpflaster, Backsteinhäuser und feiner Nieselregen – so heißt die Fleischhauerstraße, eine der ältesten Straßen in Lübeck, ihre Besucher zumeist willkommen. Im Johannis-Quartier gelegen, bietet die Einkaufsstraße eine Fülle an Manufakturen, Galerien und kleinen Fachgeschäften. Die Welt dort scheint noch in Ordnung zu sein. Obwohl der Denkmalschutz maßgeblich zum historischen Ambiente beiträgt, ist er es auch, der ansässigen Mietern und Ladeninhabern einiges an Kreativität abverlangt. Letztere beweist Konditormeister Aurèle Uter (34) neben seiner Berufswahl auch mit der Belegung gleich dreier Ladenlokale in der „Fleischhauer".

Das Café mit der Nummer 62 – blassgrüne Fassade, als Denkmal geschützt – war das erste im Bunde. Und: „Von Anfang an eigentlich zu klein, muss man rückblickend sagen. Die Backstube hatte damals acht Quadratmeter. Ich habe den Backofen aufbocken lassen, damit das Band von der Ausrollmaschine darunter langlaufen kann", beschreibt der 34-Jährige die Anfangszeit seiner Konditoreibar. Aber: „Das war halt die Größe, die ich mir damals zugetraut habe."

Transparenz in Backstube und Küche

Nach der Gründung 2019 und Eröffnung im Mai 2020, während der Pandemie, kam die nächste Immobilie bereits im zweiten Lockdown dazu. Heute befinden sich im Haus Nummer 60, also gleich nebenan, das Lager mit Kühlschränken und Frostern sowie die Personalräume. In der Nummer 62 wird nicht mehr gebacken. Die Schaubackstube ist dort gegen eine Schauküche ausgetauscht worden, in der ganztägig Frühstück und ein wechselndes Mittagsangebot bestellt werden können.

Wer nicht nur beim Kochen, sondern auch Backen auf zuschauen möchte, tut dies schräg gegenüber im Haus Nummer 59. Täglich werden dort in der Schaubackstube mit zehn Sitzplätzen Sauerteigbrote, Brötchen, Käsekuchen, Tartes, Törtchen und Torten produziert und dann zur Verkaufstheke und dem Außerhausverkauf in die 62 rübergebracht. „Es hat sich eher ergeben, alles aufzusplitten, statt nach einem großen Standort zu suchen. Generell ist die Konditoreibar hier sehr gut gewachsen", so Uter. „Es haben auch noch weitere Gastrobetriebe in der Straße eröffnet, sodass es hier ein bisschen zum Food Court geworden ist. Mit den beiden Straßenseiten haben wir jetzt auch eine gute Terrassengröße erreicht. Je nach Kundenwunsch ist auf einer Seite immer Sonne und auf der anderen immer Schatten. Dass es drei Läden sind, ist also eigentlich falsch. Es ist eher ein Laden, der sich auf drei Gebäude erstreckt", erklärt er einfach, was kompliziert erscheint.

Bitte keine Rüschen oder nur Bananenbrot

Kompliziert wird es eventuell beim Bestellen der gekühlten wie warmen Kreationen aus dem Hause Uter. Getreu der geografischen Lage Lübecks imNorden Deutschlands kann die Kundschaft „Koffje", oder ein „besünners Heetgetränk" bestellen. Und hinter den „Koolt-Klassikern" verbergen sich die eisgekühlten Pendants zu den beliebtesten Desserttörtchen wie „Johann" mit Schokolade und Cassis oder Lemon Curd und der Brownie-riegel „Dicker Belgier".

