Zum Hauptinhalt springen

Stilkopien.

In: Musik und Bildung, 2010-10-01, Heft 4, S. 42-47
Online serialPeriodical

Stilkopien  EKKEHARD MASCHER UNTER MITARBEIT VON THERESE PAHLOW, FELIX RÖSCHER, ULRIKE SCHILLER, NINA STADER UND LENA WILLIG

DURCH STILKOPIEN VERSTEHEN LERNEN

* In der Regel geht der didaktische Weg von außen auf den Komponisten zu: Seine Biografie wird in den Mittelpunkt gestellt, der Kontext zu seinem Leben wird betrachtet und exemplarisch ein von ihm geschaffenes Werk thematisiert, meist in Form einer Analyse.

Der von Christoph Hempel vorgeschlagene Weg hingegen, computergestützte Stilkopien von Kompositionen anzufertigen, ermöglicht dem Schüler einen Identifikationsprozess mit der Komposition, in dem er gedanklich und praktisch Teile von dem nachvollzieht, was der Komponist entwickelt hat (s. auch das Interview auf S. 48). So erhält der Schüler die Chance, die musikalischen Zusammenhänge der Komposition selbstständig zu erleben. Er bleibt damit nicht Betrachter von außen, sondern wird in den Schaffensprozess integriert. Der Schüler wird deshalb noch lange kein Komponist, aber er wird Dinge begreifen, die ihm durch das reine Betrachten verschlossen bleiben würden.

Masterstudierende der Hochschule für Musik und Theater Hannover1 haben sich einem solchen Prozess gestellt, indem sie sich zunächst damit beschäftigt haben, wie anhand des Programms „Cubase" eine Stilkopie entwickelt werden kann. Diese erlernte Kompetenz haben sie anschließend umgesetzt, indem sie Unterrichtsstunden konzipiert und mit SchülerInnen unterschiedlicher Altersstufen (Klassen 8 bis 12) im schulischen Computerraum ausprobiert haben. Einige dieser Ergebnisse sind hier dokumentiert und laden zum Nachmachen ein. (E. Mascher)

JOACHIM RINGELNATZ: DER BRIEFMARK

Die Arbeit mit Audio-Dateien

Die populäre Studi VZ-Gruppe „Mein Leben sollte einen Soundtrack haben" mit über 50000 Mitgliedern zeigt, dass die Kombination von Wort und Musik jungen Menschen durchaus vertraut ist. Diese Brücke wird didaktisch für das Melodram ausgenutzt, indem ein Text (Ringelnatz' Ein männlicher Briefmark erlebte, HB 15) musikalisiert wird. Die eigene Vertonung eines Textes ermöglicht in diesem Zusammenhang die praktische Reflexion der Funktion von Musik. SchülerInnen können Erfahrungen mit der Illustration, der Interpretation und der Kommentierung von Texten mit musikalischen Mitteln sammeln.

Die Kombination von gesprochenem Text und Musik hat eine lange Geschichte. Vor allem wenn man die Musik des 20. Jahrhunderts betrachtet, wird deutlich, mit welch vielfältigen Mitteln Musik und Sprache zusammengebracht wurden. So setzte Arnold Schönberg seinen Pierrot Lunaire für fünf Instrumente und eine bis ins Detail vorgeschriebene Sprechstimme, während Viktor Ullmann in der Weise von liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke zu einer verhältnismäßig freien Sprechstimme eine reine Klavierbegleitung schrieb. Andrew Lloyd Webber, als Beispiel für die populäre Musik, komponierte die Kreuzigungs szene in Jesus Christ Superstar als Collage von gesprochenem Text, Geräuschen und Musik. Obwohl letzteres Werk inhaltlich als einfaches Vorbild für eine Stilkopie sicher nicht geeignet ist, bietet sich trotzdem die Collage-Technik mithilfe des Sequenzerprogramms „Cubase" an. Mit einigen einfachen Funktionen des Programms lässt sich eine wirkungsvolle Collage aus Sprache, Musik und Geräuschen erstellen. Man benötigt nur elementare Programmfunktionen wie Drag & Drop, Schneiden, Löschen sowie grundlegende Lautstärkebearbeitungen.

