STRASSENMUSIK
„Nichts ist älter als die Zeitung von gestern”, lautet ein häufig zitiertes geflügeltes Wort. Ans Musizieren denken Schülerinnen hier zunächst nicht. Was wäre aber, wenn gerade veraltete Zeitungen, Journale und Magazine durch Musizieren plötzlich wieder gefragt sind? Und selbst die lästigen Werbeblätter, die den Briefkasten zum überquellen bringen, wieder en vogue wären? Wenn man dann auch noch über die Musik-Schlagzeilen ins Gespräch kommt, ist viel gewonnen.
Der vorliegende Beitrag thematisiert das Musizieren mit Zeitungen, die man an jeder Straßenecke kaufen kann. Zeitungen und Zeitschriften sind aus der Lebenswelt vieler Kinder, Jugendlicher und Erwachsener nicht wegzudenken, wenn sie auch eher zum literarischen als zum musikalischen Erfahrungsbereich zählen. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass sie im Fach Musik sehr gut im Bereich von Liedbegleitung und Improvisation eingesetzt werden können. Im experimentellen Umgang ergeben sich die unterschiedlichsten Spielmöglichkeiten. Darüber hinaus bietet sich „Zeitungsmusik” zum Rappen, „Freestyle”-Musizieren über ausgewählte Zeitungsartikel oder zur Begleitung von Livemusik an (Beatbox, Percussion-Ensemble, Band, Live-Arrangement, Solospiel). In vorliegender Unterrichtsgestaltung wird ein neuer Weg mithilfe kreativer Textbausteine vorgeschlagen, der mit der Einbeziehung zeitgenössischer Kunst auch neue Anregungen einbezieht, die für eine musikalische Gestaltung förderlich sind. Das Unterrichtsmodell braucht keine Bereitstellung von Instrumenten und ist spontan durchführbar.
Dem Einsatz der Zeitung wird ein kurzes Warmup vorgeschaltet. In Kreisaufstellung wird mit Blick in die Mitte von allen gemeinsam in geradtaktigem Metrum ein Seitschritt nach links ausgeführt (Zählzeit 1) und der rechte Fuß herangezogen (Zählzeit 2). Im Anschluss geht es einen Schritt nach rechts (Zählzeit 3) und der linke Fuß wird herangezogen (Zählzeit 4). Es folgt ein zusätzlicher Rhythmus. Dieser kommt zunächst von der Lehrkraft und wird von allen Schülerinnen nach dem Call-Response Prinzip beantwortet. Beispiel:
Sobald dieses Frage-Antwort-Spiel bei den Lehrer-Rhythmen einige Male funktioniert hat, können einzelne Schülerinnen den Call übernehmen - immer das Metrum in den Füßen beibehaltend.
Wenn zu diesem Zeitpunkt ein Stapel von Zeitungen und Magazinen in die Kreismitte gelegt wird, ist bei Schülerinnen in der Regel eine starke Motivation festzustellen, diese kreativ einzusetzen. Denn die zuvor mithilfe von Bodypercussion gestalteten Rhythmen können jetzt auf das Medium Zeitung übertragen werden. Jeder darf sich dazu sein eigenes „Instrument” nehmen. Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem eigene Spieltechniken entwickelt und in den musikalischen Ablauf integriert werden (siehe Arbeitsblatt „Zeitung: Spieltechniken”). Die selbst gestalteten Patterns sind wichtig, um im weiteren Verlauf ein Gefühl dafür zu gewinnen, wie eigene Textverse in einen metrischen Ablauf passen. Um einen musikalischen Rahmen für die selbst entwickelten Patterns bereit zu stellen, wird unter Beibehaltung des Metrums der Refrain des Lieds Breaking News einbezogen (siehe Arbeitsblatt „Breaking News”). Frei nach dem Rondo-Prinzip wechselt er sich ab mit den selbst gestalteten Rhythmusversen. Der Gesangs-Refrain kann mit einer zweiten Stimme verstärkt werden. In einer Kreativphase werden die Schülerinnen angeleitet, eigene Rap-Verse, „Breaking News” (respektive Eil-/Sonder-/Kurzmeldungen) in Partner-oder Gruppenarbeit selbstständig zu formulieren. Danach werden die in Gruppen erarbeiteten Verse gegenseitig vorgestellt.
