Oliver Krämers Arbeitsheft Neue Musik ist Teil einer speziell für die Oberstufe konzipierten Reihe, die Materialien für abgeschlossene Unterrichtseinheiten bieten möchte. Die der Lehrerausgabe beigefügte CD beinhaltet zahlreiche Hörbeispiele (meist Ausschnitte) sowie Zusatzmaterialien (Quellentexte) und Arbeitsblätter, deren Spektrum vom einfachen Zitat bis zum aufwendig bebilderten und mit zusätzlichen Arbeitsanregungen versehenen Material reichen. Der aufwendig und schön gestaltete Lösungsteil im Lehrerkommentar bezieht sich überwiegend auf die analytischen Aufgabenstellungen, enthält aber keinen methodisch didaktischen Lehrerkommentar, wie auf dem Booklet angekündigt.
Das Arbeitsheft beleuchtet den Zeitraum zwischen 1900 und Anfang 2000 und unterteilt die einzelnen Kapitel bis 1970 in Zehnjahresab-stände. Die einzelnen kompositorischen Strömungen und Stilrichtun-gen werden meist in Infokästen knapp beschrieben und zusammengefasst, die Kapitel nähern sich der Musik dagegen sinnvollerweise aus der Perspektive einzelner Themenstellungen (z. B. „Tanz auf dem Vulkan -- Neue Musik nach 1920" oder „Zwischen Systemzwang und Unbestimmtheit -- Neue Musik nach 1950" oder „Neue Musik als Ereignis und Experiment -- Neue Musik nach i960"). In den einzelnen Kapiteln steht klar das Textmaterial im Vordergrund, es nimmt den größten Raum ein und wird durch zahlreiche (zum Teil stark verkleinerte) Partitur-Ausschnitte und passend ausgewählte (zum Teil farbige) Abbildungen ergänzt. Gemäß des Konzepts eines handlungsorientierten Unterrichts der Oberstufenhefte-Reihe sind jedem Kapitel Arbeitsanregungen beigefügt. Diese bestehen jedoch bei kritischer Betrachtung zu einem erheblichen Teil aus Textbearbeitungsaufträgen („Informieren Sie sich über ", „Lesen Sie ") sowie Analyse- und Höraufgaben. Nimmt man dies mit dem nicht unerheblichen Textmaterial des Schülerbands zusammen, so bleibt nicht viel Raum für den im Einleitungskapitel sinnvollerweise geforderten aktiven und von einem hohen Maß an eigenständiger Auseinandersetzung geprägten Umgang mit dem Gegenstand.
Darüber hinaus sind auch Anregungen zum Musizieren, zum eigenen kompositorischen Gestalten sowie transformierenden Umgang mit dem Material gegeben. Krämer entwickelt hier einige sehr schöne Ideen; daneben finden sich jedoch auch Vorschläge, die aufgrund der mangelnden Vorerfahrung von Oberstufenschülerinnen oder des enormen Aufwands, der mit der Umsetzung einhergehen würde, als vollkommen überzogen erscheinen. Ein Beispiel dafür, noch dazu inhaltlich absolut fragwürdig, ist folgende Arbeitsanregung: „Stellen Sie Werkausschnitte von Komponistinnen und Komponisten der letzten Jahrzehnte zusammen und spielen Sie sich Ihre Auswahl gegenseitig vor. Versuchen Sie zu erraten, ob die Musik von einem Mann oder einer Frau komponiert wurde. Diskutieren Sie Ihre Klischees" (S. 59 unten).
Die Verwendung solcher themenbezogener Zusatzhefte muss im Zusammenhang des Einsatzes eines Lehrbuchs gesehen werden und sich inhaltlich daran messen lassen. Ist ein Oberstufenbuch eingeführt, so lässt sich die zusätzliche Anschaffung eines Themenhefts nur dann rechtfertigen, wenn das Thema dort deutlich umfangreicher und vielfältiger vorgelegt wird. Wirft man einen Blick in einige derzeit auf dem Markt befindlichen Oberstufenbände, so zeigt sich, dass hier zum Teil wesentlich mehr Material in den Schülerbüchern und Lehrerbegleitbänden inklusive der CDs/ DVDs zur Verfügung steht. (Beispielsweise ist das Kapitel „Musik im 20. Jahrhundert" in der aktuellen Ausgabe von Musik um uns Sek. II [Schroedel] nahezu gleich lang, die zusätzlichen Arbeitsmaterialien dagegen sind wesentlich umfangreicher).
PHOTO (COLOR): Oliver Kramer
By Silke Egeler-Wittmann