Zunächst wird parallel zur Audiodatei eines ausgewählten Textes ein Ordner mit einer Auswahl verschiedener Musikstücke und Geräusche angelegt. Als Textvorlage dient Ein männlicher Briefmark erlebtevon Joachim Ringelnatz (HB 15). Der Geräuschordner enthält einen vorbeifahrenden Zug (HB 16) und das Klappern einer Schreibmaschine (HB 17). Für den Musikordner werden hier verschiedene Klavierstücke von Erik Satie (z. B. aus dem Zyklus Sports et divertissements), der erste Satz aus der Sonate op. 81a von Ludwig van Beethoven (Les Adieux) sowie die Menuette I und II aus der Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel vorgeschlagen. Die Auswahl der Musikstücke ist letztlich beliebig, aber der emotionale Gehalt und enthaltene Bedeutungen sollten zu dem gewählten Text passen. So steht Les Adieux exemplarisch für den Abschied des Briefmarks, und die Menuette repräsentieren die Prinzessin und den höfischen Kontext. Die Stücke sind aber nur als ein Angebot zu sehen. Die konkrete Entscheidung, welche Werke verwendet werden, bleibt beim Schüler. Geräusche lassen sich im Internet kostenlos auf der Seite www.hoerspielbox.de finden.

Nachdem eine Vorauswahl getroffen wurde, welche Stücke zu dem Text passen könnten, wird „Cubase" gestartet, ein leeres Projekt geöffnet und es werden Audiospuren in der gewünschten Anzahl hinzugefügt. In die oberste Spur sollte der gesprochene Text importiert werden; in die darunter liegenden Spuren werden die ausgewählten Stücke importiert, in die untersten Spuren die Geräuschdateien (Abb. 1).

Nun geht es darum, Musik und Geräusche den verschiedenen Textstellen zuzuordnen, zu entscheiden, wann was erklingen soll, ob gleichzeitig oder nacheinander und in welcher Reihenfolge. So kann mit den Tonspuren der Text kommentiert, untermalt oder ausgedeutet werden. Um die unterschiedlichen Möglichkeiten auszuprobieren, gibt es einige sehr unkomplizierte Mittel: Einzelne Spuren können einzeln gehört oder stummgeschaltet werden; mit dem Werkzeug „Objektauswahl" können die Tonspuren hin- und hergeschoben und nach den eigenen Vorstellungen angeordnet werden. In der Regel werden diese relativ willkürlich übereinander gelegten Stücke nicht die richtige Länge haben oder nicht mit den Pausen des Sprechers übereinstimmen. In dem Fall lassen sich die Spuren schneiden und die einzelnen Stücke passend anordnen. Sind schließlich alle Spuren oder Spurstücke an dem Platz, an dem sie sein sollen, bleibt noch ein wenig Feinarbeit zu tun: Die Audiodateien haben oft eine unterschiedlich hohe Grundlautstärke, die an die anderen Spuren angeglichen werden muss. Dazu kann man für jede Spur Unterspuren sichtbar machen, in denen Automationsdaten verwaltet werden können. Damit lässt sich z. B. die Gesamtlautstärke der Audiospur regeln (Abb. 2). Damit Schnitte nicht zu auffällig sind oder auch, um laute Rauschgeräusche der Aufnahme zu unterdrücken, ist es nützlich, Spuren zu faden (Abb. 3). Eine zusammenfassende und als Arbeitsvorlage für SchülerInnen geeignete Anleitung befindet sich auf der Heft-DVD (Arbeitsblatt „Stilkopie mit Cubase - das Melodram").

Um schließlich auch Details zwischen den Spuren abstimmen zu können, gibt es ein weiteres Werkzeug: den Stift. Mit dem Stift kann die Lautstärke, die in der Automationsspur durch eine Linie dargestellt wird, an einzelnen Stellen verändert werden. So kann die betreffende Spur beispielsweise leiser werden, wenn der gesprochene Text besser zu hören sein soll. Das fertige Werk kann als Audio-Datei exportiert werden. Nach dem Export (beispielsweise als mp3-Datei) kann das Stück mit jedem gängigen Player angehört werden. Die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse ist trotz der kleinen Material-Auswahl erstaunlich. (L. Willig)

KANDINSKY: IMPRESSION III

Vertonung eines Gemäldes

Synästhesie im Musikunterricht? Ist das nicht ein höchst seltenes, höchst individuelles Phänomen? Stimmt! Andererseits aber auch nicht.

Als psychophysisches Phänomen zeigt sich Synästhesie tatsächlich nur bei sehr wenigen Menschen. Dann tritt beim Hören von Musik zu der auditiven Wahrnehmung ein Wahrnehmungseindruck einer anderen Sinnesmodalität hinzu -unwillentlich und ohne dass ein Außenreiz gegeben wäre. „Farbenhören" oder auch „Tönesehen" sind aber so selten und so individuell, dass deren Thematisierung im Unterricht kaum von Nutzen für eine ganze Lerngruppe sein dürfte. Ganz anders sieht es aus, wenn der Synästhesie-ßegriff in (s)einer Bedeutung für ein ästhetisch-künstlerisches Konzept benutzt wird, wie Wassily Kandinsky es tat. Zur Erklärung sei beispielsweise an Werke der Romantik gedacht, die vielfach Anteile verschiedener Kunstrichtungen in sich vereinen, um dadurch beim Rezipienten verschiedene Sinne gleichzeitig anzusprechen. Bildende Künstler benannten und strukturierten ihre Bilder nach musikalischen Formen (u. a. James McNeill Whistler und Mikalojus Konstantinas Ciurlionis), Komponisten wiederum wählten Gemälde als Ausgangs- und Bezugspunkt ihrer Programmmusiken (u. a. Franz Liszt, Die Hunnenschlacht und Modest Mussorgsky, Bildereiner Ausstellung). Diese „Synästhesie", diese Art Verbindung von Musik und Bild im Musikunterricht ist es, die alle SchülerInnen auf dem Weg zu intermodaler Wahrnehmungsfähigkeit begleiten kann.

Das abstrakte Bild Impression III (Konzert) Wassily Kandinskys eignet sich in besonderer Weise dazu, von SchülerInnen in eine klingende Komposition übertragen zu werden (s. Arbeitsblatt „Die Vertonung von Kandinskys Gemälde ,Impression III (Konzert)'"). Für Kandinsky tönte das Bild nämlich bereits: Er wurde durch ein Konzert mit Schönberg-Stücken dazu angeregt und konzipierte es daraufhin nach seiner Farbenlehre. In dieser hatte er zuvor jeder Farbe nach subjektivem Empfinden eine seelische Ausdrucksqualität und eine Klangfarbe zugeordnet.2

Wie kann das Bild nun für den einzelnen Schüler tönen?

Angelegt wird ein Ordnerpool aus Audiodateien, der sämtliche Klangvorstellungen von Kandinskys Farbenlehre enthält (Vorschläge dazu finden sich in der „Gebrauchsanleitung Kandinsky" auf der Heft-DVD). Der Lerngruppe wird zunächst eine Tabelle gezeigt, in der bisher nur Klänge (nämlich jene von Kandinsky) eingetragen sind (s. Arbeitsblatt „Die Vertonung von Kandinskys Gemälde ,Impression III (Konzert)'"). Die SchülerInnen ordnen nun beliebige farbige Papierquadrate zu. Dies wird vermutlich eine lebhafte Diskussion auslösen, denn man wird sich kaum einigen können. So ergibt sich eine kurze Einführung des Synästhesie-Begriffs über die praktische Erfahrung mit diesem. Bei der sich anschließenden, computergestützten Bildvertonung mussje nach Lerngruppe entschieden werden, ob 25 bis 30 individuelle Farb-Klang-Zuordnungen zugrunde gelegt werden oder eine für die gesamte Lerngruppe. Die Entscheidung für nur eine Farbenlehre untergräbt gewissermaßen die individuellsynästhetische Wahrnehmung, eignet sich aber für eine verständlichere und zeitökonomischere Präsentation der Ergebnisse.

