Zum Hauptinhalt springen

Sound in the Silence.

Barth, Dorothee
In: Musik und Bildung, 2012, Heft 1, S. 9-9
Online serialPeriodical

Sound in the silence  Performance als Form de Erinnerungskultur

2k SchülerInnen des Oberstufenprofils „Kulturwelten" am Gymnasium Altona in Hamburg haben gemeinsam mit Jugendlichen aus Koszalin (Polen) sechs Künstlern aus Hamburg und den USA, einem Kulturzentrum („Motte") und der Ballettschule „John Neumeier" in der Gedenkstätte KZ Neuengamme eine Woche lang zusammen versucht, die (eigene) Vergangenheit und die des Ortes zu durchleben und ästhetisch zu bearbeiten.

„Ich bin so froh, dass ich so tolle Menschen kennen gelernt habe. Ich habe meine Gefühle über Tanzen, Singen und Schreiben zeigen können. Ich würde gerne wiederkommen und wieder mit diesen Menschen zusammenarbeiten." (Paula, 15, Schülerin aus Polen)

Bei dem Projekt „Sound in the silence" stand nicht die Vermittlung von geschichtlichem Fachwissen im Vordergrund, sondern vor allem die emotionale Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes. Leistungsansprüche bzw. klar definierte Ziele an die SchülerInnen gab es nicht. Das Motto lautete: „Jeder bringt ein, was in seinem Erfahrungsschatz ist." So konnten alle Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten das Projekt aktiv mitgestalten.

Musikalisch-künstlerische Spurensuchen in die Vergangenheit sind schon lange ein wichtiges Thema für den Hamburger Filmemacher, Regisseur und Initiator des Projekts Jens Huckeriede. Dabei stieß er vor einigen Jahren in San Francisco auf einen Musiker - Dan Wolf -, der auch auf Spurensuche war. Denn seine Vorfahren - die Gebrüder Wolf - waren einst berühmte Kabarettisten in Hamburg gewesen, hatten aber wegen ihres jüdischen Glaubens vor dem nationalsozialistischen Terror in die USA emigrieren müssen. Der Texter und Rapper Dan Wolf nun mit seinen jüdisch-deutsch-polnischen Wurzeln war gemeinsam mit seinen befreundeten Kollegen Keith Pinto (Tünzer, San Francisco) und Michael Hearst (Komponist, New York) gerne bereit, bei dem Projekt mitzuwirken und mit den SchülerInnen in Neuengamme zu arbeiten.

„Sound in the silence war eines der schwierigsten, anstrengendsten und emotionalsten Projekte, an denen ich jemals teilgenommen habe. Aber gleichzeitig auch das wichtigste und bereicherndste! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Geister der 55000 Todesopfer des Konzentrationslagers Neuengamme die Idee erfreut hat, dass junge Deutsche, Polen und Juden gemeinsam zusammenarbeiten, um etwas Positives zu schaffen." (Michael Hearst, Komponist aus New York / USA)

In dieser Woche enger Zusammenarbeit spüren die Jugendlichen und Erwachsenen die Gegenwart der Vergangenheit, teilen intensiv ihre Gefühle. Sie erfahren die Kunst, den Tanz und das Schreiben als Möglichkeit, ihre Gefühle und ihren persönlichen Bezug zur Vergangenheit in Worten, Musik und Bewegung auszudrücken. Dass viele der Hamburger SchülerInnen einen Migrations-hintergrund hatten, brachte für das Thema weitere interessante Perspektiven.

„Nachdem ich das Gelände und die Ausstellung gesehen habe, habe ich große Angst verspürt", so eine Schülerin aus Polen, „aber durch eure Offenheit und Freundlichkeit habe ich jetzt keine Angst mehr. Dafür möchte ich euch danken." (Paula, 15, Schülerin aus Polen)

In einer didaktischen Terminologie handelte es sich um ein interdisziplinäres Projekt: Was das Projekt aber so erfolgreich werden ließ, war mehr als die Interdisziplinarität. Die historische, emotionale und ästhetische Arbeit fand in der Realität statt, nicht in dem Schonraum Schule. In der Konfrontation mit dem realen Ort und in der Zusammenarbeit mit professionellen Künstlern konnten die Jugendlichen ihre Schülerrollen aufgeben und als Menschen agieren. Die ca. 40-minütige Performance, in der sie drei Elemente der vorherigen Gruppenarbeit (Bewegung / Choreografie, Musik, Texte) miteinander verbanden, wirkte daher auch vollkommen authentisch. Eine Aufführung fand in Hamburg statt und eine in Neuengamme vor weiteren Schulklassen.

„Es kommt mir vor, als könnte ich die Gefangenen beim Arbeiten sehen. Ich kann ihre Angst und ihren Schmerz fühlen. Ich höre sie schreien, weinen, sterben. Es ist, als könnte ich sie beinahe anfassen. Aber ich bin nur der Beobachter. Ich kann sie sehen, doch nichts an ihrer Vergangenheit ändern." (Alina, 16, Schülerin aus Hamburg)

Es wurde geweint in dieser Woche, es wurde auch gelacht, und vor allem wuchsen wir in dem gemeinsamen Erlebnis zusammen. Manchmal war es schwer, in den Alltag zurückzufinden. Wir haben neue Freunde gewonnen. Und wir haben uns an Menschen erinnert, die nicht vergessen werden sollten.

„Sehe ich Geister? Sind sie etwas, was in die Vergangenheit gehört? Nein, sind sie nicht! Denn sie leben immer noch. In unseren Gedanken, unseren Gefühlen, unseren Erinnerungen und den Erinnerungen unserer Vorfahren. Sie sind in uns. In uns allen." (Alina, 16, Schülerin aus Hamburg)

By Dorothee Barth

Titel:
Sound in the Silence.
Autor/in / Beteiligte Person: Barth, Dorothee
Zeitschrift: Musik und Bildung, 2012, Heft 1, S. 9-9
Veröffentlichung: 2012
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0027-4747 (print)
Schlagwort:
  • HOLOCAUST memorials
  • HOLOCAUST, 1939-1945, & collective memory
  • HOLOCAUST, 1939-1945
  • MUSIC therapy
  • MUSIC
  • CONFERENCES & conventions
  • INTERNATIONAL cooperation
  • GERMANY
  • Subjects: HOLOCAUST memorials HOLOCAUST, 1939-1945, & collective memory HOLOCAUST, 1939-1945 MUSIC therapy MUSIC CONFERENCES & conventions INTERNATIONAL cooperation
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Proceeding
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Full Text Word Count: 695

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -