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Schwarz gebacken.

In: KOCA, 2024-06-15, Heft 6/7, S. 46-49
Online serialPeriodical

Schwarz gebacken 

Was tun, wenn illegal tätige Tortenhersteller echten Konditoreien die Kunden wegnehmen?

Text: Florentine Hübscher, Ralf Küchle

Kuchen kann jeder. Oma Ilse mit ihren Blechkuchen, Tortenfee Birgit von nebenan und Frau Schmidt vom Hofladen beweisen es. Ob ich nun dort schnell halte, um sonntags ein Stück Kuchen zu holen oder die Geburtstagstorte unkompliziert und bar auf die Hand organisiere, statt bei der Konditorei, kann ja keinen großen Unterschied machen. Oder doch?

Es ist alles da: Im Bundesgesetzblatt unter dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks, Anlage A Verzeichnis der Gewerbe – Konditoren. Damit ist klar, das Konditorenhandwerk ist ein zulassungspflichtiges Handwerk und erfordert den Meistertitel.

Wer die Handwerksordnung nun nicht stets bei sich trägt, kann offene Fragen und Unklarheiten mit kurzer Suche im World Wide Web klären. „Wie kann ich Selbstgebackenes verkaufen?", „Torten verkaufen ohne Meister?", titeln da Seiten wie Küchenfibel und Rezeptrechner-online und geben einen detaillierten Überblick über die Rechtslage.

Teil davon ist zum Beispiel auch die Unerheblichkeitsgrenze. Um davon profitieren zu können, muss die Tätigkeit eines Hauptbetriebes, etwa die Herstellung von Kaffee und anderen Speisen, im Vergleich zur Tätigkeit des handwerklichen Betriebsteils, dem Herstellen von Kuchen und Torten für den Außer-Haus-Verkauf, überwiegen. Auch muss ein wirtschaftlich-fachlicher Zusammenhang zwischen dem Haupt- und Nebenbetrieb bestehen, und die durchschnittliche Jahresarbeitszeit eines Ein-Personen-Betriebs darf einen bestimmten Wert nicht nicht überschreiten. All das soll Wildwuchs eindämmen.

Die Torte vom Hochzeitsplaner, der Kuchen im Fahrradladen

Dennoch gibt es etwa Hochzeitsausstatter, Fahrradhändler und Hofläden, die sich gern am Kuchengeschäft zum Mitnehmen beteiligen. Auch für den besonderen Anlass, das Kaffeetrinken mit der Verwandtschaft, den Kindergeburtstag und die Hochzeit lässt sich die passende Torte via Kleinanzeigen (vormals Ebay Kleinanzeigen), Facebook oder per Direct Messenger via Instagram ordern.

„Event- und Hochzeitsplaner bieten häufig gleich noch die Torte an. Viele wissen oft gar nicht, dass das illegal ist. Ich habe grundsätzlich Verständnis für beide Seiten, es muss aber Grenzen geben. So wird es nur schlimmer", sagt Landesinnungsmeisterin Bettina Schliephake-Burchardt beim ersten Treffen des neuen Berliner Konditoren Netzwerks Meister Meetup.

Dass sich die Sorge der Konditor:innen um illegale Tortenverkäufe nicht nur auf die Hauptstadt beschränkt, zeigt zum einen das Feedback online: „Super Initiative. Ich bin Konditormeisterin aus Luxemburg, und wir haben genau die gleichen Probleme hier", lautet einer der Kommentare. Auch in Deutschland reagiert die Branche auf das Thema.

Wie etwa Leonie Paffen (30). Die selbstständige Konditormeisterin aus Leer in Ostfriesland postet dazu regelmäßig Storys auf Instagram und geht mit dem Problem offen um. „Ich habe das Gefühl, dass die Menge der Privatverkäufer dieses Jahr zunimmt. Ich glaube das liegt einfach an der gesamtwirtschaftlichen Lage. Ich habe erst neulich wieder eine Nachricht erhalten, dass der Bäcker oder die Tortenfee spontan abgesagt hätten, und ob ich noch schnell die Torte übernehmen könne. Bei so spontanen Absagen waren das garantiert keine professionellen Dienstleister. Oder es ist umgekehrt, und ich bekomme nach

Auftragserteilung die Absage, dass die Kunden jetzt jemanden drei Straßen weiter gefunden haben, der ihnen die Torte billiger macht", berichtet Paffen.