So oder so: Mit wenigen wesentlichen Funktionen des gewählten Audiobearbeitungsprogramms (Importieren von Audiodateien, Ausschneiden, Kopieren, Einfügen, Trennen, einige Effekte [Ein- /Ausblenden, Hall]) entstehen höchst künstlerische Werke - die aufgrund der unterschiedlichen Bildwahrnehmung auch immer individuell sind. (N. Stader)

STEVE REICH! CLAPPING MUSIC

Steve Reichs Clapping Music (1971, HB 18) basiert auf einem rhythmischen Grundmuster im 12/8-Takt, das einem westafrikanischen Pattern, der „Omele-Formel" ähnelt und in vielen Werken Reichs zu finden ist.

Dieses wird zunächst zwölf Mal von beiden Ausführenden geklatscht; beim dreizehnten Mal verändert sich das Pattern des zweiten Klatschers minimal, indem die Achtelnote auf der ersten Zählzeit weggenommen wird und auf der letzten Zählzeit wieder angefügt, das Pattern also um eine Achtel nach vorne verschoben wird.

Dieser Vorgang wiederholt sich jeweils im Takt nach der elften Wiederholung eines veränderten Takts und insgesamt zwölf Mal, bis auch der zweite Klatscher, synchron mit dem ersten, wieder das Grundpattern klatscht.

Die Wirkung dieser Phasenverschiebung ist charakterisiert durch das scheinbare Entstehen neuer Rhythmen (Resulting Patterns) im Verlauf des Stücks, die sich aus dem nur hörbaren Verweben des Patterns des ersten mit dem des zweiten Klatschers ergeben. Die unabdingbare Allmählichkeit solcher Musik braucht Zeit, sodass die Werke der Minimal Music verhältnismäßig lange dauern und sich rein aus der allmählichen Verschiebung der Pattern ergeben. Bei Clapping Music bedingt das etwas gröbere Raster der Verschiebung die mit ca. vier Minuten erstaunliche Kürze bei dennoch wahrnehmbarer Allmählichkeit.

Clapping Music bietet sich wegen seiner Kürze,3 seiner Übersichtlichkeit hinsichtlich Dauer, Besetzung, Instrumentation und Partitur sowie seiner relativ einfachen Struktur (das Prinzip ist rein visuell unmittelbar am Notentext ablesbar und auch auditiv leicht nachvollziehbar) für den Unterricht hervorragend an (HB 18). Zudem handelt es sich trotz seiner Simplizität um ein ernstzunehmendes Beispiel der Minimal Music. Im Vorfeld können die SchülerInnen die wichtigsten Merkmale, Komponisten sowie den sozial-kulturellen Hintergrund von Minimal Music und insbesondere von Clapping Music erarbeiten und ein eigenes Grundpattem im 4/4-Takt entwickeln und ausprobieren. Dabei ist zu beachten, dass beispielsweise nur Achtelnoten und Achtelpausen verwendet werden, damit sich das Pattern für eine Stilkopie eignet. Wahrscheinlich werden die meisten SchülerInnen bei dem Versuch, ihr eigenes Pattern zu klatschen, merken, wie schwierig es ist, das Tempo und den Rhythmus präzise zu halten. Welche Lösung liegt da näher, als den Computer als „unbestechliches Instrument" zu Hilfe zu nehmen?

Der Computer hat den Vorteil, dass die Temposchwankungen und Ungenauigkeiten, die beim Klatschen so sehr ins Gewicht fallen, aufgehoben sind. Wichtig ist, dass die Verschiebung des Patterns um eine Achtel mittels „Cubase 4" aus Gründen des technischen Aufwands nicht nach vorne, sondern nach hinten geschehen muss. Diese Änderung entspricht zwar nicht dem Prinzip von Clapping Music, hat jedoch keine bedeutende Auswirkung auf das Hörergebnis, insbesondere die Resulting Patterns betreffend.

Da nur vergleichsweise wenige Funktionen von Cubase genutzt werden müssen, können die SchülerInnen das Projekt in seiner Gesamtheit -also vom Öffnen der neuen Datei bis zur Abspeicherung - nach sorgfaltiger Anleitung selbstständig erstellen (s. Arbeitsblatt „Computeranweisung ,Clapping music'").

Zusätzlich kann als Gegenstand einer Transferleistung die Bildfolge Metamorphosen II von Maurits Cornelis Escher behandelt werden, welche das Prinzip der Resulting Patterns auf visueller Ebene bearbeitet (s. www.mcescher.com > Picture Gallery > 1935-1941). Sowohl im vorbereitenden Unterricht als auch in der Cubase-Stunde kann ein Rückbezug und Wiederentdecken erarbeiteter Prinzipien anhand der Bilder verdeutlicht werden. (T. Pahlow und U. Schiller)

MAURICE RAVEL: BOLERO

Ravels Feststellung, dass der Bolero keine Musik enthalte, mag zunächst nach überzogener Selbstkritik klingen. Was den Bolero jedoch von anderen Werken seiner Zeit abhebt, ist die Tatsache, dass Ravel auf motivische und rhythmische Entwicklung oder Variation vollständig verzichtet. Es gibt keinen Abschnitt, der Durchführungscharakter besitzt, und noch nicht einmal das verwendete Themenmaterial ist kontrastierend angelegt. Entsprechend gliedert sich das Arrangement in drei Ebenen mit klar voneinander abgegrenzten Funktionen: Melodie-, Rhythmus- und Bass-Ebene. Dabei ist die Zuordnung der Instrumente auf die Ebenen nicht starr festgelegt; das musikalische Material der einzelnen Ebenen ist jedoch (fast) immer gleich. Man kann daher von einem „Kompositionsbaukasten„ sprechen, aus dem Ravel, bildlich gesprochen, feste Versatzstücke genommen und sie in der Partitur auf unterschiedliche Weisen kombiniert hat (s. Grafik 1 auf dem Arbeitsblatt „Maurice Ravel: Bolero" auf der Heft-DVD).

Die SchülerInnen können mithilfe des AudioBearbeitungsprogramms „Cubase" Ravels Kompositionsprinzip gedanklich und praktisch nachvollziehen, indem sie ein eigenes Stück im Bolero-Stil entwickeln. Die MIDI-Dateien - also die einzelnen Versatzstücke - sind auf der Heft-DVD vorgegeben, sodass der Schwerpunkt der Arbeit auf das Arrangement bzw. auf die Instrumentation gelegt werden kann (s. Grafik 2 auf dem Arbeitsblatt „Maurice Ravel: Bolero" auf der Heft-DVD). Die SchülerInnen arbeiten in einer vorbereiteten Cubase-Datei, in der bereits MIDI-Spuren für die einzelnen Orchesterinstrumente angelegt wurden. Im unteren Bereich des Arrangierfensters befindet sich ein „Pool" mit den Versatzstücken, die farblich entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den drei Ebenen (Melodie, Rhythmus, Bass) gekennzeichnet sind. Per Drag & Drop können diese nun in die „Partitur" im oberen Bereich des Arrangierfensters gezogen und auch im Nachhinein darin beliebig verschoben werden. Die SchülerInnen haben die Möglichkeit, das Arrangement mit nur wenigen Mausklicks komplett zu verändern: Intuitiv können sie so etwa ausprobieren, ob ihnen ihre Bolero-Stilkopie nicht besser gefällt, wenn das Thema von den Posaunen statt den Flöten gespielt wird. Da Cubase die Möglichkeit bietet, das Ergebnis unmittelbar anzuhören, ist es auf diese Weise möglich, in kürzester Zeit unterschiedliche Versionen des eigenen Boleros und die durch unterschiedliche Arrangements und Instrumentationen erzeugte Wirkung zu erleben.