Ursprüngliches Motiv für das Konzept der Konditoreibar Uter sei der Wunsch gewesen, Zweierlei miteinander zu verbinden: „Wenn ich mit Freunden oder Kollegen Kuchen essen gehen wollte, hatten wir nur die Wahl zwischen alteingesessenen Läden mit Rüschen, die natürlich ihre Daseinsberechtigung haben, in denen wir uns aber nicht wirklich wohlfühlten. Oder aber passende Locations, in denen es aber nur Bananenbrot oder Brownies gab. Ich wollte also versuchen, Kaffeetrinken und Kuchenessen auch für die Jüngeren wieder attraktiv zu machen", sagt Uter.

Zitrusabrieb statt Vanille

So kombiniert er in seiner Konditorei mit zehn Sitzplätzen Beton- und Holzelemente mit Metall, Glas und Grünpflanzen zu einem gelungenen Kiez-Café. Selbst als Schokoladendekor mit Alu-Riffelblech-Struktur findet sich ein Hauch von industriellem Charme auf den Törtchen wieder. „Es passt natürlich optisch gut, soll aber auch einfach die Arbeit leichter machen", betont der Konditormeister. „Klar könnten wir auch schöne Herzchen ausstechen, aber ich glaube, dass wir Konditoren umdenken müssen. Vieles in der Konditorei ist entstand in einer Zeit, als Arbeitskräfte nicht viel gekostet haben. Da war eher der Wareneinsatz der größte Kostenpunkt. Heute ist es genau andersrum. Bevor ich auf eine Tüte zurückgreife oder auf Fertigprodukte, nur um mein Sortiment erweitern zu können, gucke ich lieber, dass ich eine rationelle Deko finde, die zügig geht, kein Geld kostet, nicht viel Aufwand bedarf und trotzdem was hermacht", so Uter.

Auch in puncto Geschmack fährt Aurèle Uter eine klare Linie: „Wenn wir Vanillearoma brauchen, dann holen wir uns halt die Vanilleschote. Wir gehen aber auch Waldmeister pflücken oder Holunder. Dann lege ich mir das ein und habe mein Aroma. Wenn die Vanille so teuer ist, dass man so wenig reinmacht, dass man nichts schmeckt, bringt mir das nichts. Dann lasse ich die Vanille lieber weg und gehe stattdessen auf Zitronen- oder Limettenabrieb. Oder Zimt und Tonkabohne im Winter. Wir machen die Erfahrung, dass Kunden das auch wertschätzen".

Generell gebe es auch dank des transparenten Konzepts der gläsernen Produktion selten Preisdiskussionen. Die sichtbare Arbeit schaffe Verständnis und bringe Anerkennung.

florentine.huebscher@dfv.de

PHOTO (COLOR): Fotos: Betrieb 1 Ohne Schietwetter: Gut besuchte Terrassen zwischen Fleischhauerstraße 59 (links) und 62 (rechts). 2 Kiez-Café: Konditorei und Küche zum Anfassen und Anschauen im Gebäude Nr. 62. In seinem Element: Konditormeister Aurèle Uter. De Koffje: Heißgetränk mit Kaffee von einer Rösterei drei Häuser weiter. 1 Rationell und effizient: Schokoladenplättchen als passendes Dekor. 2 Der Johann: Kunden- liebling mit Cassis und dunkler Schokolade. 3 Ut der Backstuuv: Desserttörtchen und Käsekuchen mit Früchten.

1 Kontakt

Uter Konditoreibar

Inhaber: Aurèle Uter

Fleischhauerstraße 62

23552 Lübeck

www.uter.cafe

Preisbeispiele:

Törtchen ab 5,30 €

Kugel Eis to go 1,90 €

Eisbecher ab 9,40 €

Frühstück, klassisch 17,90 €

Cappuccino 4,40 €

Titel:
Seiten-Wechsel.
Zeitschrift: KOCA, 2024-06-15, Heft 6/7, S. 40-43
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 2569-961X (print)
Schlagwort:
  • BAKED products
  • PASTRY chefs
  • RETAIL stores
  • CONSUMERS
  • VANILLA
  • Subjects: BAKED products PASTRY chefs RETAIL stores CONSUMERS VANILLA
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 890

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