Mittlerweile reagiere sie darauf auch mit einem freundlichen Hinweis auf die Meisterpflicht im Konditorenhandwerk und dem Anstoß, das einmal abzuklären. Zweimal habe das bereits zur Kehrtwende und Rückkehr der Kunden zu Paffens Angebot geführt. „Ich habe dazu bereits mehrfach bei der Handwerkskammer angerufen, dabei wurde ich dann ans Ordnungsamt weiterverwiesen. Ich zahle Handwerkskammerbeiträge und muss da Mitglied sein. Also warum muss ich dann beim Amt anrufen? Ich würde mir aus ästhetischen Gründen jetzt kein Plakat gegen Schwarzarbeit an die Ladentür kleben, aber vielleicht könnte die Kammer ein PDF-Dokument erstellen, das man in solchen Fällen immer mitschicken kann", schlägt Paffen vor.

Was allerdings bei der Konditormeisterin und vieler ihrer Fachkolleg:innen gut sichtbar im Laden präsentiert wird, ist der Meisterbrief. Ein klares Erkennungsmerkmal für eine Konditorei, in der Backwaren legal gekauft und mitgenommen werden können. Im Gegensatz zu dem Wort „Konditorei". Denn die Betriebsbezeichnung ist, wie bei der Bäckerei, nach wie vor kein geschützter Begriff und Verbrauchertäuschung damit weiterhin als mögliche Konsequenz an der Tagesordnung.

Klartext schafft Klarheit und vertrauen bei der Kundschaft

Aber ist die gerahmte Urkunde als Garant für Handwerksbetriebe ausreichend? Quereinsteigerin Michaela Berg (41), Inhaberin von Mühlchens Patisserie in Hessen, sieht da Handlungspielraum und Nachholbedarf: „Ich habe keinen Meisterbrief, den ich mir hinhängen kann. Aber was ist denn mit uns, die wir auch in der Handwerksrolle eingetragen und damit ein Handwerksbetrieb sind? Ich fände es gut, wenn das auch sichtbar wäre. Dann bestünde nicht die Gefahr, mit einem beliebigen Café gleichgesetzt zu werden."

Auf ihrer Website geht sie wie viele ihrer Kolleg:innen mit Ausnahmebewilligung offen mit der Thematik um: „Um die Katze gleich aus dem Sack zu lassen: Ich bin keine gelernte Konditorin. Nach unzähligen Workshops und Eins zu eins-Unterricht entschloss ich mich 2018 mit 35 Jahren dazu, noch einmal die Lehrbücher zu wälzen und legte erfolgreich eine meisterähnliche Fachprüfung in Theorie und Praxis bei der Handwerkskammer und Konditoreninnung ab", ist dort klar zu lesen.

Auch sie sieht die Zuständigkeit bei der Kammer, gegen illegalen Tortenverkauf vorzugehen. Gleichwohl vermutet Berg: „Die haben weder die Luft dazu, noch haben sie die Leute dafür. Das ist, glaube ich, das Hauptproblem. Ich glaube, am Ende ist es auch tatsächlich ein Kampf gegen Windmühlen."

Beim Treff der Berliner Konditor:innen hingegen ergreift Anika Melillo, Geschäftsführerin der Konditoren-Innung Berlin, die Initiative: „Wir haben die ganzen Probleme schon lange auf dem Schirm, und wir wollen dazu auch Fragen beantworten und Wege aufzeigen", sagt sie. Helfen sollen dabei Blankoanzeigen, mit der die Berliner Konditormeister:innen Schwarzarbeit melden können. „Wenn euch jemand, egal wo und wie, auffällt, als Betriebsstätte oder im Internet, füllt ihr die Anzeige aus und schickt sie mir in die Innung. Ich werde dann mit dem Ordnungsamt/Bezirksamt zusammen die weiteren Schritte einleiten", verspricht eine Mail an die Mitglieder des Netzwerks.

Handwerkskammern sind zur Auskunft verpflichtet

Rechtsanwalt Alexander Wagner (44) von der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen in Augsburg ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht. Er betont: „Wer beispielsweise Kuchen, Torten und Cupcakes gewerblich vertreiben möchte, muss bei der Handwerkskammer in der Regel in die Handwerksrolle eingetragen sein. Wer das nicht ist, begeht einen Wettbewerbsverstoß, aber keine Straftat." Es könne eine Abmahnung erfolgen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert werden. Sollte der Gegner darauf keine Unterlassungserklärung abgeben, kann danach auf Unterlassung geklagt werden. „Ob ein Eintrag in der Handwerksrolle vorhanden ist, lässt sich bei der Handwerkskammer erfragen, die auskunftspflichtig ist", so Rechtsanwalt Wagner.

Auch im Erfolgsfall kann der Kläger auf den Kosten sitzenbleiben

Zwar bestehe nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein Schadensersatzanspruch, dessen Höhe sich aber häufig kaum beziffern lasse.

„Ein betroffener Konditor könnte sich einen Anwalt nehmen und eine Abmahnung aussprechen, da hat er aber das Kostenrisiko. Wenn der Verfahrensgegner beispielsweise insolvent ist, bekommt der Anspruchsteller seine Kosten im Ergebnis nicht erstattet, auch wenn die Abmahnung grundsätzlich erfolgreich wäre", sagt Rechtsanwalt Wagner. Der Konditor könne den illegalen Tortenverkäufer auch der Wettbewerbszentrale oder Wettbewerbsvereinen melden, die solche Verstöße hartnäckig verfolgten. „Das muss man im Einzelfall abwägen."

Zum gerichtlichen Verfahren könne es dann kommen, wenn der Gegner außergerichtlich keine Unterlassungserklärung abgibt. Gibt der Gegner eine Unterlassungserklärung ab und verstößt gegen diese, dann kann eine Vertragsstrafe gefordert werden. Wird ein gerichtliches Verfahren geführt, in dem der Gegner zur Unterlassung verurteilt wird, und befolgt dieser die daraus folgende gerichtliche Anordnung nicht, drohe ein Ordnungsgeld, damit er sich ans Urteil hält.

Mehrfachabmahnungen, wo zum Beispiel mehrere Konditoren denselben Rechtsverstoß gegen denselben Gegner geltend machen, seien nicht möglich. Das sei Rechtsmissbrauch. „Es ist auch nicht möglich, sich gegen einen Gegner zu koordinieren, dann können Ansprüche unzulässig sein", betont Rechtsanwalt Wagner. „Jeder muss alleine vorgehen. Dazu gibt es Grundsatzurteile."

Grundsätzlich entstehe durch einen Schwarzmarkt immer denen ein Schaden, die sich rechtskonform verhalten. Es komme aber darauf an, wie groß der Schwarzmarkt und damit der Schaden für den Einzelnen sei, um zu entscheiden, ob oder wie man dagegen vorgehen wolle und welcher Aufwand sinnvoll sei, in den Rechtsstreit zu investieren.

koca@dfv.de

„Ich habe das Gefühl, die Menge der Privatverkäufer nimmt zu." Leonie Paffen

PHOTO (COLOR): Appell: Paffen versucht Kundschaft und Follower via Instagram aufzuklären. Leonie Paffen, Oh Leonie feine Patisserie Leer Michaela Berg, Mühlchens Patisserie Dreieich Alexander Wagner, Anwaltskanzlei Hild & Kollegen Augsburg

Titel:
Schwarz gebacken.
Zeitschrift: KOCA, 2024-06-15, Heft 6/7, S. 46-49
Veröffentlichung: 2024
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 2569-961X (print)
Schlagwort:
  • CONFECTIONERS
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  • CONSUMERS
  • CONFECTIONERY
  • Subjects: CONFECTIONERS BAKERIES CLASSIFIED advertising CONSUMERS CONFECTIONERY
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
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