Technisch gesehen vollziehen die SchülerInnen also Ravels Kompositionsprozess nach, indem sie feste Versatzstücke auf unterschiedliche Weise miteinander kombinieren und so ein Stück von mehreren Minuten Länge entwickeln. Die Unterrichtszeit kann hierbei optimal genutzt werden, da die SchülerInnen individuell arbeiten und zum Spielen eines Arrangements nicht auf ihre MitschülerInnen angewiesen sind. Eine längere Einführung in die Bedienung von Cubase wird in aller Regel nicht benötigt werden, da das Projekt so angelegt ist, dass die SchülerInnen nur drei unterschiedliche Aktionen ausführen müssen, die im Vorfeld der Arbeit trainiert werden können: das Verschieben von Versatzstücken per Drag & Drop, das Starten und Anhalten der Wiedergabe mithilfe der Leertaste sowie das Hin- und Herspringen im Arrangement durch Klicken auf die Zeitleiste am oberen Rand es Arrangierfensters. Der Einsatz von Cubase ermöglicht es den SchülerInnen, eigenständig zu handeln und - was vielen von ihnen entgegen kommen wird - sie erstellen Arrangements und befassen sich mit Fragen der Instrumentation, wobei es nicht unbedingt erforderlich ist, dass sie Noten lesen oder Instrumente spielen können.

In der Präsentationsphase erleben die SchülerInnen, wie es durch Arrangement und Instrumentation möglich ist, mit dem gleichen musikalischen Material die unterschiedlichsten Ergebnisse zu erzielen. Vor diesem Hintergrund kann die eingangs erwähnte Feststellung Ravels, der Bolero enthalte keine Musik, als Anstoß zu einer Diskussion genutzt werden, über die selbst produzierten Arbeiten nachzudenken. (F. Röscher)

EIN MÄNNLICHER BRIEFMARK ERLEBTE

Ein männlicher Briefmark erlebte Was Schönes, bevor er klebte. Er war von einer Prinzessin beleckt. Da war die Liebe in ihm erweckt. Er wollte sie wiederküssen, Da hat er verreisen müssen. So liebte er sie vergebens. Das ist die Tragik des Lebens!

Joachim Ringelnatz

Unterrichtsverlauf „Ringelnatz":

* Einführung des Begriffs „Melodram" als Verbindung von gesprochener Sprache und Musik (StudiVZ)

* exemplarische Vorstellung eines Melodrams (Schönberg, Ullmann)

* Das Projekt wird anhand des Arbeitsblatts vorgestellt.

* Experimentierphase

* Präsentation

VOR DEM UNTERRICHT

* farbige Papierquadrate besorgen

* Pool an Audiodateien erstellen, der sämtliche Klangvorstellungen von Kandinsky abdeckt. Da Kandinsky nur Klänge benennt (jene von Geige, Cello, Trompete, Tuba, Orgel, Altstimme), kann hierzu ausgewählt werden, was die heimische CDSammlung hergibt. Einige Tipps dazu (s. auch „Gebrauchsanleitung Kandinsky„ auf der Heft-DVD):

* nur einstimmige Sololinien der jeweiligen Instrumente auswählen Für die Klänge „Pause" / „klanglos" / „--" empfehle ich sphärische, undefinierbare Geräusche (kostenlose Geräusche unter www.hoerspielbox.de).

* Es kann ein Ordner „Beigeräusche zum Konzert" ergänzt werden. Wird nämlich der Entstehungskontext des Bilds Impression III (Konzert) genannt, kann das vielen SchülerInnen den Einstieg in die Vertonungsarbeit erleichtern, da sie von einer konkreten Situation zur abstrakten Bildwahrnehmung gelangen können.

* Ordner mit Audiodateien auf alle Computer übertragen

Unterrichtsverlauf „Bolero":

* Erläuterung des „Baukastenprinzips"

* Einführung in die drei notwendigen Funktionen von Cubase

* Experimentierphase in Einzel- oder Partnerarbeit

* Entwicklung eines Produkts

* Präsentation und Diskussion der Ergebnisse

* Vergleich mit Ravels Bolero

Die Vertonung von Kandinskys Gemälde „Impression III (Konzert)"

zugrunde liegende Farb-Klang-Zuordnung

Die Klangfarbenbezeichnungen stammen von Wassily Kandinsky (aus: Über das Geistige in der Kunst, München 1912; hierin eine Tabellenform gebracht). Die beiden Striche - - meinen eine Klangfarbe für Stille. gelb - grün - blau - weiß - rot - orange - schwarz - grau - violett: Das waren die Farben auf Kandinskys Farbpalette. Wenn der expressionistische Künstler an seinen abstrakten Bildern arbeitete, kamen ihm zu den Farben die oben stehenden Klangfarben in den Sinn; er hörte sie förmlich.