Die Begleitung des Refrains kann durch die unterschiedlichsten Zeitungsvorlagen geschehen. Zum Refrain Breaking Wei/i/ssind einige Beispiele vorgegeben. Die Organisation des Patterns sowie die Anzahl und Auswahl der einbezogenen Zeitungen ist der Spontaneität der Schülerinnen überlassen. In die Begleitung werden die einzelnen Rhythmen sukzessive einbezogen, zunächst von der unteren Stimme („Zeit”) in der Partitur ausgehend:
Wenn das Rhythmuspattern von den Schülern sicher übernommen ist, kommt das nächste hinzu usw. Am Ende steht ein rein mit Zeitungen und Magazinen begleiteter Refrain.
Soweit es die Situation zulässt (Anzahl der Kinder, Einteilung der Gruppen, zeitlicher Ablauf), kann in Form eines Breaks eine Auflockerung des Ablaufs eingebaut werden (siehe Arbeitsblatt „Breaking News”). Der Break „Fakten”, welcher an den Werbeslogan eines bekannten Wochenma gazins erinnert, kann von zwei Schülerinnen, die sich abwechseln, gespielt und gerappt werden. Auf Zählzeit i ist jeweils das Heft geschlossen zu halten, auf Zählzeit 1+ ist es mit einem kräftigen Impuls auseinanderzuziehen usw.
In Gruppenarbeit können zusätzlich unterschiedliche Textbausteine erfunden werden, die den musikalischen Ablauf mit einer weiteren Thematik bereichern können.
Bei der Erprobung dieses Unterrichtsvorschlags wurde derThemenbereich „Musik in der Schule” gewählt. Die Textbausteine wurden in den Gruppen mit Hilfe von Zeitungsausschnitten zum Musikunterricht entwickelt und im Anschluss auf einen geeigneten Rhythmus übertragen. Die Schülerinnen sollten versuchen, aus den vorliegenden Schlagzeilen drei Takte mit einem originellen Text ihrer Wahl zu ergänzen! (siehe Arbeitsblatt „Breaking News, Eigene Strophen / Rap”)
Die Zeitung ist ein vielfältiger Impulsgeber und kann - weit über das Fach Musik hinausgehend ; in verschiedenen Fächern genutzt werden Das Unterrichtsmodell „Breaking News” zielt darauf ab, die Schülerinnen für einen kreativen Umgang mit „Musikinstrumenten” des Alltags zu sensibilisieren und in den selbst erarbeiteten Versen die Diskussion wichtiger Themen aus Musik, Medien und Politik anzubahnen, (vgl. Arbeitsblatt „Zeitung in Kunst und Politik” auf der Heft-DVD)
© Dorothea Book
Bähr, Johannes: „Klassenmusizieren”, in: Werner Jank (Hg.), Musikdidaktik. Praxishandbucb für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2005, S. 159-167, S. 195
Gaul, Magnus und Hartmut Möller: „Malagueñia aquií y allá Ein interkultureller Zugang zur Unterrichtspraxis”, in: 0. Krämer (Hg.), Andere Musik - anders unterrichten, Augsburg 2012
Terhag, Jürgen: Warmups. Musikalische übungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Mainz, 2009, S. 85 f.
Torkel, Wilhelm: „Zeitungsmusik”, in: Musik in der Orundschule 1/2008, S. 34-38
Text und Musik Magnus Gaul
REFRAIN MIT RHYTHMUSBEGLEITUNG
BREAK
Werdet kreativ und versucht, in jedem Kasten die drei fehlenden Takte mit einem originellen Text eurer Wahl zu ergänzen!
Zeitung als Trompete
Zeitung als Pauke
Zeitung als Schlagrohr auf die eigene Handfläche oder den Oberschenkel
Zeitung als Membran zur Tonerzeugung (Klangerzeugung wie bei einem Kazoo)
Klangerzeugung durch Knüllen oder Reiben der Zeitung
Klangerzeugung durch Zerreißen der Zeitung
Fotos: Magnus Gaul
1. Finde mit einem Partner weitere Möglichkeiten, mit Zeitungen Klang zu erzeugen!
- 2. Wie kannst du die Zeitung mit einem Partner geschickt einsetzen? überlege dir einen Klang und sieh dir dazu das Foto rechts an!
- 3. Findet gemeinsam Sprechverse mithilfe der Zeitung und versucht, diese zu vertonen.
Beispiel: Allzu viel ist ungesund. Stöhnen ist die halbe Arbeit, oh, oh!
By MAGNUS GAUL