1. Lest euch die von Kandinsky beschriebenen Klangfarben durch. Welche Farbe „seht" ihr bei welchem Klang? Nehmt eine spontane Zuordnung der Farben in der Tabelle vor.

  • 2. Euer Nachbar hat eine ganz andere Farb-Klang-Zuordnung erstellt? Sprecht darüber, wie ihr zu eurer Entscheidung gekommen seid.
  • 3. Vertont das Gemälde Impression III (Konzert) anhand eurer entwickelten Farbenlehre.
Computeranweisung zu „Clapping Music"

Öffnen eines neuen Projekts:

  • Reduktion auf zwei Spuren
  • Zuweisung der VST-Instrumente (Haiion One, z. B. Rock Standard Kit 2)
  • Einstellen des Rasters auf Quantisierung, Achtel
  • * Als erster Schritt zum Erstellen der eigentlichen Stilkopie wird das Pattern im Schlagzeug-Editor erstellt.

    * Anschließend wird das Pattern in der ersten Spur 71 Mal kopiert, um auf die Gesamtlänge von 72 Takten zu kommen (8x9,8 Verschiebungen + 8 Takte zu Beginn). In der zweiten Spur entsteht durch Kopie des ersten Takts der ersten Spur und siebenmaliges Wiederholen der Beginn der zweiten Stimme. Im neunten Takt wird das Pattern um eine Achtel nach hinten verschoben und mit der Schere die überstehende Achtel hinten abgeschnitten und vorne eingefügt.

    * Dieser neu entstehende Takt stellt die erste Verschiebung dar, was auch visuell erkennbar ist. Dieser Takt wird nun acht Mal kopiert, um im 8. Takt wie-derum eine Verschiebung vorzunehmen. Führt man dieses acht Mal aus, ist das Anfangspattem wieder hergestellt.

    Arbeitsblätter

    * Die Vertonung von Kandinskys Gemälde „Impression III (Konzert)" - S. 46

    * Computeranweisung zu „Clapping Music" S. 47

    Hörbeispiele-CD

    * HB 15: Joachim Ringelnatz: Ein männlicher Briefmark erlebte

    * HB 16: Vorbeifahrender Zug

    * HB 17: Klappernde Schreibmaschine

    * HB 18: Steve Reich: Clapping Music

    Dateien - DVD

    * Stilkopie mit Cubase - das Melodram

    * Gebrauchsanweisung Kandinsky

    * Maurice Ravel: Bolero

    * 16 MIDI - Dateien zu „Bolero"

    * Cubase-Datei zu „Bolero"

    musikpädagogik-online.de Kostenloser Download für AbonnentInnen

    * Beitrag als PDF-Datei

    1 Vertiefungsfach (MA 3. Semester): Christoph Hempel: Stilkopie zu Werken des 20. Jahrhunderts; die Arbeiten entstanden im Modul „Teacher-Training" (Ekkehard Mascher) des Masterstudiengangs Lehramt an Gymnasien Hannover.

    • 2 Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst, München 1912.
    • 3 Die Anzahl der Achtel im Grundpattern wurde auf acht Achtel verringert, damit die Gesamtlänge der Stilkopie überschaubar bleibt.

    Titel:
    Stilkopien.
    Zeitschrift: Musik und Bildung, 2010-10-01, Heft 4, S. 42-47
    Veröffentlichung: 2010
    Medientyp: serialPeriodical
    ISSN: 0027-4747 (print)
    Schlagwort:
    • MUSIC education
    • FILES (Records)
    • HEMPEL, Christoph
    • COMPOSERS
    • COPYING
    • COMPUTER software
    • Subjects: MUSIC education FILES (Records) HEMPEL, Christoph COMPOSERS COPYING COMPUTER software
    Sonstiges:
    • Nachgewiesen in: DACH Information
    • Sprachen: German
    • Alternate Title: Style Copies.
    • Language: German
    • Document Type: Article
    • Full Text Word Count: 3190

    Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

    oder
    oder

    Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

    oder
    oder

    Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

    xs 0 - 576
    sm 576 - 768
    md 768 - 992
    lg 992 - 1200
    xl 1200 - 1366
    xxl 1366 -